Die ersten Testfahrten des neuen Jahres wurden mit großer Spannung erwartet. Wie sehen die neuen Autos aus? Halten die Turbos bei der ersten Ausfahrt? Wer hat am Ende wohl die Nase vorn? Fragen über Fragen, doch eine Angelegenheit geriet in Spanien völlig zur Nebensache: Pirelli. Waren die Reifen im vergangenen Jahr das große Thema, interessierte sich in Jerez kaum jemand für die neue Generation der Italiener. Dabei wartet der Reifenlieferant in der anstehenden Saison seinerseits mit runderneuerten Mischungen auf - die gesamte Slick-Palette bekommt neue Gummis sowie eine veränderte Konstruktion. Zudem werden die 2014er Reifen etwas schwerer als ihre Vorgänger.

Doch während der vier Tage in Jerez hielten sich die Erkenntnisse bezüglich der neuen Reifen arg in Grenzen. Die Teams waren viel zu beschäftigt damit, Probleme an ihren Turbo-Autos in der Garage auszumerzen statt Kilometer abzuspulen. "Der Fokus lag in dieser Woche auf der Power Unit", bestätigte Mercedes-Technikdirektor Paddy Lowe. "Wir haben die Aerodynamik und die Reifen nicht ignoriert, aber der Fokus lag darauf, ein zuverlässiges Paket zu erhalten, bevor es nach Bahrain geht."

Adrian Sutil hatte Probleme mit den Reifen, Foto: Sutton
Adrian Sutil hatte Probleme mit den Reifen, Foto: Sutton

An einen richtigen Reifentest war überhaupt nicht zu denken, auch, weil die Boliden noch lange nicht im Renntrimm mit entsprechender Downforce unterwegs waren. Dass der Schwerpunkt auf Basisarbeit lag, zeigten verwendeten Reifensätze auf dem Circuito de Jerez mit seinem extrem rauen Asphalt. Leidglich ein einziger Satz der superweichen - und damit schnellsten - Mischung fand seinen Weg an ein Auto. Gerade einmal zwei Sätze der weichen Mischung wurden eingesetzt.

Am beliebtesten war die so genannte Winter-Mischung, eine Einmallösung von Pirelli, um den kühlen Temperaturen entgegenzuwirken. Den Negativ-Effekt kalter Reifen bekam unter anderem Adrian Sutil zu spüren, als er sich an zwei Tagen mit seinem Sauber von der Strecke drehte. "Unsere zwei Piloten hatten beide Mühe, die Reifen auf die richtige Arbeitstemperatur zu bringen", sagte Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn. "Dabei war es sicher nicht hilfreich, dass wir ein provisorisches Aero-Paket mit stark reduziertem Abtrieb fuhren. Das kam jedoch alles nicht überraschend, wir wussten, was uns da erwartete."

Die schnellste Rundenzeit des Tests erzielte McLaren-Rookie Kevin Magnussen auf Medium-Reifen. "Die Reifen standen bei diesem Test nicht im Mittelpunkt", stellte Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery fest. Er ging davon aus - und hoffte wohl auch inständig - dass beim nächsten Test in Bahrain Mitte Februar mehr Verkehr auf der Strecke herrscht und die Teams an der Performance schrauben. Hembery: "Denn bis dahin bleiben ihnen zwei Wochen, um ihre Autos weiter zu entwickeln und Probleme zu beseitigen, die in Jerez auftraten."

Zwar fehlen valide Erkenntnisse noch, doch nach der allgemeinen Erwartung sollten die Reifen in der kommenden Saison das kleinste Problem sein. "Ich glaube, dass wir mit den Reifen keine großen Schwierigkeiten bekommen werden", vermutete Toro Rossos Teamchef Franz Tost. "Ich bin zuversichtlich, dass wir das Reifenthema so gut wie möglich unter Kontrolle haben."

Pirelli hatte schon Ende vergangenen Jahres angekündigt, nach all der Kritik mit konservativeren Mischungen aufzuwarten. Ein zweites Reifen-Massaker wie Silverstone 2013 soll es nie wieder geben. Der Reifenhersteller ist sogar bereit, seine neuen Mischungen noch einmal zu verändern, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Hembery: "Wir sind völlig offen, flexibel und bereit, unsere Reifen den Erfordernissen anzupassen, falls die Tests in Bahrain zeigen, dass dies erforderlich ist."

"Die Tendenz ist, dass die Reifen ein bisschen härter sind und es deshalb ein paar Boxenstopps weniger geben wird", sagte Nico Rosberg, in Jerez mit 188 Runden der fleißigste Fahrer. Zustimmung gab es von Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton, einem der Opfer des Silverstone-Massakers. Der Brite fuhr als einziger an drei der vier Testtage in Jerez. "Die 2014er Reifen sind ein bisschen besser", meinte er. "Sie halten länger. Man kann vielleicht 30 Runden damit fahren und der Abrieb ist geringer." Nach den ersten Eindrücken deutet vieles darauf hin, dass die Reifen im Jahr 2014 eine untergeordnete Rolle spielen werden - auch angesichts der umwälzenden Regeländerungen, die sowieso schon für ausreichend Chaos sorgen dürften.