Das Jahr 2014 glich für Mercedes bislang einem Märchen: Dominant bei den Tests, fünf Siege, fünf Poles und vier schnellste Rennrunden in fünf Rennen sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, Aufsichtsrat Nikki Lauda, Lewis Hamilton und Nico Rosberg bestimmen die Schlagzeilen seit Jahresbeginn derart, dass ein Mann jedoch fast gänzlich in Vergessenheit gerät: Ross Brawn. Der Ex-Teamchef, der im Dezember zurücktrat und Anfang Februar sein endgültiges Karriereende bekanntgab, legte mit seiner Arbeit den Grundstein für den aktuellen Erfolg; eine Tatsache, die Wolff nicht müde wird, zu betonen.

"Bereits im Jahr 2012 hat Ross realisiert, dass Mercedes sich in der Formel 1 in eine völlig falsche Richtung entwickelt", erklärt der Österreicher. So habe Brawn mit einem personellen Umbruch eine flächendeckende Umstrukturierung angeleiert, die schließlich fruchtete. "Ross hat viele wichtige Leute in wichtigen Positionen bei Mercedes installiert. Meine Aufgabe bestand dann lediglich darin, diese Ausnahmekönner auch zu einer funktionierenden Einheit zu formen", verrät Wolff Gründe für den Aufschwung. Auch eine deutliche Erhöhung des Budgets, die er vor dem Hauptkonzern erstritt, brachte Mercedes deutliche Vorteile bei der Entwicklung des hybriden Turboboliden F1 W05.

Brawns Ruhe und Erfahrung geschätzt

Zwar ist Mercedes aufgrund der aktuellen Dominanz zumindest für den Moment vor ernsthaften Angriffen der Konkurrenz gefeit, der interne WM-Kampf zwischen Hamilton und Rosberg dürfte bei ähnlichem Verlauf wie bisher jedoch früher oder später zu einem Pulverfass werden. "Wenn es gegen Ende der Saison für uns dann um die beiden WM-Titel geht oder die Konkurrenz irgendwann zurückschlägt, wird es mit Sicherheit sehr hitzig. Ich versuche mir in solchen Stress-Situationen bisher immer vorzustellen, was Ross denn machen würde. Mit seiner unglaublichen Ruhe, Abgeklärtheit und Erfahrung würde er uns sicher immer noch enorm weiterbringen."

Wolff würde im Notfall gar erneut zum Telefon greifen, um sich Brawns geschätzten Rat einzuholen. "Wenn es nötig wäre, hätte ich keine Scheu, Ross' Meinung zu erfragen. Es ist wirklich schade, dass er nun den Erfolg nicht mit uns genießen kann, den er zu großen Teilen mit zu verantworten hat. Ich bin jedoch in regem Kontakt mit ihm und versuche mit aller Macht, ihn bei mindestens einem Rennen zu uns an die Strecke zu bekommen, und sich das Team genau anzuschauen." Einer Rückkehr des Engländers stände Wolff jederzeit offen entgegen. "Wir hätten wirklich gerne, dass er Teil des Teams wäre, aber zumindest muss er uns an der Strecke besuchen. Er hat es versprochen."