Zu langsam, zu leise, zu kompliziert. So lauten die Vorwürfe, die sich die neue Formel 1 gefallen lassen muss. Doch stimmt das auch? Zumindest bei der Komplexität dürfte es wohl keine Zweifel geben. Zu leise? Der Saisonauftakt im Albert Park gab den Kritikern recht. Aber zu langsam? Um diese Frage zu beatworten, hat sich Motorsport-Magazin.com durch Unmengen von Zahlen gearbeitet und einige interessante Kenntnisse dabei gewonnen.

Der reine Speed-Vergleich

Das Offensichtliche ist natürlich die Rundenzeit. Schon in Bahrain waren die schnellsten Runden von Williams und Mercedes erstaunlich nah an jenen der Vorsaison. Weil jedoch der Bahrain International Circuit aufgrund seiner Streckencharakteristik nicht übermäßig viel von der Aerodynamik abverlangt, sind Vergleichswerte nicht besonders repräsentativ.

Das Wetter erschwert den Vergleich, Foto: Sutton
Das Wetter erschwert den Vergleich, Foto: Sutton

Als Stadtkurs ist der Albert Park sicherlich auch nicht der beste Gradmesser, allerdings verlangt er der Aerodynamik deutlich mehr ab. Weil das Qualifying sprichwörtlich ins Regen fiel, müssen wir uns leider mit den Zeiten aus dem zweiten Freien Training begnügen, da FP3 im vergangenen Jahr nicht im Trockenen stattfand.

Und dieser Vergleich fällt deutlich aus: 2013 war Sebastian Vettel mit 1:25.908 Minuten Schnellster. Lewis Hamilton genügte in diesem Jahr eine Zeit von 1:29,625. Der Unterschied beträgt somit rund 3,7 Sekunden. Dabei muss aber bedacht werden: Die alte Motorengeneration war deutlich weniger defektanfällig. Deshalb nutzten die Piloten schon im Training fast volle Leistung.

In diesem Jahr ist der Leistungsunterschied zwischen Training und Qualifying wohl deutlich größer, weil vor allem zu Saisonbeginn kein Team das Risiko eingehen will, eine Power Unit schon im Training zu zerstören. Dennoch: Der Unterschied fällt deutlich größer aus, als noch in Bahrain. Dort fehlte Felipe Massa am Ende nur eine Sekunde auf die Pole-Zeit von 2013.

Die Sektorzeiten im Albert Park geben leider nur wenig Ausschluss darüber, woher der große Rückstand kommt. Lediglich im Mittelsektor verliert die 2014er Generation prozentual gesehen etwas weniger Zeit. Hier gibt es keine schnellen Ecken, in denen Downforce gefordert ist. Die gibt es eigentlich nur im letzten Sektor richtig, weil dort aber auch die Höchstgeschwindigkeit eine Rolle spielt, kompensieren sich die Werte wieder etwas.

Keine Überraschung beim Top-Speed

Die Top-Speeds sind wie erwartet höher. Im Rennen betrug die höchste gemessene Geschwindigkeit 2014 316,9 Stundenkilometer, im Jahr zuvor waren es nur 310,7. Dafür gibt es gleich mehrere Faktoren. Der gravierendste: Die Getriebe verfügen nun über einen achten Gang, der deutlich länger übersetzt ist als der Siebte im Vorjahr.

2013 2014
2. Training313,0 km/h317,8 km/h
Rennen310,7 km/h316,9 km/h

Zudem haben die Autos bei etwa gleichbleibender aerodynamischer Effizienz weniger Downforce und damit weniger Luftwiderstand. Zusätzlich darf der Heckflügel bei aktiviertem DRS um 15 Millimeter weiter aufgeklappt werden. In Malaysia sollte deshalb die Aufschlüsselung in Sektoren ein deutlicheres Bild ergeben. Dort besteht der erste Sektor nur aus Gerade und langsamen Kurven.

Trotzdem: So langsam, wie die Rundenzeiten im Albert Park auf den ersten Blick scheinen, ist das neue Reglement nicht. Gerade zu Beginn einer technischen Ära sind noch Quantensprünge zu erwarten. Schon in Jerez glaubten einige Piloten, dass die Formel 1 am Ende des Jahres fünf Sekunden schneller sein würde.

Im Rennen unwesentlich langsamer

Rosberg hatte das gesamte Rennen über freie Fahrt, Foto: Mercedes AMG
Rosberg hatte das gesamte Rennen über freie Fahrt, Foto: Mercedes AMG

Davon nicht betroffen dürfte jedoch der Rennspeed sein. Viele glaubten nach den Bahrain-Tests, dass die neuen Autos zwar im Qualifying-Trimm schnell sind, im Rennen dann aber wegen des Benzinlimits weit davon entfernt sein werden. Um das zu überprüfen, hat Motorsport-Magazin.com die Rennen 2013 und 2014 Runde für Runde miteinander verglichen. Als Referenz dienten die Rennsieger Räikkönen und Rosberg.

Die Safety-Car-Phase im Jahr 2014 haben wir, genauso wie Boxenstopps herausgerechnet. Und dann ergibt sich ein überraschendes Bild: Durchschnittlich war die Formel 1 in diesem Jahr nur 1,7 Sekunden pro Runde langsamer als im vergangenen Jahr. Über die gesamte Renndistanz macht das 1:38 Minuten. Bei einer Reduzierung des Benzinverbrauchs um 30 Prozent ein starker Wert.

Räikkönen siegte 2013, Foto: Sutton
Räikkönen siegte 2013, Foto: Sutton

Aber auch hier bleiben einige Unbekannte und Fehlerfaktoren: Nico Rosberg konnte das gesamte Rennen über frei an der Spitze fahren. Kimi Räikkönen fuhr im Vorjahr bei seinem Sieg einige Runden im Verkehr. Auf der anderen Seite musste Rosberg nicht das gesamte Rennen über ans Limit gehen. Wie viel Reserven hat der Mercedes noch?

Wie in der Renn-Analyse schon thematisiert fällt beim Verlauf der Rundenzeiten ein Fakt ins Auge: Zu Beginn und zur Mitte des Rennens ist der Abstand deutlich geringer als gegen Rennende. Die Auswirkungen des leichter werdenden Autos werden in diesem Jahr wohl stärker durch Benzinsparen kompensiert - vor allem, wenn ein Pilot nicht unter Druck steht.

Fazit

Eine endgültige Antwort auf die Frage, wie schnell oder langsam die Formel 1 2014 ist, hat der Australien GP noch nicht gegeben. Mit Regen, Safety-Car und nicht zuletzt dem Rennverlauf gibt es zu viele Variablen, die sich im Vergleich zum Vorjahr unterschieden. Aber eines steht fest: Im Renntrimm sind die neuen Autos bei weitem nicht so langsam wie von vielen befürchtet. Effizient ist sie also die neue Ära.