In Barcelona startet die Formel 1 am Wochenende in die Europa-Saison. Der Circuit de Catalunya ist fast schon traditionell als Kristallkugel bekannt: Wer hier schnell ist, kann auf sämtlichen anderen Strecken auf eine gute Performance hoffen, besagt zumindest eine alte Faustregel. Auch aus einem weiteren Grund dient das Rennen vor den Toren der katalanischen Metropole als Gradmesser für das restliche Jahr. So ist der Europa-Auftakt meist der Zeitpunkt der ersten großen Update-Pakete der Teams, was nach den oftmals 'eigentümlichen' Fernost-Rennen besseren Aufschluss über die tatsächliche Leistungsfähigkeit im Feld gibt. Motorsport-Magazin.com wirft einen Blick auf sämtliche Teams und wagt eine Prognose für den Spanien GP.

Mercedes

Geht der Zweikampf Rosberg gegen Hamilton in Spanien in die nächste Runde?, Foto: Sutton
Geht der Zweikampf Rosberg gegen Hamilton in Spanien in die nächste Runde?, Foto: Sutton

Nach dem bisherigen Saisonverlauf scheint es auf den ersten Blick äußert leichtsinnig, einen Pfifferling gegen die Silberpfeile zu setzen. Die beinahe grenzenlose Dominanz Lewis Hamiltons und Nico Rosbergs könnte in Barcelona jedoch erste Kratzer bekommen. Das Layout des Circuit de Catalunya mit vielen flüssigen und schnellen Kurven bevorteilt vor allem Autos mit einer starken Aerodynamik. Zwar bleiben die lange Start-Ziel-Gerade von über einem Kilometer sowie der dritte Sektor mit seinen extrem langsamen Kurven, die nach starker Traktion verlangen, klar die Domäne der Silberpfeile. Über den Rest der Runde dürfte der F1W05 gegenüber den Boliden der restlichen Spitzenteams jedoch weitaus weniger Vorteile haben, was die Spannung an der Spitze erhöhen sollte.

Sowohl Hamilton als auch Rosberg gewannen in Spanien noch nie, letzterer stand in Barcelona gar noch nicht einmal auf dem Podest. Hamilton, Sieger der vergangenen drei Grand Prixs, genoss in seinen Zeiten als McLaren-Pilot jedoch immerhin drei Mal die 'Champagnerdusche' im Anschluss an das Rennen. Mercedes bleibt in Barcelona trotz allem großer Sieganwärter. Spannend wird vor allem sein, zu sehen, ob Rosberg nach drei Niederlagen in Folge gegen den Teamkollegen ein Ausrufezeichen setzen kann.

Red Bull

Gelingt Weltmeister Sebastian Vettel im Teamduell mit Daniel Ricciardo die Wende?, Foto: Sutton
Gelingt Weltmeister Sebastian Vettel im Teamduell mit Daniel Ricciardo die Wende?, Foto: Sutton

Mit Spannung wird der Auftritt des vierfachen Teamweltmeisters beim Europaauftakt erwartet. Zwei Fragen brennen dabei wohl einem jeden Experten und Formel-1-Fan auf den Lippen: Kann Red Bull die Lücke auf Mercedes endlich schließen? Und behält Daniel Ricciardo im internen Duell mit Vierfachweltmeister Sebastian Vettel weiter die Oberhand? Bereits vor Wochen orakelte Helmut Marko, dass sein Team womöglich in Barcelona oder beim anschließenden Grand Prix in Monaco wieder die Spitze des Feldes übernehmen könnte, da die Streckencharakteristik Mercedes dort einiges an Vorsprung rauben sollte.

Der RB10 führt die Formel 1 wie auch seine Vorgänger in Sachen Aerodynamik souverän an, jedoch gelang Red Bull in den vergangenen beiden Jahren kein Podestplatz auf dem durch viele schnelle Kurven bestechenden Kurs in Barcelona. Ein Grund hierfür war unter anderem der extrem hohe Reifenverschleiß der Newey-Boliden, der sich auch dieses Mal wieder negativ auf ein positives Rennergebnis auswirken könnte. Allerdings bringt Pirelli seine beiden härtesten Mischungen an die Strecke, was Red Bull somit entgegenkommen sollte. Ein Podestplatz liegt für den österreichischen Rennstall sicherlich im Bereich des Möglichen.

Ferrari

Nach seinem ersten Podium in China brennt Fernando Alonso auf eine Wiederholung beim Heimrennen, Foto: Sutton
Nach seinem ersten Podium in China brennt Fernando Alonso auf eine Wiederholung beim Heimrennen, Foto: Sutton

Nach dem ersten Podium der Saison für Fernando Alonso beim vergangenen Rennen in China warnte der Spanier bereits vor zu großer Euphorie. Ein gutes Resultat des Asturiers bei seinem 'Heimrennen' auszuschließen ist jedoch definitiv ein gewagtes Unterfangen. So läuft Alonso auf heimischem Boden regelmäßig zu Höchstform auf, wie seine zwei Siege sowie fünf weitere Podestplatzierungen in Barcelona eindrucksvoll beweisen. Der Spanier, der Teamkollege Kimi Räikkönen in dieser Saison bislang deutlich im Griff hat, ist auch am Sonntag wieder ein ganz heißer Kandidat auf ein Topergebnis.

Spannend wird vor allem zu sehen sein, inwieweit es Ferrari in den vergangenen drei Wochen geschafft hat, die Lücke zur Spitze zu schließen. Vor allem der neue Teamchef Marco Mattiacci will mit Sicherheit beweisen, dass seine Anstellung der richtige Schritt aus der Krise war, und dürfte seinen Mannen in Maranello einiges an Feuer gemacht haben, um die kränkelnde Mythosmarke wieder aufzupäppeln. Für Kimi Räikkönen muss es in Barcelona darum gehen, endlich ein überzeugendes Resultat einzufahren und vielleicht sogar Alonso zu schlagen, um die Kritik nicht zu früh zu groß werden zu lassen. Ferrari kommt in Barcelona mindestens die Rolle des 'Dark Horse' zu - Überraschung nicht ausgeschlossen.

Force India

Sergio Perez holte in Bahrain das zweite Podium der Force-India-Geschichte, Foto: Sutton
Sergio Perez holte in Bahrain das zweite Podium der Force-India-Geschichte, Foto: Sutton

Der indische Rennstall ist bislang zweifellos die größte Überraschung der Saison. Mit 54 Punkten liegt das Team von Vijay Mallya derzeit auf Rang drei der Konstrukteurswertung, noch vor Ferrari, McLaren und Williams. Das Rennen in Barcelona könnte einen ersten Hinweis darauf geben, wie die kommenden Wochen für Nico Hülkenberg und Sergio Perez weitergehen. Der Deutsche, derzeit vierter der Fahrer-WM, erhofft sich am Wochenende ein weiteres starkes Ergebnis, warnt jedoch vor dem äußerst schwierigen Kurs.

"Wenn man sich im Wagen nicht völlig wohlfühlt, beeinträchtigt das wirklich deine Rundenzeit. Barcelona ist der wahre Test für Downforce wegen der schnellen Kurven im ersten und zweiten Sektor." Zwar ist der Abtrieb sicherlich nicht das Steckenpferd seines Teams, jedoch erhofft sich Hülkenberg durch den auf starke Traktion ausgerichteten letzten Sektor dennoch einen Vorteil. Sergio Perez möchte nach seinem Podium in Bahrain dabei mithelfen, die bislang äußerst maue Barcelona-Bilanz seines Teams aufzupolieren, jedoch dürfte sich dies aufgrund des Streckenlayouts wohl als schwierig erweisen. Sollten die Updates des Teams einschlagen, darf bei Force India aber mit weiteren guten Punkten gerechnet werden.

McLaren

Endet die Flaute von zwei punktelosen Rennen für McLaren in Spanien?, Foto: Sutton
Endet die Flaute von zwei punktelosen Rennen für McLaren in Spanien?, Foto: Sutton

Der derzeit fünfte Rang McLarens in der Konstrukteurswertung ist äußerst trügerisch. So zehrt der Traditionsrennstall nach wie vor vom Doppelpodium zum Saisonauftakt in Australien, blieb zuletzt nach schwachen Leistungen jedoch zwei Mal ohne Punkte. Da das Layout des Circuit de Catalunya McLaren zudem weitestgehend der größten Stärken der Traktion sowie der Geschwindigkeit auf der Geraden beraubt, dürfte den Chrompfeilen ein weiteres schwieriges Wochenende ins Haus stehen.

Unterschätzt werden sollte McLaren jedoch aus zweierlei Gründen nicht: Zum einen ist mehr als garantiert, dass Ron Dennis seine Angestellten hinsichtlich der Updates und Weiterentwicklung des MP4-29 in den letzten Wochen des Öfteren ans Limit getrieben haben dürfte, zumal die finanziellen Ressourcen für große Upgrades definitiv vorhanden sind. Zudem verfügt das Team mit Jenson Button und Rookie Kevon Magnussen über exzellente Piloten, die immer für ein starkes Resultat gut sind. Bei normalem Rennverlauf sollte es McLaren jedoch schwer haben, weit in die Punkte hineinzufahren. Das Beenden der Flaute von zwei ertraglosen Rennen liegt aber definitiv im Bereich des Möglichen.

Williams

Williams konnte die hohen Erwartungen von vor der Saison bisher nicht erfüllen, Foto: Sutton
Williams konnte die hohen Erwartungen von vor der Saison bisher nicht erfüllen, Foto: Sutton

Nachdem Williams aufgrund der starken Wintertests vor Saisonstart noch zu den Sieganwärtern gezählt wurde, verabschiedet sich der Traditionsrennstall so langsam in die Riege der guten Mittelfeldteams. Obwohl die Strecken in Malaysia, Bahrain und China den Stärken des FW36 weitestgehend entgegenkamen, gelang dort nicht eine Podestplatzierung. In Barcelona könnte Feliep Massa und Valtteri Bottas nun weiteres Ungemach drohen, reduziert das Streckenlayout des Circuit de Catalunya die Vorzüge des Martini-Boliden doch erheblich.

Felipe Massa durfte sich zwar bereits in die Siegerliste des Spanien-GP eintragen, selbst eine Wiederholung seines dritten Ranges aus dem Vorjahr scheint jedoch sehr unwahrscheinlich. Punkte für Massa und Bottas liegen zwar im Bereich des Möglichen, mit den vorderen Plätzen wird Williams bei normalem Rennverlauf jedoch nichts zu tun haben. Interessant bleibt die Frage, inwieweit Williams im Wettrüsten mit der Konkurrenz mitziehen kann.

Toro Rosso

Daniil Kvyat überraschte bislang durchweg positiv, Foto: Sutton
Daniil Kvyat überraschte bislang durchweg positiv, Foto: Sutton

Die 'kleine Red-Bull-Schwester' gehört auch in Spanien zu den Underdogs, jedoch beweisen vier Punkteankünfte in vier Rennen die exzellente Arbeit, die beim kleinen Rennstall von Franz Tost betrieben wird. Als ein Highlight der bisherigen Saison erwies sich bislang Rookie Daniil Kvyat, der sich alleine für drei Punkteplatzierungen verantwortlich zeigte und zu Recht Lorbeeren en masse einheimste. Wie bei den vergangenen Grand Prix auch scheinen Punkte für Toro Rosso vor dem Rennen ein sehr unwahrscheinliches Szenario zu sein, jedoch strafte das Team bislang viele Kritiker Lügen. Fraglich bleibt, ob das Team in gleichem Maße aufrüsten kann wie die Konkurrenz. Wir dürfen also gespannt sein...

Lotus

Lotus steht nach vier Rennen immernoch bei null Punkten, Foto: Sutton
Lotus steht nach vier Rennen immernoch bei null Punkten, Foto: Sutton

Holt der gebeutelte Rennstall endlich die ersten Punkte? Sollte sich die Faustregel bewahrheiten, dass Barcelona die Richtung für den Rest der Saison aufzeigt, steht Lotus mehr denn je unter Druck. Zwar kündigte Renault unlängst weitere Verbesserungen an und hofft zudem, hinsichtlich der Leistung des Antriebsstrangs bis Kanada wieder bei 100% zu sein, jedoch haperte es bei Lotus zuletzt allgemein an allen Ecken und Enden. So verabschiedete sich beim letzten Rennen in China Romain Grosjeans Getriebe, Pastor Maldonado machte zunächst als Crashkid auf sich aufmerksam und verpasste dann das Qualifying aufgrund eines Öllecks. Eine Vorhersage für Lotus zu treffen erweist sich als äußerst schwierig, jedoch scheinen weitere Leiden für das letztjährige Topteam durchaus ein realistisches Szenario abzugeben.

Sauber

Sauber erlebt bisher eine Horror-Saison, Foto: Sutton
Sauber erlebt bisher eine Horror-Saison, Foto: Sutton

Für den gebeutelten Rennstall Sauber schlägt in Spanien wohl die Stunde der Wahrheit. Mit einer Update-Großoffensive ziehen die Schweizer wohl den letzten Joker im Kampf um die Wende der bislang desaströsen Saison. Mit einem vor allem deutlich leichteren und aerodynamisch verbesserten C33 gehen Adrian Sutil und Esteban Gutierrez in Barcelona ins Rennen. Zusätzlich versucht das Team, durch eine optimierte Software das Potenzial des Antriebsstrangs besser nutzen zu können.Bei Betrachtung des bisherigen Saisonverlaufs fällt es jedoch sehr schwer, an einen großen Aufschung beim Team aus Hinwil zu glauben. Zu groß war bislang der Rückstand - selbst auf das Mittelfeld. Da zudem auch die anderen Teams mit größeren Updates aufwarten sollten, dürfte die schwierige Zeit auch am Wochenende eine Fortsetzung finden.

Marussia

Für Marussia geht es auch in dieser Saison nur um den Sieg gegen Caterham, Foto: Sutton
Für Marussia geht es auch in dieser Saison nur um den Sieg gegen Caterham, Foto: Sutton

Für Marussia wird es auch in Barcelona nur darum gehen, den Kampf gegen Rivale Caterham zu gewinnen und so Rang zehn in der Konstrukteurswertung weiter zu sichern. Punkte sind für den russischen Rennstall bei normalem Rennverlauf schlicht unmöglich, auch große Updates dürfen nicht erwartet werden. Nichts Neues also an der Front der 'Hinterbänkler'.

Caterham

Caterham will in der Kontrukteurswertung unbedingt an Marussia vorbeiziehen, Foto: Sutton
Caterham will in der Kontrukteurswertung unbedingt an Marussia vorbeiziehen, Foto: Sutton

Alles andere als eine Fortsetzung der schwierigen Saison Caterhams wäre auch in Barcelona eine Sensation. Nachdem Kamui Kobayashi durch das vorverlegte Rennende in China des Sieges gegen beide Marussia beraubt wurde, wird der Japaner in Barcelona besonders motiviert sein, das Ergebnis wieder geradezurücken. Marcus Ericsson erlebt bislang einen äußerst schwierigen Einstand in der Formel 1 und dürfte auch in Barcelona wieder massiv Lehrgeld zahlen. Außer einem Triumph gegen Marussia darf sich Caterham für Barcelona wahrlich keine Ziele stecken.