Deine Formel-1-Karriere begann 1997 mit dem Einsatz bei Benetton statt des erkrankten Gerhard Berger.
Alexander Wurz: Eigentlich begann es 1996, als ich von Flavio Briatore nach meinem Le-Mans-Sieg zu Test- bzw. Sichtungsfahrten eingeladen wurde. Da ging es um einen Testfahrervertrag gegen Vincenzo Sospiri, Giancarlo Fisichella, Paul Tracy und Jarno Trulli. Nachdem ich nach meinem ersten Outing schon innerhalb von fünf Zehntel der besten Zeit von Jean Alesi lag, kam Pat Symonds zu mir und sagte, dass ich den Job jetzt eigentlich schon habe, aber weiter testen soll. Ich gab gutes Feedback, war nach zwei Tagen eine Zehntel hinter Bergers Bestzeit und zwei Zehntel vor Alesis Zeit. Vier Tage später war ich in London, um den Vertrag unterschreiben.

Alexander Wurz stand bei seinem dritten Rennen auf dem Podium, Foto: Sutton
Alexander Wurz stand bei seinem dritten Rennen auf dem Podium, Foto: Sutton

Wie war es um deine Gefühlswelt vor dem Rennen in Montreal bestellt?
Vor dem ersten Grand Prix in Montreal war nicht viel Zeit zum nervös sein. Ich bin am Mittwoch vor dem Rennen nach London zitiert worden, war mit Flavio beim Abendessen, und dort hat er mir ein Ticket für die Concorde in die Hand gedrückt, und gesagt, morgen früh geht's nach New York, dort holen wir dich ab, du fliegst nach Montreal und fährst am Sonntag den Grand Prix. Auf dem Weg zum Flughafen habe ich mir ein Magazin gekauft, um mich über den Streckenverlauf und die Gänge in einer Vorschau zu erkundigen. Es war eine coole Zeit. Leider ist mein Antriebsstrang gebrochen, ich war auf Platz vier im Rennen und das Podium war in Reichweite.

Schon in deinem dritten Grand Prix hast du den Sprung auf das Podium geschafft. Was hat sich dadurch verändert?
Alexander Wurz: Die Vertragsoption wurde gezogen. Und ein Staubfänger mehr im Regal waren die größten Veränderungen, mehr oder weniger.

Wie hast du die Zusammenarbeit mit einer schillernden Persönlichkeit wie Flavio Briatore erlebt?
Alexander Wurz: Ich habe die Zusammenarbeit sehr intensiv erlebt, und zwar im guten aber auch harten Aspekt. Flavio hat mich in die Formel 1 geholt, weil er dachte, ich verdiene es. Er hat mich beflügelt und hat mich zu Bestleistungen motiviert. Das kann er echt mega gut. Aber als ich sein Angebot zum Managementvertrag nicht unterschrieben habe, wurden die Zeiten etwas härter. Vielleicht war ich zu stur und hätte den Managementvertrag unterschreiben sollen. Aber rückblickend ist es ja völlig egal, ich habe viel gelernt, fürs Leben und auf der Strecke. Ich bin immer noch Profi und hin und wieder gehe ich in sein Restaurant essen und wenn er da ist, reden wir über Gott und die Welt.

Du warst bis 2000 bei Benetton und bist mehrfach nur knapp am Podium vorbeigeschrammt. Warum kam es nicht zum ganz großen Durchbruch und schließlich zur Trennung?
Alexander Wurz: 1998 war anfangs eine gute Saison, hinter Ferrari und McLaren war ich oft der Beste vom Rest, dann wurde ich in der Mitte der Saison von verschiedenen Dingen abgelenkt und die Überform war weg. Es reichte zum siebten WM-Platz und vor meinem Teamkollegen zu sein, aber die zweite Saisonhälfte war nicht gut. Obwohl, ich habe echt viel gelernt und ein Tief braucht jeder, um sich zu steigern. Das habe ich über den Winter hinweg auch gemacht. Leider war dann 2001 das Auto mit mir 12 kg übergewichtig und somit war es von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Benetton hatte damals nicht mehr die Ressourcen, um ein Top-Auto zu bauen und ist ins Mittelfeld abgefallen.

Wurz spulte unzählige Testkilometer ab, Foto: Sutton
Wurz spulte unzählige Testkilometer ab, Foto: Sutton

Du warst danach mehrere Jahre Testfahrer. Wie motiviert man sich über einen so langen Zeitraum, ohne einen Grand Prix zu bestreiten?
Alexander Wurz: Ich habe nach Benetton alles auf eine Karte gesetzt und wollte in ein Top-Team. Nachdem Adrian Newey, Pat Fry und Martin Whitmarsh von meinen technischen Entwicklungsfähigkeiten überzeugt waren, blieb ich fünf Jahre dort. Eine lange Zeit, aber sehr cool. Die Motivation war, jeden Tag aufzustehen und schnell Auto zu fahren. Damals waren wir ja fast jeden Tag testen. Ich habe in dieser Zeit über 30 Rundenrekorde eingestellt, mehr als 50 Prozent aller Tests als Schnellster beendet. Ich war damals dem Kerngeschehen der Formel 1 näher, als man in jedem Mittelfeldteam sein konnte.

Mit Williams glückte noch einmal der Sprung auf das Podium, Foto: Sutton
Mit Williams glückte noch einmal der Sprung auf das Podium, Foto: Sutton

2007 hast du bei Williams dein Comeback als Stammfahrer gegeben und in Kanada den dritten Platz erreicht. Wie befriedigend war die Gewissheit, noch an der Spitze mithalten zu können?
Alexander Wurz: Dadurch, dass ich es nie bezweifelt oder in Frage gestellt habe, ob ich ein Spitzenfahrer bin oder nicht, habe ich mir die Frage nicht gestellt. Rückblickend bin ich stolz, dass ich 2006 zu Williams gegangen bin, mich dort voll hineingekniet habe in die Entwicklungsarbeit, von den Technikern auch super aufgenommen wurde, und mit ihnen den richtigen Weg eingeschlagen habe, der uns dann 2007 zum vierten Platz in der Konstrukteurs-WM geführt hat. Was vorher und nachher bei Williams nicht mehr der Fall war, aber hoffentlich bald wieder kommt.

Gab es nach der Zeit bei Williams Angebote von anderen Formel-1-Teams und wärst du bereit gewesen, ein solches anzunehmen?
Alexander Wurz: Ich hatte extrem gute Angebote während meiner McLaren-Zeit. Echt tolle Angebote, aber die durfte ich vertragsrechtlich nicht annehmen. Und nach Williams in 2007 wollte ich mich neu orientieren. Mein Business (Road Safety Company) wurde mir sehr wichtig und mein Rennfahrerherz wollte wieder zu den Sportwagen, von denen ich schon als Kind geträumt habe. Die Blickrichtung war auf Le Mans ausgelegt, ohne Kompromisse.

Mittlerweile kommentierst du Grands Prix im Fernsehen. Was für einen Einblick erhält man, wenn man auf der anderen Seite des Geschehens steht?
Alexander Wurz: Das Kommentieren im TV macht mir Spaß. Ich habe einen coolen Kommentator mit Ernst Hausleitner, ein tolles Sport-Team beim ORF, mit dem wir für die österreichischen Fans eine super Sendung produzieren. Es taugt mir auch, den Zuschauern die Komplexität des Sports zu vermitteln.

Glaubst du, dass wir in absehbarer Zeit wieder einen österreichischen Piloten in der Formel 1 sehen werden?
Alexander Wurz: Glauben ist ein Wort, das nicht zum Motorsport passt, aber ich hoffe es. Wir haben ein paar Piloten, die das Zeug dazu haben, zum Beispiel Lucas Auer. Oder am Weg vom Kart in den Rennsport hinein ist Ferdinand Habsburg, der super Talent hat und einen Willen, der Eisberge schmelzen lässt.

Welchen Stellenwert haben deine Einsätze auf der Langstrecke verglichen mit der Formel 1?
Alexander Wurz: Ich lebe im hier und jetzt. Ich lebe jetzt als Sport-Prototypen-Racer - mit vollem Herz und Kopf! Sportlich ist das Prototypen-Rennfahren zu 1000 Prozent genau das, was ich machen will - maximaler Stellenwert, maximaler Einsatz - alles andere macht keinen Sinn im Sport. Wenn dem nicht so wäre, bin ich weg und gehe dem nach, was mir dann wichtiger ist.

1996 hast du als jüngster Pilot der Geschichte die 24 Stunden von Le Mans gewonnen. Ist das noch immer eine Leistung, auf die du stolz bist?
Alexander Wurz: Ja. Es war ein mega Rennen, ein hartes Rennen, ein toller Kampf gegen das Porsche Werksteam, und rückblickend muss ich den Hut ziehen vor Reinhold Joest und Ralf Jüttner, dass sie einem 21-Jährigen einen Le-Mans-Prototypen anvertraut haben. Auch da war es so, dass ich einen Sichtungstest bekommen habe und quasi als möglicher Ersatzpilot in Frage kam. Aber weil ich nach vier Runden der Gesamtschnellste war - und zwar in der Nacht auf einer Strecke, die ich nicht kannte - hat das Team die Daten gecheckt, ob ich wo abgeschnitten hatte. Hatte ich aber nicht, und somit wurde ich weiter im Auto behalten und zum Le-Mans Stammpiloten ernannt. Rückblickend bin ich sehr stolz auf die ganze Geschichte, logisch.

1996 triumphierte Wurz zum ersten Mal in Le Mans, Foto: Sutton
1996 triumphierte Wurz zum ersten Mal in Le Mans, Foto: Sutton

Wie laufen die Vorbereitungen für 2014?
Alexander Wurz: Auf Vollgas und zusätzlich elektrisch geladen. Wir haben erste Tests mit dem neuen Toyota TS040 schon gemacht, ein Hybrid mit Vierrad-Antrieb und Vierrad-Energierückgewinnung. Die Tests waren bisher sehr gut, was sie auch sein müssen, denn Audi und Porsche sind starke Gegner…. Aber zu schlagen (lacht)!

Wird Toyota in diesem Jahr endlich den heiß ersehnten Sieg an der Sarthe holen?
Alexander Wurz: Ich hab keine Kristallkugel, deshalb kann ich das nicht beantworten. Aber das Ziel ist kristallklar - WM und Le-Mans Sieg.

Abschließend ein paar Fragen zu aktuellen Themen. Die ersten Testfahrten der Formel-1-Saison sind Geschichte. Wie ist dein erster Eindruck?
Alexander Wurz: Viel Arbeit für alle Teams. Die technischen Probleme finde ich jetzt nicht so aufregend, wenngleich der Test 33% der gesamten Vorsaisontestzeit ausmacht. Der nächste Test muss bei denen, die in Jerez Probleme hatten, also passen.

Findest du die Autos auch so hässlich, wie die meisten Fans?
Alexander Wurz: Ich finde die Sportprototypen seit meiner Kindheit die schönsten Rennautos, aber die Formel-1-Autos sind insofern geil, weil sie minimalistisch und zu 100% auf Performance ausgelegt sind. Eine hässliche Nase ist deshalb so, weil sie der beste technische Kompromiss ist. Mehr Karbon für das optische Design zu verlegen, wenn es keine technischen Nutzen gibt, wäre fehl am Platz. Aber ja, logisch finde ich die Nasen hässlich!

Was hältst du davon, dass es beim Saisonfinale doppelte Punkte geben wird?
Alexander Wurz: Nix.

Bernie Ecclestone tippt, dass dein ehemaliger Williams-Teamkollege Nico Rosberg Weltmeister wird. Eine realistische Prognose oder hat am Ende doch wieder Red Bull die Nase vorne?
Alexander Wurz: Es möge die schönste Nase gewinnen! Oh, die müsste man erst designen. Da Nico mir versprochen hat, mich zu seiner WM-Party einzuladen, falls er gewinnt, drücke ich ihm ganz fest die Daumen! Und weil ich Realist bin, kann ich mir eigentlich das Daumen drücken ersparen, denn er hat das Zeug dazu.