Gut sechs Stunden dauerte die Anhörung vor dem internationalen Berufungsgericht der FIA am Montag in Paris. Rund 360 Minuten wurden Vertreter von Red Bull und der FIA in die Mangel genommen. Vom vorsitzenden Richter Harry Duijm, von Red-Bull-Anwalt Michael Lazarus, von FIA-Anwalt Sebastien Bernard und sogar von Mercedes-Anwalt Paul Harris.

Heißt: Ein Anwälte-Auflauf par excellence. Der Streitwert: 18 Weltmeisterschaftspunkte und ein Pokal. Oder doch noch mehr? 18 Weltmeisterschaftspunkte sind viel, sie können am Ende des Jahres über Sieg oder Niederlage entscheiden. Doch hier ging es um mehr: Um Recht oder Unrecht.

Es geht um mehr als einen Pokal, Foto: Red Bull
Es geht um mehr als einen Pokal, Foto: Red Bull

Recht oder Unrecht nicht nur in diesem einzelnen Fall. Es hätte ein Präzedenzfall werden können. Ein Präzedenzfall, der einfach keinen Sinn gemacht hätte. Zu Recht bezeichnete Bernard das Vorgehen von Red Bull als anarchisch. Selbst wenn - und dieses Szenario ist nicht ganz abwegig - die eigenen Red-Bull-Berechnungen genauer sind: Wozu gibt es ein Einheitsbauteil?

Man braucht einen einheitlichen Standard, um verschiedene Systeme miteinander vergleichen zu können. Red Bull hat eigenmächtig entschieden, dass dieses Einheitsbauteil nicht gut genug ist. Und das sollen FIA und Konkurrenz akzeptieren? Auch wenn sich Red Bull vor allem über die Unzuverlässigkeit des Bauteils beklagte - woran das Team offensichtlich durch nachträgliche Bearbeitung der Gewinde auch noch selbst schuld ist -, ist das Vorgehen von Red Bull schon fast dreist.

Das Bauteil ist für alle gleich - wie zum Beispiel die Reifen. Bei den Reifen wird auch ab und zu von einem 'schlechten Satz' gesprochen. Wahrscheinlich wird sogar öfter davon gesprochen, als es tatsächlich einen schlechteren Satz gibt - schlichtweg als Ausrede. Auf die Idee, einen eigenen Reifen zu montieren, der Vorteile bei der Performance ermöglicht, kommt wohl niemand. Doch genau das machte Red Bull - nur eben weniger offensichtlich. 0,4 Sekunden hat der erhöhte Benzindurchfluss gebracht - ein erheblicher Vorteil also.

Klein, teuer und umstritten: Das FIA-Fuel-Flow-Meter, Foto: Gill Sensors
Klein, teuer und umstritten: Das FIA-Fuel-Flow-Meter, Foto: Gill Sensors

Das geradezu lächerliche Argument, eine Direktive sei nicht bindend, ist doch völliger Quatsch. Natürlich müssen sich die Teams daran halten, zum Spaß werden sie von der FIA nicht verfasst.

Wieso Red Bull aber überhaupt Einspruch gegen die Entscheidung der Stewards einlegte, ist mir ein Rätsel. Bei der Anhörung gab es keine wirklich neuen Erkenntnisse, die Red Bull nicht schon am Rennsonntag hätte vorlegen können. Und selbst wenn: Wenn es während des Rennens eine Anweisung der FIA gibt, dann ist ihr Folge zu leisten. Auch bei anderen Teams gab es solche Zwischenfälle, alle haben auf die Anweisungen reagiert und eben Leistung verloren.

FIA Herr im eigenen Haus

Doch mal ganz ehrlich: Wer hätte denn mit einer Rücknahme der Disqualifikation gerechnet? Auch wenn es Red Bull beteuert, ernsthaft daran glauben konnte doch niemand. Wäre Red Bull damit durchgekommen, hätte das für die Zukunft Tür und Tor geöffnet. Niemand hätte sich noch an die Werte des FIA-Fuel-Flow-Meter gehalten - wieso auch? Da die theoretischen Berechnungen des Benzinflusses von Motorenhersteller zu Motorenhersteller und sogar von Team zu Team unterschiedlich sind, wäre das Chaos dann perfekt. Und der Benzinfluss wäre nur der Anfang gewesen.

Wieso sollte sich die FIA selbst widersprechen?, Foto: Sutton
Wieso sollte sich die FIA selbst widersprechen?, Foto: Sutton

Unabhängig davon: Was ist denn überhaupt dieses Berufungsgericht? Es ist die höchste internationale Motorsport-Instanz - eingesetzt von der FIA. Zwar ist das Berufungsgericht formell unabhängig von der FIA und hat auch seine eigene Verwaltung, trotzdem bleibt es eine Institution der FIA. Die 23 Richter werden für jeweils drei Jahre von der FIA Generalversammlung gewählt.

Auch wenn das Berufungsgericht in der Vergangenheit schon Entscheidungen der Stewards zurückgenommen hat: In einem solch prekären Fall war nicht damit zu rechnen, dass die von der FIA Generalversammlung gewählten Richter dem Automobilweltverband in den Rücken fallen - zumal die Faktenlage in Paris ebenjener von Australien entsprach.