Wenn nicht jetzt, wann dann? So oder so ähnlich mag das Motto des heute beginnenden Abschlusstests vor dem Start der Formel-1-Saison 2014 in Melbourne vom 14.-16. März lauten. In Bahrain haben die elf Teams die finale Möglichkeit, die neuen Boliden der V6-Turbo-Ära unter Realbedingungen auf Herz und Nieren zu testen, Fehler aufzudecken und Fragezeichen wegzuwischen.

Die bisherigen beiden Tests in Jerez de la Fontera und Bahrain ermöglichten einen ersten Eindruck über die Leistungsfähigkeit der Rennställe. Es offenbart sich eine Drei-Klassen-Gesellschaft. Während bei Mercedes und den Motoren-Kunden der Sternen-Marke die Basis steht und nur noch Nuancen zu fehlen scheinen, kommen die vier Renault-befeuerten Rennställe nach dem 'Totalausfall' in Jerez nur langsam in die Gänge. Ferrari bleibt trotz sichtbarer Zuverlässigkeit des Boliden derzeit eine geheimnisvolle Unbekannte.

Motorsport-Magazin.com fasst die acht Testtage sämtlicher Teams kompakt zusammen, nennt Stärken und Schwächen und verrät, auf was es für die einzelnen Rennställe bei der Generalprobe auf dem Wüstenkurs nun besonders ankommt.

Leuchtend heller Stern

Die besten Zensuren der bisherigen Tests verdient sich zweifelsfrei das Mercedes-Werksteam. Die Silberpfeile von Lewis Hamilton und Nico Rosberg überzeugten mir konstant schnellen Longruns, beeindruckenden Bestzeiten auf eine Runde sowie einer weitestgehend zufriedenstellenden Zuverlässigkeit. Mit bisher über 3.000 Kilometern ist Mercedes der Titel der Fleißbiene für die Testfahrten bei rund 400 Kilometern Vorsprung auf McLaren kaum noch zu nehmen. Einziger Wehrmutstropfen waren bis dato die Roten Flaggen, für die sich Mercedes nach diversen Problemen am F1 W05 doch das ein oder andere Mal verantwortlich zeigte. Sollten die Kinderkrankheiten abgestellt sein, kann sich das Team mit dieser hervorragenden Basis nun voll auf die Performance des Boliden konzentrieren. Das Maximieren der Rennleistung unter Einhaltung der 100 kg zugelassenen Sprits wird dabei mit Sicherheit im Fokus von Bahrain II stehen. Auch das Reifenmanagement bei Qualifying- und Rennsimulationen dürfte auf der Agenda stehen, wobei die konservativere Herangehensweise Pirellis mit den Pneus für diese Saison weniger Probleme als noch 2013 wahrscheinlich macht.

Nico Rosberg düpierte mit dem F1W05 die Konkurrenz in Bahrain, Foto: Sutton
Nico Rosberg düpierte mit dem F1W05 die Konkurrenz in Bahrain, Foto: Sutton

McLaren zurück zu alter Stärke?

Im letzten Jahr der langen Traumehe mit Mercedes scheint McLaren noch einmal von der Liaison mit der Sternen-Marke zu profitieren. Nach einer unterdurchschnittlichen Saison 2013 präsentierte sich der Chrompfeil MP4-29 von Anfang an bei der Musik. Mit bisher knapp 2.700 zurückgelegten Kilometern liegt McLaren auf Platz zwei der Fleißtabelle. Zudem zeigte vor allem Rookie Kevin Magnussen bisher beeindruckenden Speed und sicherte sich bei den ersten Testfahrten in Jerez die Bestzeit. Jenson Button und der junge Däne waren jedoch auch bei Bahrain I stets bei den Schnellsten zu finden. Bis auf ein paar kleinere Probleme mit dem Auto zeigt sich der britische Traditionsrennstall bisher voll im Soll und scheint die zweite Kraft im Feld zu sein. McLaren kann sich wie auch Mercedes auf den Sprithaushalt, die Renn-Performance des Boliden sowie das Reifenmanagement konzentrieren.

McLaren-Rookie Kevon Magnussen überzeugte bisher bei den Testfahrten, Foto: Sutton
McLaren-Rookie Kevon Magnussen überzeugte bisher bei den Testfahrten, Foto: Sutton

Williams klar auf dem Vormarsch - Force India im Soll

Auch für Williams begann die neue Ära der 1,6-Liter V6-Turbomotoren äußerst vielversprechend. Nach der Katastrophensaison 2013 scheint das Team wie ausgewechselt - unter anderem dank der zuverlässigen und starken Mercedes-Power im Herzen des FW36. Die Power-Unit des Sternen-Konzerns erwies sich bisher als das große Los bei den Motorenkunden und ermöglichte Williams bereits über 2.500 Testkilometer. Fehler wie das Versagen des Benzinsystems zum Auftakt von Bahrain I hielten das Team nicht lange auf. Trotz effektiv nur drei Testtagen spulte Williams in Person von Felipe Massa und Valtteri Bottas auf dem Wüstenkurs dennoch die meisten Kilometer aller Teams ab, zeigte sich zudem bei den Bestzeiten meist im ersten Drittel des Feldes. Auch Williams kann sich - vorausgesetzt die starke Zuverlässigkeit bleibt erhalten - nun voll auf Renn- und Qualifyingsimulationen konzentrieren und am optimalen Spriteinsatz sowie am Reifenumgang des FW36 feilen.

Auch Dank Felipe Massa hat Williams derzeit wieder gut Lachen, Foto: Sutton
Auch Dank Felipe Massa hat Williams derzeit wieder gut Lachen, Foto: Sutton

Der dritte Mercedes-Kunde Force India komplettiert nach den bisherigen Testtagen das Sternen-Quartett innerhalb der sechs fleißigsten Rundensammler. Nico Hülkenberg und Sergio Perez brachten es zusammen auf knapp 1.800 Kilometer, womit das Team von Vijay Mallya allerdings weit abgeschlagen zu den anderen Mercedes-Teams liegt. Auch in Sachen Rundenzeiten erweist sich Force India meist als der Schwächste im Bunde, jedoch zeigte vor allem Nico Hülkenberg an den ersten beiden Tagen in Bahrain, dass auch für den VJM07 schnelle Zeiten möglich sind. Zuletzt hatte Force India zum Leidwesen von Sergio Perez allerdings einige Zuverlässigkeitsprobleme (Antriebsstrang) und wird nun zunächst einmal darauf bedacht sein, diesen Missstand zu beheben. Jedoch scheint auch der farbenfrohe Bolide entwickelt und standfest genug, zumindest gegen Ende des Tests ernsthafte Qualifying- und Rennvorbereitungen absolvieren zu können.

Force India schwankte bisher zwischen guten Leistungen und technischen Problemen, Foto: Sutton
Force India schwankte bisher zwischen guten Leistungen und technischen Problemen, Foto: Sutton

Problemfall Renault - vor allem für Red Bull

Die Alarmglocken in Milton Keynes schrillen derzeit lauter denn je. Nach dem Red Bull-Debakel in Jerez zeigte die Formkurve bei Bahrain I jedoch zumindest etwas nach oben. Lediglich 92 Kilometer an vier Tagen brachte der RB10 im Süden Spaniens zusammen, ehe Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo vergangene Woche zumindest 628 Testkilometer abspulten. Die Probleme Red Bulls sind dabei jedoch nicht nur auf Renaults fehlerhafte Power Unit abzuwälzen. So wählte das Team beispielsweise einen zu aggressiven Ansatz beim Chassis-Design und hatte in der Folge oft mit großer Überhitzung zu kämpfen. Hinzu kamen Software-Probleme sowie weitere ungenannte technische und mechanische Defekte. Für Red Bull kann es bei den Tests in Bahrain nun lediglich darum gehen, die Zuverlässigkeit des RB10 auf ein Niveau zu bringen, mit dem er zumindest eine Renndistanz übersteht. Jedoch steht das Team vor der Schwierigkeit, gleichzeitig seine Performance auf eine Runde massiv zu steigern. Mit einer Ausnahme hätten die mauen Bestzeiten der ersten beiden Tests jeweils nicht für eine Qualifikation zum Rennen gereicht.

Weltmeister Red Bull machte bisher hauptsächlich durch Probleme von sich Reden, Foto: Sutton
Weltmeister Red Bull machte bisher hauptsächlich durch Probleme von sich Reden, Foto: Sutton

Lotus: Einäugiger unter den Blinden?

Nachdem Lotus die Testfahrten in Jerez verpasste, zeigte das Team zuletzt in Bahrain einen konstanten aber langsamen Formanstieg. Nach massiven Problemen mit dem Energiespeicher der Power Unit Renaults sowie auch am E22 selbst gelangen Romain Grosjean an den ersten beiden Tagen auf dem Wüstenkurs lediglich 26 Runden. Diese doch recht maue Anzahl schaffte Pastor Maldonado an Tag drei immerhin alleine. Software-Probleme sowie ein Getriebeschaden trugen bis dato schwerwiegend zum stotternden Testbetrieb bei, ehe Maldonado am letzten Tag zumindest 59 Runden gelangen. Neben der absoluten Bestzeit der Renault-Kunden zeigte sich der Lotus am Samstag jedoch auch für zwei Rotphasen verantwortlich. Nach effektiv einem regulären Testtag befindet sich Lotus derzeit wohl nicht in der Position, intensiv an der Renn-Performance des E22 arbeiten zu können. Die kommenden vier Tage werden viel eher darüber entscheiden, ob die schwarz-goldenen Renner beim Saisonauftakt in Australien die schwarz-weiß-karierte Flagge zu Gesicht bekommen.

An Lotus scheiden sich bisher die Geister: Große Probleme und gute Ansätze scheinen Hand in Hand zu gehen, Foto: Sutton
An Lotus scheiden sich bisher die Geister: Große Probleme und gute Ansätze scheinen Hand in Hand zu gehen, Foto: Sutton

Toro Rosso mit massivem Nachholbedarf - Caterham fehlt Speed

Die kleine Red Bull-Schwester Toro Rosso ist als Renault-Kunde ebenfalls ein Sorgenkind der bisherigen Test-Saison. Zwar kam der italienische Rennstall bislang nur auf 991 Kilometer, immerhin liegt der STR09 damit jedoch rund 270 Kilometer vor dem RB10. Für Jean-Eric Vergne und Daniil Kvyat wird die Zeit langsam knapp, das Auto am Limit testen zu können. Vor allem der russische Rookie dürfte um jeden Kilometer froh sein, den er vor dem Saisonstart in Melbourne noch auf seinen Tacho bringt. Jedoch ist die Liste der Probleme lang und der Weg zu einer regulären Rennperformance für das Team von Franz Tost weit und steinig. Auch Toro Rosso kann aufgrund der großen Zuverlässigkeitsprobleme des Autos sowie des Antriebsstrangs von Renault derzeit nur von Renn- und Qualifying-Simulationen träumen. Bahrain II dürfte für die 'kleinen Bullen' also lediglich der letzte Joker zur Behebung der Missstände am STR09 sein...

Toro Rosso muss sich beeilen, den Anschluss nicht zu verpassen, Foto: Sutton
Toro Rosso muss sich beeilen, den Anschluss nicht zu verpassen, Foto: Sutton

Als großer Sieger der Renault-Teams darf sich der britisch-malaysische Rennstall Caterham betrachten. Zwar lagen Kamui Kobayashis und Marcus Ericcsons Bestzeiten mit dem CT05 meist nicht annähernd im Bereich der für eine Rennteilnahme geforderten 107%-Regel, jedoch erwies sich der grüne Bolide als durchaus standfest und zuverlässig. Mit knapp 1.700 Kilometern rangiert das Team von Tony Fernandes auf einem verhältnismäßig ordentlichen fünften Rang und weist somit eine größere Testdistanz auf als Red Bull und Toro Rosso zusammen. Caterham wird sich bei den finalen Tests somit wohl auf eine Performance-Maximierung des Boliden sowie die Steigerung der Zeit auf eine Runde konzentrieren können und müssen.

Der CT05 scheint bisher zuverlässig, aber langsam, Foto: Sutton
Der CT05 scheint bisher zuverlässig, aber langsam, Foto: Sutton

Ferrari als große Unbekannte?

Bei Betrachtung der reinen Zuverlässigkeit gehört Ferrari definitiv zu den Siegern der ersten beiden Testfahrten 2014. Über 2.660 Kilometern legten Fernando Alonso und Kimi Räikkönen bisher im F14T zurück, womit die Scuderia nur um vier km an Rang zwei vorbeischlitterte. Gravierende Probleme hatte Ferrari dabei nie zu beklagen und musste lediglich einige Kinderkrankheiten ausräumen. Die bisher weniger aussagekräftigen Rundenzeiten machen Ferrari jedoch zu einem kleinen Rätsel. So waren Alonso und Räikkönen stets bei den vorderen Bestzeiten zu finden, schafften es aber nie, Mercedes und McLaren ernsthaft zu gefährden. Nachdem nun die Basisarbeiten am F14T langsam abgeschlossen sein sollten, dürfte Bahrain II mit Qualifying- und Rennsimulationen durchaus besseren Aufschluss über die wahre Stärke des neuesten Boliden aus Maranello geben. Hat Ferrari bisher nicht alles ausgepackt oder gilt es tatsächlich, in Sachen Speed gegenüber Silber und Chrom nachzulegen?

Wieviel Licht brachte Ferrari bisher in sein Performance-Dunkel?, Foto: Sutton
Wieviel Licht brachte Ferrari bisher in sein Performance-Dunkel?, Foto: Sutton

Sauber mit Steigerungspotential

Die bisherigen Tests sind aus Sicht von Sauber schwer einzuordnen. Mit insgesamt über 2.000 Kilometern liegt das Duo Adrian Sutil und Esteban Gutierrez zwar auf Rang fünf, jedoch hatte das Team in Jerez und Bahrain bisweilen massiv mit dem Break-by-Wire-System respektive Chassis zu kämpfen. Dies wirft in Sachen Zuverlässigkeit des C33 einige Fragen auf, die der Schweizer Rennstall nun dringend beantworten muss. Den ordentlichen Longruns der deutsch-mexikanischen Kombo stehen allerdings bis dato mit einer Ausnahme keine wirklich schnellen Zeiten gegenüber, weswegen es spannend sein wird, zu sehen, ob diesbezüglich nun eine große Steigerung gelingt. Sauber wird bei den letzten Tests in Bahrain nun den Spagat finden müssen, bei starker Verbesserung der Leistung des Boliden die Zuverlässigkeit nicht zu gefährden.

Sauber hatte bisher mächtig mit Zuverlässigkeitsproblemen zu kämpfen, Foto: Sutton
Sauber hatte bisher mächtig mit Zuverlässigkeitsproblemen zu kämpfen, Foto: Sutton

Marussia schlichtweg blamabel

Der russische Rennstall Marussia ist nach den ersten beiden Testfahrten derart abgeschlagen, dass einem Angst und Bange werden muss. Lediglich 289 Kilometer legte der MR03 bis dato zurück, wovon ein nicht unwesentlicher Teil auf Installationsrunden fällt. Bei Marussia brennt es an allen Ecken und Enden: Probleme mit der Ferrari Power Unit, IT-Konfigurationsprobleme, Versagen des Benzin-Systems... Doch damit nicht genug. Beendeten Max Chilton oder Jules Bianchi eine Runde, war diese meist so langsam, dass die 107%-Regel nicht einmal annähernd angekrazt wurde. Die finalen Tests in Bahrain sind für Marussia der letzte Strohhalm, das Auto zumindest auf Formel-1-Niveau zu bringen. Das Team hat den Sprung in die Ära des neuen Technischen Reglements definitiv verschlafen und dürfte nach jetzigem Stand der Dinge eine Horror-Saison vor sich haben...

Die Leistung Marussias ist bislang schlichtweg zum Verzweifeln, Foto: Sutton
Die Leistung Marussias ist bislang schlichtweg zum Verzweifeln, Foto: Sutton