Formel Technik! Man kennt es von handelsüblichen, modernen Straßenautos: Viel Technik gleich viel Fehlerpotenzial. Schnell ist ein Sensor hinüber, und was sich früher noch in der heimischen Garage in Eigenregie richten ließ, können heutzutage nur noch die Profis in der Werkstatt reparieren. In der Formel 1 geht es ähnlich zu - wenn auch auf einem ganz anderen Level. Das bekam am Samstag Romain Grosjean zu spüren, als sein Testtag in Bahrain nach 33 Runden beendet war. Renault und Lotus entschieden, den Franzosen zurück in die Box zu beordern. Garagentor runter, Grosjean raus, Feierabend. Der Defektteufel hatte den strauchelnden E22-Boliden befallen, ein Sensor spielte verrückt.

Inzwischen ist der Grund klar: Renault bemerkte, dass die Temperaturen eines Teils ihrer Power Unit in die Höhe schossen, was den Motorenhersteller dazu veranlasste, Vorsicht walten zu lassen und das Training abzubrechen. Dieser Temperaturanstieg ereignete sich an einem heiklen Bereich des Motors: dem ERS-K, also der kinetischen Antriebsbatterie und dem Nachfolger des früheren KERS. Das neue ERS-K kann bis zu doppelt so viel elektrische Energie erzeugen wie sein Vorgänger - hier darf bei einem Defekt also nichts riskiert werden. Dafür wurden eigens Warnlichter am Kameragehäuse oberhalb der Airbox installiert um anzuzeigen, ob das Auto unter Strom steht und gegebenenfalls nur mit speziellen Handschuhen angefasst werden darf.

Abgeschleppt: Test für Grosjean beendet, Foto: Sutton
Abgeschleppt: Test für Grosjean beendet, Foto: Sutton

Was bei Grosjean im ersten Moment dramatisch klang, relativierte Renault später am Abend. Laut Motorenchef Remi Taffin habe es sich bei dem Zwischenfall um eine reine Vorsichtsmaßnahme gehandelt. "Wenn man testet, hat man Sicherheitsvorkehrungen am Auto, um jeglichen Schaden zu vermeiden", erklärte Taffin auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Es war nicht so, dass sein Auto nicht mehr fahren konnte. Wir haben einfach gesehen, dass die Temperaturen gestiegen sind und deshalb entschieden, das Auto anzuhalten, weil wir keine Probleme haben wollten."

Dass Teams und Ingenieure die neue Turbo-Technik noch nicht vollends verstanden haben, sollte kein Geheimnis sein. "Diese Power Units sind sowas von kompliziert, dass sogar die Ingenieure der Teams noch nicht alles verstehen", sagte Lotus-Ersatzfahrer Charles Pic im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Das sieht man doch daran, dass ständig neue Dinge gefunden werden. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir alles verstanden haben." An allen Ecken und Enden tauchen Probleme bei den Teams auf und häufig dauert es Stunden, bis die komplizierte Technik wieder funktioniert und das Auto einsatzbereit ist.

Im Training zu verschmerzen - im Ernstfall fatal: Bei einem Technikfehler deutet aktuell vieles darauf hin, dass ein Rennen sofort beendet ist. Das klingt nach einem potenziell düsteren Saisonauftakt in zwei Wochen in Australien, doch Renault wischte zumindest ein paar Zweifel weg. So dramatisch seien bestimmte Vorfälle während der Testfahrten gar nicht, versicherte Taffin. "Es war nicht so, dass Grosjean sein Auto nicht mehr fahren konnte", erklärte der Renault-Ingenieur. "Im Rennen hat man ein anderes Setup und wenn er unter Rennbedingungen noch fünf bis zehn Runden vor sich gehabt hätte, hätten wir ihn sicherlich weiterfahren lassen."

Heißt: Bei den Testfahrten wird im Zweifel nichts riskiert, im Renntrim sieht die Sache mit der verflixten Technik dann schon anders aus. "Im Rennen würden wir mehr Risiko eingehen gehen als hier", sagte Taffin. "Aber man muss eine Balance für dieses Risiko finden. Wenn man die Power Unit schon im ersten Rennen verliert, wird es schwierig." Damit bezog sich Taffin auf die neuen Regeln, die Schäden am Motor teuer bestrafen können: Sollte ein Fahrer mehr als fünf von einem der sechs Elemente der Power Unit - also ICE (Internal Combustion Engine, Verbrennungsmotor), ERS-K, ERS-H, Energiespeicher, Turbolader oder Kontroll-Elektronik - nutzen, wird er laut Sportlichem Reglement bei der ersten Veranstaltung, bei der das zusätzliche Element eingesetzt wird, mit einer Strafversetzung in der Startaufstellung belegt. Die Strafen sehen wie folgt aus:

  • Austausch einer kompletten Power Unit: Der Fahrer muss das Rennen aus der Boxengasse starten
  • Wenn zum ersten Mal das sechste von einem der Elemente genutzt wird: Strafversetzung um 10 Plätze in der Startaufstellung
  • Wenn zum ersten Mal das sechste von einem der verbleibenden Elemente genutzt wird: Strafversetzung um 5 Plätze in der Startaufstellung
  • Wenn zum ersten Mal das siebte von einem der Elemente genutzt wird: Strafversetzung um 10 Plätze in der Startaufstellung
  • Wenn zum ersten Mal das siebte von einem der verbleibenden Elemente genutzt wird, und so weiter: Strafversetzung um 5 Plätze in der Startaufstellung