Die neue Punktevergabe beim Saisonfinale sorgt für einen Aufschrei bei den Fans. Deine Meinung zu der Regeländerung?
Christian Danner: Meiner Ansicht nach ist diese Regeländerung hirnverbrannt. Wenn die Formel 1 keine anderen Probleme hätte, dann hätte ich gesagt: Okay, man wollte etwas Neues versuchen. Aber es gibt aktuell dringendere Probleme, die sowohl das technische als auch das sportliche Reglement betreffen, inklusive Budgetgrenze, politische Strukturen innerhalb der Formel 1 usw. Ich habe für solche Spielereien nichts übrig. Für mich ist Abu Dhabi ein Grand Prix von 19 und ihn doppelt zu bewerten, ist eine überflüssige Maßnahme, einen tollen Wettbewerb künstlich zu beeinflussen.

Vor allem, wenn man bedenkt, dass mit dieser Regeländerung in die WM eingegriffen wird. In der Vergangenheit hätte das bedeutet, dass Niki Lauda 1984 keinen Titel geholt hätte, genauso wenig wie Jochen Rindt 1970.
Christian Danner: Ich sage es noch einmal: Als hätte die Formel 1 keine anderen Sorgen. Es hätte so viele andere wichtige Dinge gegeben.

Siegt hier der Kommerz über den Sport?
Christian Danner: Ein Nachtrennen in Abu Dhabi zum Saisonabschluss ist schon eine tolle Sache. Es wird seine Gründe haben, dass Abu Dhabi den Vorzug vor Brasilien bekommen hat. Dennoch würde ich sagen, dass es die FIA übertrieben hat, indem sie versucht, Abu Dhabi zum Superbowl der Formel 1 hoch zu stilisieren. Es ist 1 von 19 Rennen und als letztes Rennen kann es titelentscheidend sein. Ich halte es für ungut, da eine künstliche Veränderung bewirken zu wollen.

Saisonfinale in Abu Dhabi, Foto: Sutton
Saisonfinale in Abu Dhabi, Foto: Sutton

Würdest du sagen, dass die FIA durch die Dominanz von Vettel und Red Bull zu einer Reaktion gezwungen war?
Christian Danner: Es gibt sicherlich mehrere Gründe. Abu Dhabi hat schlichtweg Geld auf den Tisch gelegt - das ist eine Möglichkeit. Eine andere Möglichkeit ist, dass man versucht hat, eine Regelung einzuführen, die verhindert, dass ein Team überlegen gewinnt - entweder Vettel/Red Bull oder Ferrari/Alonso, wer weiß schon, wer nächstes Jahr dominieren wird. Meiner Meinung nach ist das der falsche Denkansatz.

Wie würde der richtige Denkansatz aussehen?
Christian Danner: Es geht darum die Finanzen so einzubremsen, dass es nicht nur einen, sondern zehn Titelfavoriten gibt, die bis zum Schluss auf Augenhöhe miteinander kämpfen. Wenn man das Problem nicht löst, indem man die Eskalation nach oben durch eine Budgetgrenze eindämmt, dann wird sich nichts ändern. Mit solch künstlichen Maßnahmen Spannung zu kreieren, ist der falsche Weg. Besser wäre es, wenn künftig Auto gegen Auto fahren würde - und am Schluss gewinnt der Beste. Da muss man nicht künstlich eingreifen.

Der falsche Denkansatz

Die Budgetgrenze wird von den kleinen Teams schon lange herbeigesehnt. 2015 soll sie in Kraft treten, aber wie groß siehst du die Chance, dass es tatsächlich dazu kommt?
Christian Danner: Ich will erst wissen wie diese Budgetgrenze formuliert ist und welche Schlupflöcher es gibt. Dann sage ich dir, was ich davon halte. Jetzt ist der Kopf gefragt.

Eine weitere Änderung sind die Startnummern, die künftig von den Fahrern frei gewählt werden dürfen.
Christian Danner: Ich finde, dass die Persönlichkeit eines Fahrers durch das Helmdesign gezeigt wird. Es gibt unseren Vierfach-Champion Sebastian Vettel, der gern seine Helme alle zwei Wochen verändert - das ist sein Bier. Für mich war es immer eine Identifikationsmöglichkeit. Diese Startnummer-Thematik ist aus Amerika zu uns herüber geschwappt. Dort wird ähnlich wie im Fußball über die Starnummer Merchandising verkauft, was ihnen sehr viel Geld in die Kassen gespült hat. An einem F1-Auto musst du die Startnummer sowieso mit der Lupe suchen, somit bin ich der Meinung, dass dieser Beschluss für die Formel 1 nicht so wichtig gewesen ist. Ich bin weder dafür noch dagegen, halte es aber für eine reine Merchandising-Angelegenheit.

Was würdest du sagen: wie krank ist die Formel 1?
Christian Danner: Für die Teams ist es nicht mehr möglich kostendeckend zu arbeiten, ohne dabei ein Hinterbänkler-Team zu werden. Alles, was über 50, 60 Millionen geht, ist nicht mehr kostendeckend. Deswegen halte ich die Formel 1 schon für krank. Es gab immer reiche und arme Teams, aber letztlich war es einem Mittelfeldteam immer möglich den Anschluss zur Spitze zu halten. Es kann nicht sein, dass ein Team wie Lotus um Platz zwei in der Konstrukteurswertung fährt und aus diesem Grund fast pleitegeht oder besser gesagt, wo man ächzt und krächzt, wo man Löhne später zahlen muss. Ein Team, das so erfolgreich ist, muss von der Struktur her so durchfinanziert sein, dass man bei professioneller Arbeit kostendeckend arbeiten kann. Ich spreche hier gar nicht von einem Profit, sondern nur von kostendeckender Arbeit.

Die Geldproblematik zeigt sich auch am Fahrermarkt.
Christian Danner: Mir stellt sich da die Frage: Wie kann McLaren auf die Idee kommen, einen Kevin Magnussen einzustellen anstatt einem Nico Hülkenberg das Cockpit zu geben? Wie kann es sein, dass bei vielen Teams eine Situation herrscht, dass sie einem Fahrer 15 oder 20 Millionen bezahlen wie im Fall von Kimi und auf der anderen Seite hinten raus kaum über das Jahr kommen. Da stimmt etwas nicht. Ich habe kein allzu großes soziales Mitleid mit den Fahrern, denn die kommen schon über die Runden. Die Problematik ist, dass die Strukturen der Teams wanken. Sie müssen für die Technik so viel Geld ausgeben, damit sie überhaupt konkurrenzfähig sind, dass sie kein Geld mehr dafür haben, worum es eigentlich geht - und zwar den Fahrer. Dort müssen sie Kompromisse eingehen. Aber warum muss ein Team für einen Motor um die 15 Millionen pro Jahr ausgeben? Der Fan an der Strecke würde auch mit einem Motor, der fünf Millionen kostet, genauso gut zurechtkommen. Ein gesundes F1-Team kann sich den Fahrer aussuchen, das sind Red Bull, Toro Rosso, Ferrari und Mercedes. Das war's dann auch. Die Sportbehörde versäumt es leider immer wieder dem Ganzen den Riegel vorzuschieben.