Es ist soweit: Einen Monat nachdem Daniel Ricciardo in Australien seinen zweiten Platz verlor, wird am Montag in Paris über diese Entscheidung verhandelt. Der Australier war aufgrund von Unstimmigkeiten bezüglich des Fuel-Flow-Meters in seinem Red Bull disqualifiziert worden. Red Bull hatte Berufung gegen dieses Urteil eingelegt und hofft, sowohl die Punkte für die Fahrer-WM als auch die Zähler für die Konstrukteurs-Meisterschaft wieder erstreiten zu können. Welcher Sachverhalt in Paris genau verhandelt wird, wieso es zur Disqualifikation kam und was die Beteiligten zu sagen haben, hat Motorsport-Magazin.com zusammengefasst.

Die Australier konnten Daniel Ricciardo nur kurz feiern, Foto: Red Bull
Die Australier konnten Daniel Ricciardo nur kurz feiern, Foto: Red Bull

1. Was wird Red Bull vorgeworfen?

Über das gesamte Wochenende in Australien - und bereits zuvor bei den Testfahrten - bereitete das Fuel-Flow-Meter am RB10 Probleme. Immer wieder stellte Red Bull Abweichungen - vor allem zu den eigenen Messwerten - an Daniel Ricciardos Auto fest. Da die Messungen laut Teamchef Christian Horner unzuverlässig gewesen seien, entschied sich Red Bull, im Rennen auf die eigenen Kalkulationen zu setzen.

Allerdings wurde die Weltmeistermannschaft mehrfach von Charlie Whiting, dem Technischen Delegierten der FIA, auf den - laut Fuel-Flow-Meter - zu hohen Benzinfluss aufmerksam gemacht. Red Bull konterte, dass ihnen die Korrektheit des Messgerätes Sorgen bereiten und sie daher bei ihren eigenen Daten bleiben würden. "Wenn sie den Hinweisen gefolgt wären, die wir ihnen zu dieser Zeit gegeben haben, hätten wir kein Problem gehabt und sie wären nicht bestraft worden", erklärte Whiting im Nachhinein. Durch das eigenmächtige Handeln des Teams folgte schließlich die Disqualifikation.

Der Stein des Anstoßes - das Fuel-Flow-Meter, Foto: Gill Sensors
Der Stein des Anstoßes - das Fuel-Flow-Meter, Foto: Gill Sensors

2. Warum gibt es ein Fuel-Flow-Meter?

Seit dieser Saison gilt: In der Stunde dürfen maximal 100 Kilogramm Treibstoff in den Motor eingespritzt werden. Diese Grenze gilt für alle Drehzahlen über 10.500 Umdrehungen pro Minute. Durch Direkteinspritzung haben die Teams den Benzinfluss genau im Blick. Allerdings gibt es die Möglichkeit von Abweichungen, da die Teams unterschiedliche Komponenten benützen.

Dies war einer der Gründe, warum die FIA das sogenannte Fuel-Flow-Meter einführte. Hinzu kam, dass die Benzinmenge nur im Rennen limitiert ist. Somit hätten die Teams in allen anderen Sessions einen Freifahrtschein in Sachen Benzinfluss gehabt. "Wir wollen keine 1000 PS im Qualifying und wollen nicht, dass jede Sekunde ein Motor hochgeht im Rennen. Wir wollten das limitieren", erklärte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zur Sinnhaftigkeit des Messgerätes.

Ein einzelner Sensor misst via Ultraschall, welche Treibstoffmengen fließen. Sowohl die FIA als auch die Teams haben ständigen Zugriff auf diese Daten. Dieses Einheitsbauteil wiegt 300 Gramm und kostet inklusive Kalibrierung rund 20.000 Euro.

Der Sensor von Daniel Ricciardo streikte nicht zum ersten Mal, Foto: Sutton
Der Sensor von Daniel Ricciardo streikte nicht zum ersten Mal, Foto: Sutton

3. Wie nahmen die Dinge ihren Lauf?

Bereits im ersten und zweiten Freien Training in Australien lieferte das Fuel-Flow-Meter im Red Bull von Ricciardo variierende Werte ab. Am Samstag wurde der Sensor von Red Bull durch ein neues Bauteil ersetzt, dieses lieferte aber weder für die FIA noch für das Team zufriedenstellende Werte. Konsequenz: Das ursprüngliche Bauteil wurde wieder eigenbaut. Die FIA hatte bei einer Überprüfung zwar ebenfalls Schwankungen festgestellt, diese lagen aber innerhalb der Toleranzen.

Dennoch vertraute Red Bull im Rennen - entgegen der Weisung der FIA - nicht auf das Messgerät, sondern setzte auf eigene Berechnung. Rund fünf Stunden nach Ricciardos zweitem Platz dann die Strafe: der Australier wurde für die Zuwiderhandlung des Teams disqualifiziert. Sofort sprach Red Bull von Berufung gegen das Urteil und legte diese am Donnerstag, den 20. März fristgerecht ein. Nun wird der Fall am Montag, den 13.04.2014 ab 09:30 Uhr vor dem FIA Gericht in Paris verhandelt.

Christian Horner glaubt an die Berechnungen von Red Bull, Foto: Red Bull
Christian Horner glaubt an die Berechnungen von Red Bull, Foto: Red Bull

4. Warum legte Red Bull Berufung ein?

Red Bull ist der festen Überzeugung, die Regeln nicht gebrochen zu haben. Laut den Berechnungen des Teams flossen in Australien nicht mehr als 100 Kilogramm Benzin pro Runde in Ricciardos Motor. Für Teamchef Horner geht es nun in der Diskussion um die Klärung, welche Messwerte letztlich die richtigen seien. "Wir haben einerseits einen Sensor, dessen Angaben schwanken und dessen Daten nicht korrekt sind, und auf der anderen Seite eine eigene Messung der Treibstoffzufuhr, die kalibriert ist, keine variierenden Werte über das Wochenende geliefert hat und von der wir wissen, dass ihre Angaben korrekt sind", führte er aus.

Für Red Bull steht fest: Sie haben während des Rennens nicht gegen das Technische Reglement verstoßen. Dieses sei unmissverständlich klar, aber in der Causa Fuel-Flow-Meter hätte es von Seiten der Technischen Delegierten niemals eine Regel, sondern lediglich Technische Richtlinien gegeben. "Wenn man auf die Fakten blickt, ist der Fall einfach: Die Regeln sind sehr klar. Technische Richtlinien sind keine Regeln. Haben wir also die Regeln gebrochen? So einfach ist es", erklärte Horner weiter.

Über die vergangenen Wochen hatte die Weltmeistermannschaft nochmals Zeit, viele Daten auszuwerten und hat offenbar neue Beweise entdeckt. In Paris will Red Bull am Montag beweisen, dass der FIA-Sensor fehlerhaft war und somit eine Rücknahme der Disqualifikation erwirken.

Die Experten sehen Red Bull im Unrecht, Foto: Sutton
Die Experten sehen Red Bull im Unrecht, Foto: Sutton

5. Was sagen die Experten?

Die Meinungen ehemaliger oder aktueller Formel-1-Teamchefs und -Fahrer sind klar: Red Bull ist im Unrecht. "Es scheint mir ein bisschen arrogant zu sein von Red Bull", so der ehemalige Jordan-Teamchef Eddie Jordan zur Berufung. "Regeln sind Regeln. Entweder man richtet sich danach, oder man geht heim und fährt seine eigenen Rennen." Diese Meinung teilt auch McLaren-Teamchef Eric Boullier: "Wenn du zwei unterschiedliche Messinstrumente zum Messen des Benzins hast, wird es immer Unterschiede geben. Wenn es in deinem Interesse ist, System A zu fahren, weil es mehr Performance bietet, dann verstehe ich, wenn du diesen Weg wählst. Aber wenn du in einer von Regeln bestimmten Meisterschaft bist, und gesagt wird, dass du B nehmen sollst, dann besteht keine Frage und keine Notwendigkeit für eine Debatte."

Für Motorsport-Magazin.com-Experten Christian Danner steht fest: Die FIA ist die oberste Instanz der Formel 1 und ihrer Weisung ist Folge zu leisten - unabhängig davon, wie die eigenen Berechnungen ausfallen. "Das ist als würdest du mit deinem Auto mit 100km/h durch die Ortschaft fahren und wenn dich die Polizei wegen überhöhter Geschwindigkeit aufhält, behaupten: 'Stimmt nicht, bei mir hat der Tacho eine andere Geschwindigkeit angezeigt.' Wer bekommt in diesem Fall am Ende Recht? Die Polizei!", zog er ein anschauliches Beispiel.

Lediglich ein ehemaliger Teamchef schlug sich auf die Seite von Red Bull: Paul Stoddart, der einst die Geschicke von Minardi leitete. Die Renault-Ingenieure würden genau wissen und beurteilen können, wie viel Sprit in den Motor eingespritzt würde und auch die Daten von Red Bull seien aus einem ganz simplen Grund deutlich genauer als die der FIA. "Wir reden von Teams mit Budgets von 400 bis 500 Millionen Dollar - sie sind bei weitem besser ausgestattet als die FIA", so Stoddart.

Am Montag heißt es: Treffpunkt Paris, Foto: Sutton
Am Montag heißt es: Treffpunkt Paris, Foto: Sutton

6. Wie läuft die Verhandlung ab?

Die Beteiligten werden am Montag in Paris vor dem International Court of Appeal einfinden. Dort wird es ab 09:30 Uhr eine Anhörung geben, in der die Verantwortlichen von Red Bull sowie die Technischen Delegierten der FIA ihre Sicht der Dinge äußern und eventuell neu gewonnene Erkenntnisse offenlegen können.

Der eigentlich Betroffene selbst wird nicht in Paris vor Ort sein. Daniel Ricciardo entschied sich, die Geschicke in die Hände seines Teams zu legen und sich stattdessen voll auf das anstehende Rennen in China zu konzentrieren. Sobald ein Urteil getroffen ist, erwarte er sich aber einen Anruf des Teams, scherzte der Australier.

In Malaysia lief es für Daniel Ricciardo auch ohne Bestrafung nicht rund, Foto: Sutton
In Malaysia lief es für Daniel Ricciardo auch ohne Bestrafung nicht rund, Foto: Sutton

7. Warum wurde Ricciardo in Malaysia nicht disqualifiziert?

Wie bereits in Australien sorgte auch in Malaysia das Fuel-Flow-Meter bei Daniel Ricciardo für große Probleme. Teamchef Horner bestätigte nach dem Rennen den erneuten Ausfall des Bauteils sofort nach dem Start. Wie in Australien griff Red Bull auf die eigenen Berechnungen zurück - diesmal ohne Konsequenzen. Grund: Bevor die Teams ihre Berechnungen einsetzen dürfen, muss das Bauteil von der FIA als defekt eingestuft werden.

Das ist in Malaysia geschehen und somit durfte Red Bull die eigenen Werte zum Benzinfluss als Grundlage verwenden, die über Einspritzzeiten und Einspritzdruck errechnet werden. Allerdings müssen die Teams einen Korrekturfaktor beachten, der sich aus den errechneten Werten und den aufgezeichneten Werten des Fuel-Flow-Meters bis zum Defekt ergibt.

Auch alle anderen Teams schauen gespannt nach Paris, Foto: Sutton
Auch alle anderen Teams schauen gespannt nach Paris, Foto: Sutton

8. Welche Konsequenzen hat das Urteil?

Am Montag wird in Paris auf alle Fälle ein Exempel statuiert. Sollte der Berufung von Red Bull stattgegeben werden, öffnen sich Tür und Tor für weitere Regelverstöße und Verhandlungen. Sollte es bei der Disqualifikation Ricciardos bleiben, ist klar, dass die FIA ihre bereits angekündigte "Null-Toleranz-Politik" in aller Härte durchzieht. Ein Fingerzeig für weitere potenzielle Sprit-Regelverstöße.

Wenn es nach dem stellvertretenden Force-India-Teamchef Robert Fernley geht, wäre die Formel 1 gut beraten, bei der Entscheidung aus Australien zu bleiben. "Ich denke, dass es - für den Sport - nicht gut wäre, wenn dem Einspruch von Red Bull stattgegeben würde, weil dann eine Situation der Anarchie wachsen würde", erklärte er Crash.net. Fernley bezieht sich vor allem auf die Aussagen Horners, die FIA hätte keine Regeln aufgestellt, sondern lediglich Richtlinien ausgegeben. "Wir arbeiten schon so lange mit technischen Richtlinien und wenn diese technischen Richtlinien nicht mehr als haftend erachtet werden, dann weiß ich nicht, wohin sich die Formel 1 bewegt."

Eine erste wirkliche Antwort, in welche Richtung die Formel 1 sich bewegt, wird das Urteil bringen. Ob diese Richtung den Verantwortlichen gefallen wird, steht auf einem anderen Blatt.