Hätte Sebastian Vettel jemand vor dem Wochenende gesagt, dass er Dritter werden würde, hätte sich der Heppenheimer wahrscheinlich darüber gefreut. Nach einem nervenaufreibendem Kanada GP konnte der Weltmeister aber nur bedingt mit dem Platz auf dem Podium zufrieden sein. Denn Teamkollege Daniel Ricciardo holte - obwohl drei Plätze hinter Vettel gestartet - den Sieg.

Vettels Problem war der Verkehr. Nach seinem ersten Boxenstopp in Runde 16 lief der Heppenheimer auf Nico Hülkenberg auf, der seinerseits mit den Soft-Reifen gestartet war und deshalb einen langen ersten Stint fahren musste. "Nach dem Boxenstopp war mein Rennen vorbei, ich konnte ihn bis zum Ende nicht überholen", so Vettel.

Vettel beschwert sich bei Box

Das Problem ist nicht neu: Vettel hatte wieder einmal mit einem niedrigen Topspeed zu kämpfen, während Hülkenberg mit Mercedes-Power im Heck den Red Bull fast spielerisch hinter sich halten konnte. Mit 338,5 Stundenkilometer war Hülkenberg Drittschnellster. "Auf der Geraden waren wir einfach nicht schnell genug, wir hatten zu wenig Leistung. Das hat uns bei der Strategie nicht geholfen."

Weil Vettel schnell realisierte, dass an Hülkenberg wohl kein Weg vorbeiführen würde, wollte er eine alternative Strategie fahren - und forderte das auch von seiner Box. Vettel später: "Ich denke, dass es möglich gewesen wäre, etwas anderes zu machen und die Pace, die wir zweifelsfrei hatten, zu nutzen. Aber am Ende habe ich gestoppt und habe eine Position an Daniel verloren."

In Runde 36 kam Vettel zu seinem zweiten Stopp, Ricciardo eine Runde später. Weil Vettel im Verkehr wieder zurück auf die Strecke kam und Ricciardos Stopp etwas schneller war kam es zum Positionswechsel bei Red Bull. Teamchef Christian Horner hatte für seinen teuersten Angestellten Verständnis: "Es war eines dieser frustrierenden Rennen für Seb." Welche Strategie Vettel genau wollte, lies er offen.

Von Runde 16 ab auf einem Satz Soft-Reifen bis zum Ende des Rennens zu fahren, wäre zumindest sehr eng geworden. Möglich wäre aber auch einfach ein längerer Mittelstint gewesen - das Hülkenberg-Problem erledigte sich in Runde 42 durch seinen Boxenstopp von selbst.

Konnte Pace nicht umsetzen

So aber kam Vettel wieder in den Verkehr. Weil die Red Bulls im Doppelpack auf Sergio Perez aufholten, der wie sein Teamkollege auf einer Einstopp-Strategie unterwegs war, nur auf den Superspofts begann, konnte Vettel seine Pace wieder nicht umsetzen.

Nachdem Teamkollege Ricciardo Perez vier Runden vor Rennende noch überholen konnte, kam auch Vettel am Mexikaner vorbei. Doch ähnlich wie bei Hülkenberg war Vettel auf den Geraden chancenlos. "Obwohl ich DRS geöffnet hatte und Perez nicht, ist er mir davongefahren, sobald ich aus dem Windschatten ausgeschert bin."

Fast hätte auch bei Red Bull der Defektteufel zugeschlagen. Das andauernde Fahren im Windschatten war bei den ungewöhnlich hohen Temperaturen auf der Ile Notre-Dame nicht förderlich. "Das war für die Power Unit hart, wir sind von der Temperatur her am Limit gefahren", verriet Motorenmann Tierry Salvi nach dem Rennen. "Aber beide Fahrer haben Reifen und Energie clever gemanagt."

Am Ende kam das Überholmanöver an Perez für Vettel zu spät, er konnte Rosberg nichtmehr überholen. Und dann hatte Vettel auch noch unglaubliches Glück. Bei einem missglückten Überholversuch kollidierten Felipe Massa und Sergio Perez spektakulär. Massa rutschte quer über die Strecke und verfehlte Vettel nur knapp.

Riesen Glück für Vettel

"Ich habe eingelenkt und gesehen, dass sie sehr nah beieinander waren. Dann habe ich etwas Weißes in meinem Spiegel anfliegen sehen. In der letzten Sekunde habe ich reagiert und nach rechts gelenkt, als Felipe in der Luft vorbeigeflogen ist", beschreibt Vettel die fast Katastrophe. "Sebastian hatte da ein riesen Glück! Gott sei Dank ist das gut ausgegangen", pflichtet im Dr. Helmut Marko bei.

Unter normalen Umständen ist Mercedes noch immer schneller, Foto: Sutton
Unter normalen Umständen ist Mercedes noch immer schneller, Foto: Sutton

Trotz des Sieges seines Teamkollegen und seiner Podiumsplatzierung verfällt Vettel nicht in Euphorie. "Wir wissen, dass wir ein konkurrenzfähiges Auto haben, aber wir haben noch kein so konkurrenzfähiges Paket, dass wir Mercedes unter normalen Umständen schlagen können."

Auch wenn das Ergebnis letztendlich glücklich für Red Bull war, so nimmt es der Weltmeister gerne mit: "Nach dem schmerzhaften Winter und einem schwierigen Start in die Saison ist es eine tolle Belohnung." Arbeit liege weiterhin ausreichend vor ihnen, mahnte Vettel zum Abschluss.