Fernando Alonso vs. Jean-Eric Vergne - ein ungewohntes Duell, das in der Nacht von Abu Dhabi für viele Diskussionen sorgte. Der Ferrari-Pilot kam nach seinem zweiten Boxenstopp direkt neben dem Toro Rosso aus der schwierigen Boxenausfahrt. Der Franzose konnte Alonso jedoch nicht sehen und drängte ihn deshalb neben die Strecke - dort überholte ihn der Doppelweltmeister. Die Rennkommissare untersuchen den Vorfall und sprachen keine Strafe für Alonso aus.

Warum wurde Alonso nicht bestraft?

Alonso verschaffte sich durch das Verlassen der Strecke in Kurve 3 einen Vorteil und verstieß damit gegen Art. 20.2 des Sportlichen Reglements. Die Rennkommissare des Abu Dhabi GP sahen jedoch von einer Bestrafung ab, weil sie davon ausgehen, dass Alonso keine andere Wahl hatte, als die Bahn zu verlassen, um Vergne auszuweichen. Die Telemetriedaten beweisen, dass Alonsos deutlich schneller war auf seinen neuen Option-Reifen als Vergne auf den gebrauchten Pneus. Die Stewards waren sich einig, dass keiner der beiden Fahrer den Zwischenfall hätte vermeiden können und auch keiner von ihnen einen Vorteil dadurch erlangte.

Wie erlebten die Beteiligten die Situation?

Alonso hatte sich das Überholmanöver ganz anders vorgestellt. Er wollte eigentlich hinter Vergne aus der Box kommen und ihn dann mittels DRS überholen - um das Risiko eines Konters zu vermeiden. "Der DRS-Auslöser ist in Kurve vier und ich hätte ihn dann mit guter Traktion von den neuen weichen Reifen überholen können", so Alonsos ursprünglicher Plan. "Aber wir waren nebeneinander und deshalb musste ich neben die Strecke ausweichen."

Vergne sah keine Schuld beim Spanier. "Es war ein Rennzwischenfall und wenn er nicht neben die Strecke gefahren wäre, hätten wir einen heftigen Unfall erlebt", so der Toro-Rosso-Fahrer. "Das war eine High-Speed-Stelle und er hat richtig reagiert." Die Entscheidung der Stewards, Alonso nicht zu bestrafen, ist aus Vergnes Sicht also richtig gewesen. "Ich sah ihn nicht und dachte, dass er vor mir sein würde, aber dann war er auf einmal neben mir."

Was war das Besondere an Alonsos Ausritt?

Der Ausflug des Spaniers neben die Strecke sorgte für einen heftigen Sprung des Ferrari mit der Startnummer 3. So heftig, dass die Warnleuchte für einen schweren Einschlag ausgelöst wurde, die eigentlich bei 15g ausgelöst wird und zwangsläufig einen Besuch im Medical Centre nach sich zieht. "Ich habe noch alle meine Zähne", scherzte Alonso hinterher. "Ich habe Rückenschmerzen, denn es war ein harter Schlag. Aber ich werde für Austin fit sein."

Was sagen die Experten?

Anders als die Stewards sieht Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner den Fall klar: Alonso hätte in seinen Augen bestraft werden müssen. "Alonso hat es in Kauf genommen, die Strecke zu verlassen, um ein Überholmanöver zu starten", so Danner. Die Regeln seien dabei klar: "Man darf die Strecke nicht mit allen vier Rädern verlassen, schon gar nicht, um sich einen Vorteil zu verschaffen."

Als Strafe wären während des Rennens eine Durchfahrtsstrafe oder eine 10-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe in Frage gekommen. Nach Rennende hätten die Stewards dies in eine 20-Sekunden-Zeitstrafe umwandeln können. "Man kann den Fuß auch vom Gas nehmen", meinte Danner. "Wenn wir aus Sicherheitsgründen keine asphaltierte Strecke mit flachen Kerbs hätten, dann wäre Alonso im Kiesbett gelandet und das wäre dann ein Totalschaden gewesen. Deshalb sage ich: man darf bei einem Überholmanöver nicht miteinbeziehen, dass man die Strecke verlässt und aus!"

Niki Lauda beurteilte die Situation nicht ganz so eindeutig. "Das war brutal hart, ein Grenzfall", meinte der Österreicher, der Alonsos erste Reaktion aber nicht nachvollziehen konnte. Darin forderte der Spanier eine Strafe für Vergne, weil dieser ihm keinen Platz gelassen habe. "Alonso baut sich seine Welt, wie es ihm gefällt", kritisierte Lauda. "Vergne war vorne und somit muss Alonso vom Gas gehen. Es gibt einfach Situationen, in denen der Fahrer vom Gas gehen muss, um nicht nach dem Rennen zu den Stewards zu müssen."