Im Prinzip wusstet Du ja wohl schon eine ganze Zeit lang, dass es mit deinem Wechsel zu Red Bull klappen würde. Wann warst Du wirklich sicher, wirklich entspannt - erst, als die endgültigen Unterschriften auf den Verträgen waren?
Daniel Ricciardo: Ja, das war der erste ganze wichtige Schritt. Aber so richtig entspannt war ich eigentlich erst nach Monza. Denn Monza war noch einmal sehr chaotisch. Da war die Nachricht gerade draußen, da ging es dann natürlich richtig los, jeder wollte etwas wissen - das war schon ein heftiges Wochenende. Aber dann, Sonntagabend nach einem guten Rennen mit einem guten Ergebnis, war ich dann so richtig entspannt und ruhig.

Fühlst Du dich denn jetzt anders in Deiner Haut...
Daniel Ricciardo: Als Person, abseits vom Rennsport, werde ich auf jeden Fall der gleiche bleiben. Gut, ich werde erwachsener, reifer, dadurch verändert man sich vielleicht generell ein bisschen - wie das ja bei allen der Fall ist. Aber meine Persönlichkeit wird die gleiche bleiben. Aber auf der Strecke, im Auto, da werde ich sicher anfangen, mich zu verändern. Hoffentlich werde ich bald zumindest um Podiumsplätze kämpfen und das wird das Feuer in mir bestimmt noch einmal zusätzlich anfachen.

Also noch mehr Motivation?
Daniel Ricciardo: Auf jeden Fall. Wenn ich mich selbst auf dem Podium sehe, mir das so bildlich vorstelle, dann ist das etwas, was mich sehr motiviert. Immer wenn ich trainiere, habe ich jetzt dieses Bild vor Augen, und das macht es mir sehr leicht, mich noch mehr anzustrengen.

Und wo siehst Du dich da - gleich ganz oben?
Daniel Ricciardo: [lacht] Na ja - vielleicht schon, ja... Mal abwarten. Aber natürlich muss genau das mein Ziel sein. Deswegen bin ich hier. Und nächstes Jahr mit Red Bull habe ich die Gelegenheit - zumindest, wenn das Auto wieder so gut ist, wie es jetzt ist.

Viele Leute sehen dich als klare Nummer 2, nur als "Wasserträger" für Sebastian. Ärgert dich das?
Daniel Ricciardo: Nein, wenn die Leute das sagen, dann glauben sie das halt, okay... Aber ich bin sicher, wenn ich gleich zu Saisonbeginn stark einsteigen kann, dann werden sie ihre Meinung schon ändern. Red Bull hat mir zugesagt, dass ich, wenn ich den Speed habe, alle Freiheiten haben werde, dann auch zu tun und zu zeigen, was ich kann.

Daniel Ricciardo hat das breiteste Lächeln im Fahrerlager, Foto: Sutton
Daniel Ricciardo hat das breiteste Lächeln im Fahrerlager, Foto: Sutton

Hat dein Landsmann Mark Webber mit seinen Klagen vielleicht dazu beigetragen, dass diese Vorstellung in vielen Köpfen sitzt?
Daniel Ricciardo: Ich glaube, seine Beziehung zum Team und zu Sebastian hat schon einige Leute beeinflusst. Aber das hat mit mir und meinem Einstieg ins Team nichts zu tun. Mark hatte seine Meinung, seinen Weg - und das ist auch okay. Aber ich komme ganz neu an, alles beginnt neu, ohne irgendwelche Vorbelastungen, und wir sind auch ziemlich unterschiedlich.

Völlig unterschiedliche Persönlichkeiten - zwei Extreme von Australiern?
Daniel Ricciardo: So würde ich es auch nicht sagen, wir haben schon auch Gemeinsamkeiten.

Wo liegen die denn? Eigentlich sieht man mehr Gemeinsamkeiten zwischen Dir und Sebastian...
Daniel Ricciardo: Ach, ich komme gut mit Mark aus. Man kann gut mit ihm reden, er ist ziemlich gerade heraus, und wenn ich etwas wissen will, dann sagt er mir das auch.

Und Sebastian?
Daniel Ricciardo: Wahrscheinlich schon... So genau kenne ich eigentlich beide nicht.

Du hast bei deinen Tests für Red Bull die Leute dort schon ein bisschen kennen gelernt. Sind sie anders als die bei Toro Rosso?
Daniel Ricciardo: Ich glaube schon, die Einstellung ist noch ein bisschen anders. Sie sind es gewöhnt, zu gewinnen, Rennen, WM-Titel... Und wenn sie dann mal Dritter oder Vierter werden, dann wissen sie, dass sie es eigentlich besser können und sind eher leicht enttäuscht. Bei uns, bei Toro Rosso, dagegen, freut man sich über jeden Punkt. Das ist diese Siegermentalität bei Red Bull - und ich hoffe, dass ich in diese auch bald eintauchen kann.

Passt diese auch noch besser zu Deiner Mentalität - oder musst Du die dir erst aneignen?
Daniel Ricciardo: Nein, ich glaube, das passt sehr gut zu mir.

Das heißt, dass der äußere Eindruck, dass Du alles locker und easy nimmst, immer lachend, schon ein bisschen täuscht, dass Du, was den Sport angeht, schon ganz anders bist.
Daniel Ricciardo: Auf jeden Fall, da bin ich schon extrem fokussiert und ehrgeizig. Und da kann ich auch schon mal böse werden. Wenn was richtig schief geht, lache ich absolut nicht mehr. [Grinst] Du hast mich in Spa nach dem Qualifying gesehen, oder? [dort war Ricciardo nach dem Ausscheiden in Q1 wegen taktischer Fehler an der Boxenmauer so sauer, dass er auch schon mal ein paar deftige Bemerkungen über seine Strategen fallen ließ] Nach außen bin ich sicher locker, aber es gibt schon Dinge, die mich aufregen. Und im Auto ist alles sehr ernsthaft. Ich verstehe die Formel 1 immer besser, ich bin hier, um der Beste zu sein. Weil ich oft lächelnd durchs Fahrerlager laufe, bekommen die Leute vielleicht einen falschen Eindruck, glauben, dass ich das alles nicht so ganz ernst nehme. Aber das ist falsch - ich bin da sehr ernsthaft und zielstrebig.

Daniel Ricciardo durfte schon für Red Bull testen, Foto: Red Bull
Daniel Ricciardo durfte schon für Red Bull testen, Foto: Red Bull

Anscheinend auch bei deinem Training - Du wirkst fitter denn je, hast anscheinend noch einmal ein paar Pfund abgenommen. Was machst Du so alles?
Daniel Ricciardo: [lacht wieder] Hart arbeiten auf jeden Fall. Laufen, Radfahren, Schwimmen. Es ist nicht immer einfach bei unserem vollen Zeitplan, auch noch genügend Training reinzuquetschen, aber ich versuche, so viel zu machen wie geht. Das Cardio-Training ist wichtig, aber dann mache ich auch noch viel im Kraftbereich, Bauch- und Rückenmuskulatur, Schultern, Nacken...

Willst Du bald Jenson Button in einem Triathlon herausfordern?
Daniel Ricciardo: So schnell bestimmt nicht. Mir macht mein Training zwar Spaß, aber ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir genauso viel Spaß macht wie ihm.

Du kommst von der australischen Westküste, da solltest Du eigentlich auch der typische Surfer sein... Das ist aber auch so ein Klischee, das nicht ganz stimmt, oder?
Daniel Ricciardo: Ja - bis jetzt habe ich das noch nicht gemacht, weil ich dabei Angst vor Haien hätte. In der Beziehung bin ich ein bisschen feige. Das Problem ist, dass es die besten Wellen immer in Gebieten gibt, in denen auch schon Haie aufgetaucht sind, und das ist mir nicht geheuer. Vielleicht probiere ich es erst mal in einem Wellenpool in Dubai. Ich würde es eigentlich schon gerne mal machen, aber ehrlich gesagt, fühle ich mich grundsätzlich im Meer nicht so besonders wohl, auch nicht beim Schwimmen. Einerseits würde ich zum Beispiel vielleicht auch gerne mal tauchen gehen, aber andererseits ist das einfach nichts, was ich so als völlig natürlich und normal empfinde.

In welcher Beziehung bist Du denn ein typischer Australier?
Daniel Ricciardo: Ich trage gerne Tank-Tops, Shorts aller Art, Mützen falsch herum auf dem Kopf: ganz casual - nicht direkt Hippie, aber einfach nur locker. Ich denke, das ist typisch australisch.

Und Barbecues...
Daniel Ricciardo: Das auch, ja, auf jeden Fall. Überhaupt mag ich den Sommer, ich bin ein Sommermensch, werde dann auch ganz schnell tiefbraun.

Wenn Du dir Sebastian anschaust - ist der für dich typisch deutsch?
Daniel Ricciardo: Irgendwie schon, ja. Vor allem in seiner Arbeitsweise, seiner Einstellung. Ansonsten ist er auch sehr locker, freundlich, sehr normal - aber was die Arbeit angeht, ist er schon sehr fokussiert, kann auch ein Team führen, zusammen bringen. Und das ist, denke ich, schon der Eindruck, den viele Leute von ihm und von den Deutschen im Allgemeinen haben. Aber das ist absolut nichts Schlechtes, im Gegenteil: Das ist doch positiv, dass er so konzentriert bleibt, auch immer aufs Neue wieder viel vom Team fordert. Davon kann ich nur lernen.

Glaubst Du, dass diese Stärke von ihm auch Dir helfen kann, schneller ins Team hinein zu wachsen?
Daniel Ricciardo: Ja, ich denke schon. Wirklich wissen werden wir all diese Dinge erst in ein paar Monaten. Mark und Seb waren sehr unterschiedlich - und trotzdem ist das Team immer gut zurecht gekommen.

2014 erwartet Ricciardo bei Red Bull eine neue Herausforderung, Foto: Sutton
2014 erwartet Ricciardo bei Red Bull eine neue Herausforderung, Foto: Sutton

Wird es mit euch beiden leichter, auch weil ihr beide eher aus der gleichen Generation stammt?
Daniel Ricciardo: Kann sein, ja. Aber ich habe sicher noch sehr viel zu lernen. Ich werde ganz offen an die Aufgabe heran gehen, und wenn ich den Eindruck bekomme, dass es Dinge gibt, die ich besser anders machen sollte, dann werde ich mich anpassen.

Hast Du eigentlich schon mal Daten von Sebastian gesehen?
Daniel Ricciardo: Ja sicher, auch in der Zeit, in der ich bei Red Bull Testfahrer war. Aber über den Winter werde ich mich da jetzt sicher noch spezieller damit beschäftigen. Das ist alles offen, ich kann alles einsehen, was ich will.

Glaubst du, dass Du Sebastian auf Anhieb Paroli bieten kannst?
Daniel Ricciardo: Ich hoffe es. Ich will mich jetzt nicht festlegen, denn wenn ich jetzt etwas sage und dann klappt es nicht, dann stehe ich ja ziemlich dumm da.

Du glaubst also nicht, dass es etwas ganz Spezielles bei ihm und seiner Fahrweise gibt?
Daniel Ricciardo: Doch, ich denke schon, dass er sehr besonders ist. Aber ich habe das Selbstbewusstsein, zu glauben, dass auch ich etwas ganz Spezielles habe.

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