Red Bulls Saison 2013 in einem Wort: Dominanz. Oder, wie Sebastian Vettel in eigenen Worten sagen würde: pervers. Was das Weltmeister-Team in diesem Jahr ablieferte, war schlichtweg beeindruckend. Ab Mitte der Saison ließ Vierfach-Champion Vettel die Formel 1 zur sportlichen Langeweile verkommen und jagte von Sieg zu Sieg - am Ende waren es 13 und ein fast schon erschreckender Vorsprung auf den Rest des Feldes. Erfrischend: Wenn es dank der Eintönigkeit auf der Strecke kaum noch Spannendes zu berichten gab, sorgte Vettel auch off-track für unterhaltsame Geschichten. Dass er nebenbei auch noch Papa wird und sein Glück Monate lang verheimlichen konnte, ist das i-Tüpfelchen einer perfekten Saison.

Das Team: Was für Mercedes Brackley & Brixworth, ist für Red Bull Milton Keynes. Die Truppe rund um Teamchef Christian Horner predigte in dieser Saison wie kaum ein anderes Team das Kollektiv. Vettel wurde nimmermüde, seine eigenen Leistungen in den Hintergrund zu stellen und sich stattdessen, angefangen bei der Reinemachefrau bis hin zum Boxen-Mechaniker für das linke Hinterrad, nach jedem Erfolg bei seiner Mannschaft zu bedanken. Wieder einmal war es der Zusammenhalt, der Red Bull zur Spitze führte: Besitzer Didi Mateschitz tat alles, um die wichtigsten Säulen langfristig an Milton Keynes zu binden. Mit dem nötigen Kleingeld kein allzu schwieriges Unterfangen - und wer sollte schon das dominante Team der vergangenen Jahre freiwillig verlassen wollen?

Newey und Horner: Bausteine des Erfolges, Foto: Sutton
Newey und Horner: Bausteine des Erfolges, Foto: Sutton

Einen gab es aber doch, der hin und wieder für Schlagzeilen sorgte: Adrian Newey. Dem Hirn hinter dem RB9-Boliden wurden immer wieder Wechselabsichten angedichtet. Entweder wegen seiner Leidenschaft für Segelboote oder weil ihm angeblich die 2014er Regeln nicht gefallen - irgendeinen, oftmals angestaubten, Grund gab es immer. Fakt ist: Newey blieb und Newey bleibt bei Red Bull. Wo Erfolg ist, gibt es oft Neid. Wie oft musste sich Vettel während der Saison anhören, dass eigentlich das Auto und nicht er Weltmeister geworden sei. Newey als Übervater des Erfolges? Vettel grinste, Vettel schwieg, Vettel gewann und dürfte den einen oder anderen hämischen Kommentar hoch oben vom Podium nicht einmal gehört haben...

Das Auto: Der RB9. Das ewige Mysterium der Saison 2013. Gab es früher Zeiten, in denen Autos mit bestimmten Strecken-Layouts besser zurechtkamen, pflügte das Wunderauto schlichtweg durch jeden Kurs. Ob Highspeed-Tempel Monza oder Kurvengeschlängel Suzuka - der RB9-Bolide überzeugte auf so ziemlich jeder Strecke. Doch warum war das Auto der Konkurrenz zeitweise meilenweit überlegen? Eine Frage, die sich Experten auf aller Welt stellten - und keine eindeutige Antwort fanden. Gerade der Heckbereich des Boliden stand im Fokus, kein Auto konnte höheren Abtrieb entwickeln und wie auf Schienen durch die Kurven fahren. Dass das Wunderauto auf den Geraden konstant zu den langsamsten im Feld zählte, spielte eher bei Mark Webber eine Rolle, der oftmals Probleme hatte, sich aus dem vorderen Mittelfeld nach ganz vorn zu schieben. Vettels Weg stattdessen: schnell die Führung übernehmen, aus dem DRS-Fenster herausfahren und nie mehr zurückblicken. Der Plan ging auf.

Foto: Sutton
Foto: Sutton

Angesichts der Verzweiflung tauchten in italienischen Medien sogar Videos auf, die belegen sollten, dass der RB9 über eine Art Traktionskontrolle verfügt. Ein guter Anlass für Vettel, sich über diese Vermutungen mehr als einmal lustig zu machen und gleichzeitig ein guter für Red Bull, das Auto eigens angeordneten FIA-Prüfungen unterziehen zu lassen. Stark war das Auto bereits seit Saisonbeginn, doch der Reifenwechsel zur Mitte des Jahres spielte dem Team zusätzlich in die Karten. Der RB9 kam nicht nur gut mit der Kevlar-Karkasse parat, sondern hatte vor allem seinen größten Feind besiegt: starken Reifenabrieb, der den einen oder anderen Sieg hätte gefährden können.

Und doch gab es ein paar Schwachstellen am vermeintlichen Über-Auto, das eine konsequente Weiterentwicklung der erfolgreichen Vorgänger-Generationen darstellte: die Zuverlässigkeit. Vettel blieb zwar nur in Silverstone wegen eines Getriebeschadens liegen, doch bei Kollege Webber wurden vor jedem Rennstart Wetten darauf abgeschlossen, wann sein KER-System wieder streiken würde. Red Bull gelang es nicht, Webbers Auto auf den gleichen Stand zu bringen wie das seines dominanten Teamkollegen. Ein gefundenes Fressen für den einen oder anderen Schwarzmaler zu vermuten, dass Webber dieses Jahr auch technisch nur die zweite Geige im Team spielte - ein Vorwurf, der schon aus rein ökologischem Standpunkt völlig sinnlos war.

Die Fahrer: Der Begriff des Jahres: Multi 21. Nach dem Malaysia-Vorfall schien das Tischtuch zwischen Vettel und Webber endgültig zerschnitten. Gleichzeitig sorgte die Teamorder-Missachtung dafür, dass an Vettel eine völlig neue Seite hervortrat. Vergangen waren die Zeiten des braven Jungen, der nur Ja und Amen sagte. Die Welt war überrascht, nur einer nicht: Sebastian Vettel. Ob sympathisch oder nicht - am Ende stand der Erfolg. Gleichzeitig muss man Webber hoch anrechnen, wie souverän er mit dem äußerst kontroversen Vorfall umging. Er setzte sich nicht schmollend in die Ecke sondern erreichte, dass Red Bull die Teamorder schon nach dem zweiten Rennen des Jahres kippte.

Respekt statt Freundschaft, Foto: Sutton
Respekt statt Freundschaft, Foto: Sutton

Wieder einmal zeigte sich, dass sich Vettel in den vergangenen Jahren keinen besseren Teamkollegen hätte wünschen können. Webber forderte ihn bis aufs Letzte, schenkte dem Deutschen nichts, agierte auf der Strecke aber nie dumm. Beste Freunde werden die beiden sicherlich nicht, aber - und das ist das Wichtigste - sie respektierten und pushten sich gegenseitig immer weiter. Und dann gab es noch eine weitere Angelegenheit, die Vettel mehr Profil verschaffte: die berüchtigte Eier-in-den-Pool-Affäre. Ob gewollt oder nicht - der 26-Jährige machte mit seinem Spruch deutlich klar, wie Alphatiere ticken, die in erster Linie den Erfolg wollen. Die Folge war ein Konzert an Buh-Rufen - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen - und wieder einmal ließ Vettel seine menschliche Seite aufblitzen, als er nach dem Saisonende einräumte, darunter gelitten zu haben.

Fazit: Die sportlichen Erfolge von Red Bull lassen sich an unzähligen Statistiken ablesen. Weniger augenscheinlich ist der interne Prozess, den das Team in der Saison 2013 durchlief. Allein der Zwist zwischen den beiden starken Charakteren Vettel und Webber hätte mehrmals eskalieren und die Mannschaft zurückwerfen können. Doch der Führungsetage gelang es geschickt, das Kollektiv zu wahren: frühe Abschaffung der Teamorder, Rückendeckung auch für Webber und klare Bekenntnisse der wichtigsten Säulen zum Team, um keine Unruhe aufkommen zu lassen. Vettel wurde nicht nur sportlich noch stärker, sondern durchlief auch einen Reifeprozess, der ihm die nötige Souveränität verlieh. Und Webber? Niemand betrachtet seinen Abschied aus der Formel 1 als Flucht vor dem starken Teamkollegen, sondern rechnet ihm die Suche nach einer neuen Herausforderung im gehobenen Alter hoch an. Besser geht es eigentlich nicht.