Wenn in der Nacht von Donnerstag auf Freitag das zweite Mal in der Formel-1-Saison 2014 die Ampel für das erste Freie Training auf grün schaltet, ist klar: Die Jagd auf Mercedes hat offiziell begonnen. Nach dominanten Testfahrten vor der Saison und einem ungefährdeten Sieg Nico Rosbergs in Melbourne führt der Weg zum Sieg auch in Malaysia nur über die Silberpfeile. Auf dem 5,543 km langen Sepang International Circuit zeichnet sich an der Spitze allerdings auch dahinter ein Kampf der Mercedes Power Units ab. Vor allem McLaren und Williams scheinen nach bisherigem Saisonverlauf ganz heiße Kandidaten im Kampf um die Podestplätze zu sein. In Stein gemeißelt ist das scheinbare Kräfteverhältnis jedoch keinesfalls - Wetterkapriolen und der Defektteufel lauern im Vorland von Kuala Lumpur quasi an jeder Ecke.

Mercedes alleine auf weiter Flur: Auch in Sepang ein durchaus mögliches Szenario, Foto: Mercedes AMG
Mercedes alleine auf weiter Flur: Auch in Sepang ein durchaus mögliches Szenario, Foto: Mercedes AMG

Mercedes-Teams durch stärkere Power Unit im Vorteil?

Der Kurs von Sepang - seit 2011 permanent zweite Station im Rennkalender - scheint dem dominanten Antriebsaggregat von Mercedes tatsächlich in die Karten zu spielen. So bietet die Strecke nicht nur zwei Geraden von jeweils über einem Kilometer Länge; auch sonst laden viele kleinere Vollgasabschnitte zur Demonstration der Mercedes-Power ein. Eine hohe Motorenleistung, Beschleunigung und Endgeschwindigkeit wird jedoch vor allem daher extrem wichtig, da in Malaysia generell ein Setup in Richtung Downforce gewählt wird. Dieses soll vor allem bei Nässe - in Sepang ein stets realistisches Szenario - für zusätzlichen Grip sorgen.

Auch der zweite Sektor mit zahlreichen schnellen und flüssigen Kurven verlangt nach Abtrieb, um dort keinen allzu großen Zeitverlust in Kauf nehmen zu müssen. Ist die Motorleistung ohnehin nicht hoch genug, kann der durch das Downforce-Setup zusätzlich generierte Luftwiderstand auf den sehr langen Geraden jedoch schnell zum Boomerang werden - und betroffene Autos somit zur leichten Beute. Diese Tatsache wird dadurch verstärkt, dass sich auf den Geraden zudem die beiden DRS-Zonen des Kurses befinden. Es wird also vor allem für die Teams mit weniger Power im Heck - Gerüchten zufolge liefert die Mercedes-Antriebseinheit bis zu 50 PS mehr - darauf ankommen, den perfekten Setup-Mix aus größtmöglicher Downforce bei kleinstmöglichem Luftwiderstand zu finden.

Red Bull als 'dark horse'?

Von sämtlichen Renault-befeuerten Teams scheint Red Bull der einzige mögliche Überraschungskandidat zu sein. Dies hat einen einfachen Grund: Aerodynamik. Vor allem der zweite Sektor mit flüssigen und extrem schnellen Kurven ist wie maßgeschneidert für Adrian Neweys neueste Kreation. Deren erneute Dominanz in der jahrelangen 'Domäne Kurvengeschwindigkeit' belegen bereits die Werte vom Saisonauftakt im Albert Park. Fest steht jedoch ebenso, dass Red Bull auf den Geraden vor allem Gegenüber den Mercedes-befeuerten Teams einen klaren Nachteil hat.

Erweist sich Red Bulls überlegene Kurvengeschwindigkeit in Malaysia als Joker?, Foto: Sutton
Erweist sich Red Bulls überlegene Kurvengeschwindigkeit in Malaysia als Joker?, Foto: Sutton

Allgemein bleibt die wahre Gesamt-Leistungsfähigkeit des vierfachen Weltmeisters nach wie vor ein kleines Rätsel. Denn es bleibt abzuwarten, ob Daniel Ricciardos momentan aberkannter zweiter Rang von Melbourne lediglich durch einen auf höherem Benzindurchfluss basierenden Leistungsvorteil des Motors zustande kam. Ebenfalls wird spannend sein, zu sehen, inwieweit der enge Stadtkurs Melbournes mit wenigen Überholmöglichkeiten Ricciardos Husarenritt begünstigte.

Ferrari als große Unbekannte

Trotz der Ränge vier und sieben in Australien für Fernando Alonso und Kimi Räikkönen schien Ratlosigkeit bei der Scuderia anschließend das vorherrschende Gefühl zu sein. Zwar zeigte sich das Team in Sachen Standfestigkeit von der besten Seite, allerdings fehlte den 'Prancing Horses' eindeutig Power und Geschwindigkeit. Dies könnte sich nun in Sepang böse rächen. Fernando Alonso und Kimi Räikkönen ist zwar stets eine Wundertat zuzutrauen, allerdings scheint Ferrari derzeit mehr die Rolle des Abstaubers im Feld einzunehmen, der solide aber wenig überzeugende Leistungen durch Ausfälle anderer in passable Ergebnisse ummünzt. Für den Moment scheint die Power Unit zumindest noch stärker als das Aggregat Renaults zu sein, was in Sepang gute Punkte bringen und deutlichere Risse erneut kaschieren könnte.

Sepang als Lotterie

Ein einfaches Kräfteverhältnis basierend auf der Leistungsfähigkeit der Boliden ist in Sepang eher selten angebracht. Viele externe Faktoren können hier großen Einfluss auf das Resultat nehmen. An erster Stelle sind sicherlich die häufig unvorhersehbaren Monsunregenfälle zu nennen. Bei falscher Position auf der Strecke zum falschen Zeitpunkt hilft auch das stärkste Paket nichts, wie die Vergangenheit schon des Öfteren zeigte. Auch sonst birgt der Regen in dieser Saison ein zusätzliches Risiko: Durch die geringere aerodynamische Ausrichtung der Boliden fehlt einerseits Grip, andererseits kann das extrem hohe Drehmoment der Turbomotoren jeden kleinen Fehler beim Herausbeschleunigen aus Kurven sofort böse bestrafen.

Beim Saisonauftakt in Australien war Mercedes auch im Nassen eine Klasse für sich, Foto: Sutton
Beim Saisonauftakt in Australien war Mercedes auch im Nassen eine Klasse für sich, Foto: Sutton

Auch die extrem große Hitze und Schwüle setzt Fahrer und Maschine bisweilen enorm zu. Bis zu drei Liter Flüssigkeit verlieren die Piloten während eines Rennens. Unzureichende Vorbereitung kann vor allem gegen Ende des Rennens also leicht Konzentrationsmängel und daher Fehler nach sich ziehen. Auch die Boliden mit ihrem neuen hochkomplexen technischen und elektronischen Innenleben sind mehr denn je auf ausreichende Kühlung angewiesen. Schnell kann es hier zu Überhitzungen und schlussendlich kostspieligen Defekten kommen. Aufgrund des extrem rauhen Belags in Sepang ist auch das Thema Reifenverschleiß nicht außer Acht zu lassen, was die Spannung im Rennen noch einmal deutlich erhöhen sollte.