Bei der Bekanntgabe der Reifenmischungen überraschte Pirelli etwas: Der italienische Alleinausrüster bringt die Softs und Supersofts mit über den großen Teich. Da sich die Piloten bei den letzten Rennen jedoch über die, ihrer Meinung nach zu harten Reifen beschwerten, könnte Pirelli mit der Auswahl genau richtig liegen. Während der Reifenverschleiß in Monaco quasi kein Thema war, könnte er es in Montreal werden - zumal hier auch Überholen nicht unmöglich ist. Die Longrun-Performance ist also entscheidend. Motorsport-Magazin.com analysiert den Freitag in Kanada.

Mercedes konzentriert sich auf teaminternen Kampf

Eine Sache fällt schnell auf: Während die Programme bei den meisten Teams gesplittet wurden, fuhren sowohl Lewis Hamilton, als auch Nico Rosberg ihren Longrun auf den extra-weichen Reifen. Scheinbar will keiner der beiden Piloten das Risiko eingehen, benachteiligt zu werden. Schließlich ist der Option-Reifen meist erste Wahl - sowohl im Qualifying, als auch im Rennen.

Also fuhren Hamilton und Rosberg identische Programme. Beide fuhren 14 gezeitete Runden auf den Supersofts und am Ende des Trainings noch ein paar Umläufe auf den Softs. Wie bei der absolut schnellsten Runde hatte auch beim Longrun Hamilton die Nase vorne. Im Schnitt war der Brite rund zwei Zehntelsekunde schneller als Rosberg. Der Trend ist nicht ungewöhnlich, gilt der Weltmeister von 2008 doch als absoluter Montreal-Spezialist.

Der Soft-Supersoft-Vergleich

Bei Williams ist es inzwischen zur Tradition geworden, am Freitag die Longruns zu splitten. Zudem fahren Felipe Massa und Valtteri Bottas am Freitag meist die längsten Dauerläufe. So auch in Montreal. Deshalb lassen sich hier die unterschiedlichen Reifen-Performances am besten vergleichen.

Und hier scheint der Soft-Reifen klar im Vorteil zu sein. Während bei Bottas der extra-weiche Reifen schon nach zehn Runden spürbar nachließ, konnte Massa 17 Runden am Stück konstante Rundenzeiten fahren. So konstant, dass sogar Pirelli selbst etwas überrascht von der Langlebigkeit ist. "Den weichen Reifen könnte man 70 Runden fahren, den extra-weichen 25", so Pirelli Motorsportchef Paul Hembery.

Weil der Unterschied auch auf eine Runde hinweg nicht so dramatisch ist wie bei anderen Rennen, Pirelli spricht von 0,6 bis 0,8 Sekunden, könnte das interessante Strategien eröffnen. Der Supersoft-Reifen baut pro Runde um etwa 0,1 Sekunden ab, der Soft-Reifen wird in Verbindung mit einem leichter werdenden Auto sogar schneller.

Mercedes trotz Problemen mit Supersofts vorne

Ricciardos Longrun war deutlich langsamer als Hamiltons, aber schneller als Alonsos und Bottas, Foto: Red Bull
Ricciardos Longrun war deutlich langsamer als Hamiltons, aber schneller als Alonsos und Bottas, Foto: Red Bull

Weil Mercedes keinen repräsentativen Longrun auf den gelb markierten Reifen zeigte, bleibt hier nur der Vergleich auf den Supersofts, die womöglich nicht erste Wahl im Rennen sind. Und Mercedes ist nicht sorgenfrei. "Wir müssen analysieren, wie wir im Rennen am besten mit dem Graining der Option-Mischung umgehen", meinte Motorsportchef Toto Wolff.

Doch trotz des Grainings bleibt Mercedes unangefochtene Nummer eins. Am nächsten kam Mercedes noch Red Bull in Person von Daniel Ricciardo. Doch auch der Australier war schon deutlich langsamer. Hinter Mercedes geht es aber enger zu: Red Bull, Ferrari und Williams scheinen sich nicht viel zu nehmen. Red Bull scheint leicht im Vorteil zu sein, dann kommt Ferrari mit einem hauchdünnen Vorsprung vor Williams. Bei Valtteri Bottas baute der Supersoft-Reifen am deutlichsten ab.

Massa Mercedes-Jäger Nummer eins?

Bei den Longruns auf den Soft-Reifen gibt es leider keine Mercedes-Referenz. Bei Red Bull fuhr Sebastian Vettel mit Soft, bei Ferrari Kimi Räikkönen und für Williams Felipe Massa. Den längsten Run legte klar Massa hin. Und nicht nur den längsten: Der Brasilianer war klar schneller als Vettel und Räikkönen. Das überrascht zumindest insofern, weil Williams in Bahrain noch mit dem Reifenabbau zu kämpfen hatte.

Nicht ganz außer Acht lassen darf man hierbei aber den Faktor Benzin. Weniger das Gewicht, als vielmehr das Sparen des fossilen Brennstoffs könnte beim Longrun einen entscheidenden Faktor spielen. Montreal ist der Benzinfresser schlechthin im Kalender. Die Energierückgewinnung der Mercedes-Power-Unit gilt als besonders gut. Williams ist beim Benzinverbrauch die ganze Saison über schon top - ein Vorteil, der sich in Kanada auszahlen wird.

Was die Sache besonders interessant macht: Massas Run war auch deutlich schneller als jene der Mercedes-Piloten auf den Supersofts. Das zeigt, dass der etwas härtere Reifen - bei Streckenbedingungen wie sie am Freitag vorherrschten - definitiv der bessere Reifen für das Rennen ist.

Hinter Massa geht es zwischen Räikkönen und Vettel eng zu, mit leichten Vorteilen für den Ferrari-Piloten. Auf den Supersofts ist es genau umgekehrt. Unterstellt man den Piloten, dass sie auf einem ähnlichen Niveau fahren, zeigen die Longruns eine Sache sehr schön: Der Unterschied zwischen den Reifen ist von Auto zu Auto unterschiedlich. Das verdeutlicht besonders der Williams. Während Bottas auf den Supersofts Ferrari und Red Bull hinterherhinkt, dreht Massa den Spies auf den Option-Reifen deutlich um.