Die Wolken hängen schon wieder, oder immer noch, tief über der Rennstrecke von Interlagos - die Wahrscheinlichkeit, dass es während des Rennes zumindest immer wieder mal leicht feucht wird, ist hoch. Da würden sich dann viele in der Formel 1 wohl einen Reifen wünschen, den es hier noch nicht gibt - den aber Michelin in der WEC schon eingeführt hat und der dort zum Beispiel in Le Mans, wo ja dieses Jahr auch Wetterchaos herrschte, schon erfolgreich eingesetzt wurde.

Das 'Wunderteil' ist ein profilloser Intermediate – oder umgekehrt, ein Slick mit Intermediate-Eigenschaften. Wie das funktioniert, erklärt Michelin-Motorsport-Direktor Pascal Couasnon: "Die Idee hinter dem Hybrid-Slick, wie wir ihn nennen, ist, dass es vereinfacht gesagt, drei grundsätzliche Streckenzustände gibt. Komplett trocken – dann gibt es keinerlei Probleme in der Haftung zwischen dem Reifen und der Straße. Das andere Ende der Skala hat man, wenn sehr viel Wasser da ist – so viel, dass es eine Schicht zwischen dem Reifen und der Straße bildet. Dann muss man das Wasser irgendwie wegbringen. Dann braucht man einen Profilreifen, der sorgt dafür, dass das Wasser quasi weggeschoben wird und abfließen kann. Kritisch sind die Verhältnisse dazwischen. Dann, wenn man nur einen ganz dünnen Wasserfilm hat, so wenig, dass das Auto nicht aufschwimmen würde, dass der Reifen noch Kontakt mit der Straße entwickeln könnte."

Was man bei Michelin jetzt entwickelt hat, ist ein ganz spezieller Gummi, der diesen Kontakt sehr schnell aufbaut: "Weich, auch chemisch anders aufgebaut, eine ganz spezielle Mischung... Weich genug, um den Kontakt mit der Straße herzustellen, sich dort sozusagen anzuschmiegen, aber nicht zu weich, so dass er sich nicht zu schnell abnutzt oder Grip verliert."

Reifentechnisch gesehen ist das schon eine kleine Revolution. Denn bei einem klassischen, profilierten Intermediate, dessen Oberfläche zu 30 Prozent Lücken aufweist, werden ja nur 70 Prozent der Gesamtauflagefläche tatsächlich genutzt. Weniger Auflagefläche, weniger übertragene Kraft, weniger Grip, weniger Speed – die Rechnung ist ziemlich einfach. "Mit unserem Reifen können wir 100 Prozent nutzen. Als unsere Fahrer das zum ersten Mal ausprobiert haben, waren sie schon sehr überrascht." Der Zeitgewinn pro Runde beträgt bei leicht feuchter Strecke gegenüber einem normalen Intermediate mehrere Sekunden, "wir sind nicht weit weg von der Performance eines Slicks im Trockenen."

Und der zweite Vorteil: Man kann sich bei wechselnden Bedingungen möglicherweise mehrere Reifenwechsel sparen – der 'Hybrid Slick' hält bei abtrocknender Strecke viel länger, passt dann aber auch noch, wenn es wieder leicht zu regnen anfängt...