Turbo-Motoren schön und gut - doch die wahre Revolution der neuen Formel 1 steckt hinter dem Turbolader. Und zwar direkt hinter dem Turbo. Motorsport-Magazin.com erklärt, was es mit dem neuen Bauteil auf sich hat, wann und wie Energie gewonnen wird und wann Leistung abgegeben wird.

Um ERS-H (Energy Recovery System - Heat) verstehen zu können, muss zunächst das Grundprinzip eines Turboladers (1) erklärt werden. Für jede Verbrennung ist Sauerstoff nötig. Sauerstoff ist allgegenwärtig, sein Anteil an Umgebungsluft beträgt rund 21 Prozent. Da in einem Ottomotor pro Minute in jedem Zylinder tausende Verbrennungen stattfinden, wird entsprechend viel Sauerstoff benötigt.

Turbolader, Verdichter und ERS-H sitzen auf einer Welle, Foto: Renault Sport F1/adrivo
Turbolader, Verdichter und ERS-H sitzen auf einer Welle, Foto: Renault Sport F1/adrivo

Eine grobe Regel lautet: Je mehr Sauerstoff, desto mehr Leistung. Bei einem herkömmlichen Saugmotor strömt die Luft einfach in die Airbox ein, von der sich der Motor quasi selbst an der Luft bedient. Bei einem Turbomotor wird dem Aggregat zusätzlich Luft eingeführt, deshalb spricht man umgangssprachlich auch von zwangsbeatmeten Motoren. Dazu werden Auspuffgase genutzt, die eine Turbine antreiben. Mit der Turbine ist ein Verdichter (2) verbunden, der die Luft komprimiert, die dem Motor wieder zugeführt wird.

In der modernen Formel 1 ist aber nicht nur ein Verdichter mit dem Turbolader verbunden. Auf der gleichen Welle (gelbe Linie), also dem drehenden Verbindungsstab, sitzt auch noch ERS-H (3). ERS-H, oftmals auch als MGU-H (Motor Generation Unit - Heat) bezeichnet, funktioniert im Wesentlichen wie ein Fahrraddynamo. Die Drehbewegung wird in elektrische Energie umgewandelt und direkt an ERS-K weitergegeben. ERS-K wandelt die elektrische Energie wiederum in kinetische Energie um und gibt sie direkt an die Kurbelwelle ab.

Kein Vergleich zu den alten Turbo-Motoren, Foto: BMW
Kein Vergleich zu den alten Turbo-Motoren, Foto: BMW

Wie beim Fahrrad der Dynamo zwar Energie für Licht erzeugt aber gleichzeitig das Treten erschwert, kann natürlich ERS-H auch nicht Energie aus dem Nichts erzeugen. Wird ERS-H zur Energieeinspeisung genutzt, erhöht sich der Widerstand auf den Turbolader, was wiederum den Verdichter langsamer drehen lässt. Aus diesem Grund fungiert ERS-H nur im hohen Drehzahlbereich als Energielieferant, um die Zwangsbeatmung nicht allzu sehr zu stören.

Weil es in der Formel 1 nur einen einzigen Turbolader gibt und dieser deshalb entsprechend groß ausfallen muss, ist auch das Turboloch sehr groß. Heißt: Die Turbine braucht wegen ihrer großen Masse (Massenträgheit) hohe Drehzahlen, um die Luft ausreichend zu verdichten. Der Drehzahlbereich, in dem noch nicht genügend Luft in die Brennräume geschaufelt wird, wird gemeinhin als Turboloch bezeichnet.

Um das Turboloch zu umgehen, haben die Ingenieure nun die Möglichkeit, die Turbine nicht nur mit Auspuffgasen auf Drehzahl zu bringen. ERS-H kann nämlich nicht nur als Generator fungieren, sondern auch als kleiner E-Motor. In der Batterie gespeicherte Energie wird beim Beschleunigen im unteren Drehzahlbereich an ERS-H abgegeben und der Turbo somit auf Umdrehungen gebracht.

Die Drehzahl macht's

Der Anteil an zurückgewonnener Energie von ERS-H ist im Vergleich zu ERS-K eher gering, dennoch darf die Hitze-Komponente nicht vernachlässigt werden. Zwar ist die rotierende Masse vergleichsweise gering, die Drehzahlen des Turboladers sind dafür umso größer: Bis zu 125.000 Mal in der Minute rotiert die Achse. Bedenkt man, dass die kinetische Energie nicht proportional, sondern quadratisch mit der Geschwindigkeit wächst, ist der Betrag durchaus bemerkenswert.

Zusammenfassung: ERS-H hat im Wesentlich zwei Funktionen: Zum einen wird Abgasenergie nicht nur vom Turbolader verwertet, sondern auch in Elektrische Energie umgewandelt. Zum anderen kann ERS-H auch als Elektromotor fungieren und den Turbolader im unteren Drehzahlbereich quasi künstlich auf Drehzahl bringen, um so das Turboloch zu verkleinern.