Im Vergleich zum Bahrain GP vor zwei Wochen war der Große Preis von China etwas weniger aufregend. Interessant ist jedoch nicht nur die Tatsache, dass es insgesamt weniger intensiv geführte Zweikämpfe gab, sondern vor allem die teaminternen Duelle abnahmen. Davon gab auf dem Bahrain International Circuit noch jede Menge. Im Reich der Mitte trennten die Teamkollegen teilweise Welten. Motorsport-Magazin.com nimmt den vierten Lauf der Saison genauer unter die Lupe.

Lewis Hamilton und Nico Rosberg trennten rund 20 Sekunden, Fernando Alonso und Kimi Räikkönen fast eine Minute. Daniel Ricciardo und Weltmeister Sebastian Vettel lagen gut 20 Sekunden auseinander, Nico Hülkenberg und Sergio Perez etwa eine halbe Minute. In Bahrain kämpften Hamilton und Rosberg Rad an Rad um den Sieg, Ricciardo und Vettel kamen sich während des ganzen Rennens nahe, Perez statt Hülkenberg holte das ersehnte Podium für Force India und Räikkönen und Alonso überquerten die Ziellinie innerhalb einer Sekunde.

Woher kamen die großen Unterschiede?

Der offensichtlichste Unterschied liegt natürlich im Rennverlauf: In Bahrain brachte das Safety-Car das Feld wieder zusammen. Allerdings waren auch ohne Neutralisierung des Rennens die Teamkollegen deutlich näher zusammen.

Die Streckencharakteristik spielte dabei sicherlich eine Rolle. Während Bahrain vor allem aus Spitzkehren und langen Gerade dazwischen besteht, ist China eine technisch deutlich anspruchsvollere Strecke für die Piloten. Das heißt aber nicht automatisch, dass die Piloten, die in China so deutlich vor ihren Teamkollegen ins Ziel kamen, um Welten besser sind.

In Bahrain waren Alonso und Räikkönen auf Augenhöhe, Foto: Sutton
In Bahrain waren Alonso und Räikkönen auf Augenhöhe, Foto: Sutton

Die Äußeren Bedingungen waren in China und Bahrain nicht miteinander vergleichbar. Mit maximal 17 Grad Lufttemperatur fanden die Piloten in Shanghai eine kühle Umgebung vor. Bei diesen Bedingungen hatten einige Piloten Schwierigkeiten, die Reifen in das richtige Betriebsfenster zu bekommen. Das ist aber vor allem in China essentiell, weil der Abbau der Pneus eine wichtige Rolle spielt.

Wird das Fenster auch nur knapp verfehlt, wirkt sich das auf den Reifenverschleiß erheblich aus. Hinzu kommt, dass Bahrain vor allem die Hinterreifen beanspruchte. Darauf wirkt sich die Fahrbarkeit des Boliden stärker aus, als der Fahrstil der Piloten. In China ist der linke Vorderreifen der limitierende Faktor. Darauf kann der Fahrer mehr Einfluss nehmen.

Vettel vs. Ricciardo

Weil Nico Rosberg am Wochenende zahlreiche Pannen zu beklagen hatte, wäre der direkte Vergleich mit Hamilton nicht fair. Nach der Stallorder von Red Bull, wurde vor allem der Kampf zwischen Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo diskutiert. Wie viel schneller war Daniel Ricciardo wirklich? Hätte er den Sprung auf das Podium schaffen können, wenn ihn Sebastian Vettel kampflos vorbeigelassen hätte?

"Nein, das glaube ich nicht", sagte Teamchef Christian Horner nach dem Rennen und fuhr fort: "Wir wären wohl eine Sekunde schneller gewesen. Er [Vettel] hat das richtige für das Team gemacht." Motorsport-Magazin.com hat Zeiten und Abstände verglichen: Bis Ricciardo in Runde 22 auf Vettel auflief, fuhr der Australier konstante Rundenzeiten um 1:43,5 Minuten.

In Runde 23 fiel die Zeit auf 1:44,4 ab, eine Runde später sogar auf 1:44,9. Auch in Runde 25 war Ricciardo mit 1:44,2 Minuten noch deutlich langsamer. Nach drei Runden hatte Ricciardo Vettel überholt, seine Pace pendelte sich wieder im mittleren 1:43er Bereich ein. Somit verlor Ricciardo hinter seinem Teamkollegen nicht - wie von Horner behauptet - eine Sekunde, sondern etwa drei.

Um 1,2 Sekunden am Podium vorbei

Am Ende trennten Alonso und Ricciardo 3,5 Sekunden. Wobei am Ende beim China GP ein dehnbarer Begriff ist. Das offizielle Resultat gibt den Stand nach 54 Runden wider, eigentlich wurden aber 56 Runden gefahren. Fairerweise sollte man also die Abstände nach 56 Runden zugrunde legen, mit der kuriosen Panne konnte niemand rechnen. Nach 56 Runden betrug der Abstand zwischen Alonso und Ricciardo 1,2 Sekunden.

Rankommen ist in der Formel 1 nicht gleichbedeutend mit Überholen, dennoch zeigt dieser Wert, dass es zumindest knapp geworden wäre für Fernando Alonso. Das Argument, mit den Topspeeds von Red Bull wäre Überholen ohnehin unmöglich, gilt in diesem Fall nur bedingt: Ricciardo kam auf einen Topwert von 321,7 Stundenkilometer, Alonso auf 321,9.

Auffällig war über weite Strecken des Rennens der große Unterschied zwischen Vettel und Ricciardo. Der Trend der ersten Läufe setzte sich in China fort: Der Australier bereitete dem Deutschen einmal mehr auch im Rennen Kopfzerbrechen. Lediglich im ersten Stint auf den weicheren Reifen konnte Vettel mithalten.

Allerdings musste Ricciardo da schon hinter Alonso herfahren und wurde später auch noch von Nico Rosberg überholt. Vettel hingegen hatte freie Fahrt. Die Longrun-Analyse des Freien Trainings hat bereits gezeigt, dass Ricciardo auch auf den weichen Reifen besser zurechtkam als sein Teamkollege.

Alonso auf dem Podium, Räikkönen im Nirgendwo

Bei Ferrari war der Abstand zwischen den Teamkollegen noch deutlich größer. Vor der Saison rechneten viele mit einem Schlagabtausch zwischen Fernando Alonso und Kimi Räikkönen. Die explosive Mischung aus Feuer und Eis trennten aber - bis auf Bahrain - bislang Welten. Alonso steht derzeit mit 41 Punkten auf Rang drei der Fahrerwertung, Räikkönen belegt mit 11 Zählern den zwölften Rang.

Doch so groß wie im Reich der Mitte war der Abstand zwischen den Teamkollegen noch nie. Von 56 Rennrunden fuhr Räikkönen in lediglich drei Umläufen schneller als Alonso. Räikkönen fand mehrere Gründe für seine Performance: Streckenlayout, Temperaturen, Fahrstil. Drei Faktoren, die in China nicht zusammenpassten. Das schlechte Abschneiden ist die eine Sache, der große Abstand zum Teamkollegen die andere.

Sektorzeiten und Topspeed-Werte legen nahe, dass der Finne seinen Ferrari anders abstimmte als der Spanier. Elf Stundenkilometer war Räikkönen auf der langen Geraden schneller als Alonso. Sicherlich kann das auch mit DRS- und Windschattenfahrten zu tun haben, über eine Renndistanz gleicht sich das aber meist aus.

Fernando AlonsoKimi Räikkönen
Beste Sektorzeiten
Sektor 126,82126,980
Sektor 230,85931,053
Sektor 344,21544,210
Schnellste Rennrunde
1:42,0811:42,300
Topspeeds (Rennen)
321,9 km/h332,9 km/h

Die Sektorzeiten bekräftigen den Verdacht: In den ersten beiden kurvigen Sektoren war Alonso schneller, im letzten Abschnitt, in dem es vor allem auf Geschwindigkeit ankommt, behielt Räikkönen die Oberhand. Weniger Downforce bedeutet gleichzeitig, dass das Auto mehr rutscht. Dadurch erhitzt sich die Reifenoberfläche stärker als der Kern, was das Graining fördert. Genau das war in China ein großes Problem.