Zugegeben, der Spanien GP sorgte einmal mehr nicht unbedingt für Jubelstürme bei den Zuschauern. Das mag beim Heim-Publikum damit zusammenhängen, dass Fernando Alonso im Ferrari chancenlos war, beim Rest der Formel-1-Gemeinde sorgte eher die mangelnde Renn-Action für wenig Begeisterung. Doch das ist nichts Neues, kein Problem der neuen Formel 1 also.

Denn die Rennen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya werden nahezu immer in der Box entschieden - Überhonen so gut wie unmöglich. Taktik-Füchse kommen dafür umso mehr auf ihre Kosten. Vor allem, wenn die Strategien so unterschiedlich sind wie am Sonntag. Motorsport-Magazin.com analysiert.

War Kimi Räikkönen auf der falschen Strategie?

Kimi Räikkönen war nach dem Rennen sichtlich bedient. Verlor er nur aufgrund unterschiedlicher Strategien seinen sechsten Platz an Fernando Alonso? Räikkönen startete auf sechs, Alonso einem Platz hinter ihm. Am Start konnten die Ferrari-Piloten keine Plätze gutmachen, auch die Reihenfolge blieb identisch.

Fernando AlonsoMedium (Start)Medium (16)Hart (35)Medium (53)
Kimi RäikkönenMedium (Start)Medium (17)Hart (43)
Sebastian VettelMedium (Start)Hart (12)Medium (33)Medium (52)

Normalerweise hat in diesem Fall der Pilot Vorrang beim Boxenstopp, der vorne ist. Vor allem wenn zwei Piloten direkt hintereinander fahren, kann es entscheidend sein, eine Runde früher zum Stopp zu kommen. Denn während der eine noch eine Runde auf abgenutzten Reifen fahren muss, kann der Erst-Stopper den Vorteil der neuen Pneus nutzen und so auf der Strecke überholen. Undercutten, also Unterschneiden nennt sich diese Strategie.

Doch bei Ferrari lief es in Barcelona anders. Alonso kam, obwohl Räikkönen direkt vor ihm war, zuerst zum Stopp. Geplant war das offenbar nicht. Alonso hatte sich über den Boxenfunk gegen Ende seines ersten Stints lauthals über den Zustand seiner Reifen beklagt. Ferrari wollte Alonso aber nicht früher reinholen, weil der vorzeitige Stopp ihn in den Verkehr geworfen hätte. Alonso klagte weiter, mit Erfolg: Schließlich holte ihn die Scuderia doch früher rein als geplant, eine Runde früher als Räikkönen.

Dabei zeigen die Rundenzeiten ganz klar, dass Alonsos Reifen nicht stärker abbauten als Räikkönens. Weil der Abstand zwischen den beiden Teamkollegen weniger als eine Sekunde betrug, hätte Alonso eigentlich nach seinem Boxenstopp vor Räikkönen rauskommen sollen. Blöd nur, dass der Spanier in der Verkehr kam und Räikkönen nach seinem Boxenstopp eine Runde später wieder knapp vor ihm auf die Strecke ging. Der erste Versuch, Räikkönen in der Box zu überholen, war also misslungen.

Auch wenn Alonso der Schnellere war, auf der Strecke kam er an Räikkönen nicht vorbei. Das war auch im zweiten Stint so. Der Spanier wusste, dass er eine andere Strategie benötigte, um am Teamkollegen vorbeizugehen. Und er kannte die geplante Strategie: Zwei Stopps. Also jammerte Alonso auch im zweiten Stint über seine abbauenden Reifen - was er übrigens selbst zugab. Zur Klarstellung: Beide Ferrari-Piloten waren zu diesem Zeitpunkt noch auf der gleichen Strategie, also mit identischer Reifenwahl, unterwegs. Unterschiede bei der Reifenabnutzung schien es nicht gegeben zu haben.

"Wenn du jetzt kommst, müssen wir drei Stopps machen", habe ihm seine Box erklärt. Alonso gibt an, sich rückversichert zu haben, was Vettel macht. Denn: "Priorität war es, Vettel das gesamte Rennen hinter uns zu halten, nicht Räikkönen", sagte Alonso nach dem Rennen. Vettel stoppte zwar auch dreimal, fuhr aber trotzdem auf einer anderen Strategie, weil er die harten Reifen schon im zweiten Stint aufgezogen hatte. Ein direktes covern von Vettel war also gar nicht mehr möglich.

Entscheiden über Sieg und Niederlage: Richtig getimte Boxenstopps, Foto: Sutton
Entscheiden über Sieg und Niederlage: Richtig getimte Boxenstopps, Foto: Sutton

Die schnellste Strategie, das berechnete Ferrari offenbar, waren zwei Stopps - in der Theorie. Denn Alonso konnte schneller als Räikkönen, konnte aber eben nicht überholen. Einen Funkspruch Richtung Räikkönen hat sich Ferrari wohl gespart, Teamorder kommt beim Rückkehrer nicht besonders gut an. Also musste Alonso anderweitig an Räikkönen vorbei - mithilfe der Strategie.

Bereits in Runde 35 holte sich Alonso seinen nächsten Reifensatz. Damit war klar, dass es drei Stopps werden. Diesmal ging es auf die härteren Reifen. Räikkönen musste mit seinem zweiten Satz noch bis Runde 43 fahren, holte sich dann ebenfalls die orangenen Pirellis ab - mit denen er die letzten 21 Runden durchfahren musste.

Allerdings wusste Ferrari da noch nicht, dass der harte Reifen mehr Graining-Probleme bereiten würde als der weiche. Ein Phänomen, das auftrat, weil es über Nacht geregnet und den Gummi von der Streck gespült hatte. Zwar waren Hard und Medium fast gleich schnell, die härtere Mischung tendierte allerdings etwas mehr zum rutschen - was zu leichtem Graining am linken Vorderreifen führte.

Alonso fuhr lediglich 18 Runden auf den orange markierten Reifen, holte sich für seinen Schlussspurt dann wieder die Mediums. Die Rechnung ging auf: Bei Räikkönen brachen die Pneus leicht ein, Alonso konnte seine frischeren Pneus ausnutzen und zwei Runden vor Schluss vorbeigehen.

Gibt es eine Nummer eins bei Ferrari?

Ferrari ist nun vorsichtig mit Nummer eins und Nummer zwei, Foto: Sutton
Ferrari ist nun vorsichtig mit Nummer eins und Nummer zwei, Foto: Sutton

Fazit: Alonso hat den Strategiewechsel geschickt eingefädelt. Bei Räikkönen wurde aber nicht unbedingt auf die falsche Strategie gesetzt. In der Theorie war sie wohl sogar schneller - nur hatte Alonso eben eine generell bessere Pace, die er aber nicht umsetzten konnte, weil er hinter Räikkönen festhing. Alonso konnte - Räikkönen ersteinmal entledigt - seine bessere Pace dann nutzen und die eigentlich etwas langsamere Strategie ging auf.

Gibt es also eine Nummer eins bei Ferrari? Eher nicht, denn auf einen Funkspruch hat die Scuderia gezielt verzichtet - auch wenn es womöglich für das Team die beste Lösung gewesen wäre. Warum führte man dann trotzdem Alonso an Räikkönen vorbei? Zum einen machte Alonso aus dem Cockpit Druck auf seine Crew. Zum anderen war so die Chance größer, Vettel hinter sich zu halten .