Bei McLaren stand der Winter ganz im Zeichen des Umbruchs. Sowohl in der Chefetage, als auch im Cockpit sowie an der Sponsorenfront gab es Veränderungen. Nach einem desaströsen Jahr 2013, der ersten trophäenfreien Saison seit 1980, hatte man in Woking aber auch nichts zu verlieren. Die neue Saison ist für McLaren ein Übergangjahr, verabschiedet man sich doch von Mercedes und heißt per 2015 Honda willkommen. Die große Frage bei McLaren ist: Schafft man schon in diesem Jahr den Sprung zurück auf das Podium?

Eric Boullier: Neuer Kommandant von Ron Dennis' Gnaden, Foto: Sutton
Eric Boullier: Neuer Kommandant von Ron Dennis' Gnaden, Foto: Sutton

Das Team: Ron Dennis hält bei seinem Baby wieder die Fäden in der Hand. "Ich werde das Team beobachten, beraten und meine Macht dazu nutzen, Veränderungen vorzunehmen, sollten diese notwendig sein. Momentan befinden wir uns in einer Restrukturierungsphase", stellte der Brite wenige Tage nach Abschluss der Testfahrten klar. Die neue Ausrichtung des Rennstalls kann man derzeit auf allen Ebenen erkennen. Im technischen Bereich bereitet man den Umstieg von Mercedes-Motoren auf Triebwerke von Honda vor, personell angelte sich Dennis mit Eric Boullier einen neuen Mann am Kommandostand und im Hinblick auf Sponsoren wartet man noch auf adäquaten Ersatz für den verlorenen Geldgeber Vodafone. Ungewiss ist bei McLaren derzeit also nicht nur, wie es mit (dem ehemaligen?) Teamchef Martin Whitmarsh weitergeht. Dennis wollte zuletzt nur so viel verraten: "Das ist eine Sache zwischen uns. Martin ist mein Freund und wird immer mein Freund sein. Deshalb bleiben sämtliche Gespräche zwischen uns bis es einen Entschluss gibt."

Team - Note: Befriedigend bis ungewiss

Die Nase des MP4-29 gehört zu den hässlicheren in der Boxengasse, Foto: Sutton
Die Nase des MP4-29 gehört zu den hässlicheren in der Boxengasse, Foto: Sutton

Das Auto: Der MP4-29 hält - das ist die gute Nachricht. Der MP4-29 hat deutlichen Rückstand auf die Bestzeiten von Mercedes oder Williams - das ist die schlechte Nachricht. In Jerez und Bahrain I gab es zweimal Tagesbestzeit für McLaren, doch als die Zeiten in Bahrain II in die 1:33er-Regionen gedrückt wurden, konnten Button und Magnussen das Tempo nicht mehr mitgehen. "Wir können eine Renndistanz abspulen. Das gibt uns Zuversicht und zeigt auch, wie hart das vergangene Jahr für uns alle war", meinte Jenson Button nach seiner letzten Ausfahrt mit dem Auto. Im finalen Race-Paket für Melbourne könnte auch noch das eine oder andere Zehntel schlummern, was McLaren zu einem Geheimtipp um die Podiumsplätze macht. Allerdings wird sich Motoren-Lieferant Mercedes davor hüten, die letzten Geheimnisse über die Power Unit mit den Chrompfeilen zu teilen, denn sämtliches Knowhow bei McLaren wandert per Saisonende in die Hände von Honda.

Auto - Note: Befriedigend

McLaren darf optimistisch sein, in Melbourne die Ziellinie zu überqueren, Foto: Sutton
McLaren darf optimistisch sein, in Melbourne die Ziellinie zu überqueren, Foto: Sutton

Die Zuverlässigkeit: McLarens größte Stärke könnte im ersten Saisondrittel die gewichtige Trumpfkarte des britischen Teams werden, denn die Testfahrten verliefen für McLaren lange Zeit ohne gravierende technische Probleme. In Bahrain nistete sich bei Button dann aber doch der Fehlerteufel ein und legte einmal das Getriebe, einmal die Power Unit und zum Abschluss die Elektronik lahm. Das hatte zur Folge, dass man in der Kilometerbilanz in Bahrain II noch hinter Williams und Ferrari auf Rang vier zurückfiel.

Zuverlässigkeit - Note: Gut

Zwei Neue: Neben Neuzugang Kevin Magnussen ist Stoffel Vandoorne auch ein Neuling Ersatzfahrer, Foto: McLaren
Zwei Neue: Neben Neuzugang Kevin Magnussen ist Stoffel Vandoorne auch ein Neuling Ersatzfahrer, Foto: McLaren

Die Fahrer: Jenson Button geht in seine fünfte gemeinsame Saison mit McLaren. Wie schon im Vorjahr mit Sergio Perez an seiner Seite muss der Weltmeister von 2009 in der Box des britischen Traditionsteams den Part des erfahrenen Teamkollegen spielen. Mit Kevin Magnussen hat er in diesem Jahr einen Rookie an seiner Seite. Der 21-jährige Däne entstammt dem Young Driver Programme McLarens und krönte sich im Vorjahr zum Meister in der World Series by Renault. Bei den Testfahrten konnte Magnussen, dessen Vater Jan zwischen 1995 und 1998 insgesamt 25 F1-Rennen bestritt, mit seinen Leistungen auf der Strecke überzeugen. "Meine eigenen Ansprüche sind hoch. Ich kenne nun die Abläufe und weiß, worauf es ankommt. Es wartet eine große Aufgabe, aber ich fühle mich bereit dafür", stellte er in Bahrain klar. An zwei seiner sechs Testtage fuhr er Bestzeit und trotz des einen oder anderen Ausrutschers mit 486 Runden die meisten aller Rookies.

Über Buttons Qualitäten muss man nicht mehr viel sagen. In seinen 14 F1-Jahren hat der Brite schon genug Regelumbrüche mitgemacht, beim letzten großen Cut 2009 wurde er sogar Weltmeister (wenn auch im damals mit Abstand besten Auto). Sein materialschonender Umgang könnte ihm den einen oder anderen Ausfall ersparen, auch wenn seine Paradedisziplin - das Reifenflüstern - in dieser Saison nicht mehr ganz so entscheidend wie in den letzten Jahren sein wird.

Fahrer - Note: Gut bis befriedigend

Geht es für McLaren vorwärts oder erneut rückwärts?, Foto: Sutton
Geht es für McLaren vorwärts oder erneut rückwärts?, Foto: Sutton

Redaktionskommentar

Saisonziel: Rückkehr auf das Podium

Pro: Bei McLaren ist vieles im Umbruch, wodurch einiges im Ungewissen liegt. Eine erneute Seuchensaison wird es aber nicht mehr geben. Platz fünf in der Konstrukteurs-WM und eine Saison ohne Podium schmerzten Ron Dennis so sehr, dass er wieder die Zügel in die Hand nahm und nun in Woking mit eiserner Hand regiert. Der penible Perfektionist wird alle anderen Personen im Team an die Grenze der Belastbarkeit treiben, doch der Erfolg wird ihm am Saisonende rechtgeben. Es wäre vermessen, nach einem Jahr wie 2013 von Siegen zu sprechen, doch regelmäßige Podien sind sowohl Routinier Button als auch Rookie Magnussen zuzutrauen.

Contra: Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass McLaren erneut eine Seuchensaison wie im Vorjahr hinlegt, aber der Traditionsrennstall wird auch 2014 kein Stammgast auf dem Podium sein. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zum einen verfügen einige Teams über ein schnelleres Auto - da hilft auch der starke Mercedes-Motor nur bedingt - und zum anderen muss bezweifelt werden, ob McLarens Fahrerpaarung auf höchstem Level konkurrenzfähig ist. Kevin Magnussen hinterließ bei den Testfahrten zwar einen guten Eindruck, doch obwohl es sich der Däne fest vorgenommen hat, wird es unglaublich schwierig, Lewis Hamiltons Rookie-Jahr auch nur annähernd zu wiederholen. Jenson Button hat seine besten Jahre hingegen bereits hinter sich - die absolute Spitze ist für den routinierten Briten mittlerweile außer Reichweite.