Genervt fährt sich Jacques Villeneuve durchs Haar, winkt weitere Fragen zu Ayrton Senna und seinem 21. Todestag ab. Dem Kanadier missfällt, dass in der öffentlichen Wahrnehmung der Tod des Brasilianers die erste Stelle einnimmt und somit in den Schatten stellt, was am Vortag in Imola passierte. Roland Ratzenberger verunglückte im Abschlusstraining tödlich.

"Ich habe Roland das erste Mal getroffen als in Japan in der Formel 3 gefahren bin. Er hat dort ein bisschen auf mich aufgepasst", erzählt Villeneuve gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Er war sicher einer der Größten - auf einem Level mit Alain Prost. Er war superschnell und hatte definitiv etwas Besonderes." Gerade an seinem großen Ziel angekommen, ging der Weg von Ratzenberger auf tragische Weise zu Ende.

Nicht aufzuhalten

Schon als kleiner Junge von Autos fasziniert, Foto: Sutton
Schon als kleiner Junge von Autos fasziniert, Foto: Sutton

Der Weg des Österreicher in die Welt des großen Motorsports war von zu Hause nie wirklich vorgezeichnet: Seine Eltern, Vater Rudolf und Mutter Margit, hatten die Rennambitionen ihres Sohnes nie wirklich unterstützt, sich ihnen aber auch nicht in den Weg gestellt. "Wir hätten ihn sowieso nicht aufhalten können", sagte der Vater später in der Erinnerung an den gerade mal 18-Jährigen, der kurz vor dem Abitur die Schule abbrach und von zu Hause auszog, um im Motorsport Karriere zu machen.

Was auffällt: Damals interessierte der Papa sich gar nicht besonders für den Rennsport, auch nicht dafür, was der Sohnemann da so trieb – eigentlich erst nach dessen Unfall begann er so richtig, sich mit der Materie zu beschäftigen, verfolgt bis heute die Szene, meldet sich auch immer wieder einmal in Fachzeitschriften per Leserbrief zu Wort. Das erste Mal machte Ratzenberger 1986 auf sich aufmerksam. Der junge Salzburger gewann das Formel Ford Festival in England, was ihm einen Werksvertrag bei BMW in der Tourenwagen-WM einbrachte.

Teil der Europäer-Clique

Ratzenbeger verstand auch Spaß, Foto: Sutton
Ratzenbeger verstand auch Spaß, Foto: Sutton

Nebenbei versuchte er den klassischen Formel-Weg in England weiterzugehen, britische Formel 3, F3-EM, britische Formel 3000. Ab 1990 führte ihn sein weg nach Japan, in die dortige Sportwagen- und Formel-3000-Szene, wo er auch auf Villeneuve traf. Auch Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner war damals in der japanischen Formel 3000 unterwegs. Er erinnert sich: "Roland gehörte zu unserer Europäer-Clique, die des Öfteren mal Roppongi - das Vergnügungsviertel - unsicher machte."

Für die europäischen "Exilanten" im fremden fernen Osten waren gemeinsame Beschäftigungen zwischen den Rennen eine willkommene Abwechslung. "Was mir vor allem im Gedächtnis geblieben ist, ist, dass wir ein paar Mal zusammen Billard spielen waren", so Danner. Schon damals hatte Ratzenberger nur ein Ziel - die Formel 1. Im April 1994, mit knapp 34 Jahren, schien er am Ziel seiner Wünsche zu sein. Er hatte sich dank Mitgift ein Cockpit beim neuen, kleinen und unterfinanzierten Simtek-Team gesicherte und ging zum ersten Mal beim damals ebenfalls neu in den Rennkalender aufgenommenen Grand Prix in Aida an den Start.

Ratzenberger fuhr in seinem ersten Qualifying auf Startplatz 26 und beendete als Elfter das Rennen. Ein Ergebnis, mit dem sich der Österreicher durchaus zufrieden zeigte. Dann kam Imola - der Samstag, der 30. April. Vor dem Qualifying saß er noch mit österreichischen Journalisten im Simtek-Motorhome zusammen. 20 Minuten vor Beginn des Trainings brach er das Interview mit den Worten ab: "Mir läuft die Zeit davon, lasst uns nachher weiterreden..." Eine knappe halbe Stunde später war Ratzenberger tot.

Er verlor wegen eines gebrochenen Frontflügels an seinem Simtek, wahrscheinlich nach einer Radsteinberührung, bei Tempo 300 die Kontrolle über seinen Wagen. Gegen die beim Aufprall wirkenden Kräfte hatte Ratzenberger keine Chance. Nach dessen Tod wurde spekuliert, dass Ratzenberger an die Box kommen wollte, um den Flügel zu wechseln, das Team ihn aber anwies, draußen zu bleiben, weil man keinen zweiten Flügel hatte. Was an den Spekulationen dran war, wurde nie hundertprozentig geklärt. Wohl eben auch deshalb, weil das Interessen an der Aufklärung dieses Unfalls nach dem 1. Mai, nach dem Tod von Ayrton Senna, in den Hintergrund geriet.