Schlussspurt in der Formel 1! In Abu Dhabi steigt das drittletzte Rennwochenende der Saison. Ganz oben bleibt alles beim Alten, Red Bull fährt der Konkurrenz weiter um die Ohren. Dahinter prügeln sich Lotus und Mercedes um die Verfolgerrolle, wobei Enstone derzeit ganz andere Probleme hat. Ferrari sackt immer weiter ab, dafür kehrt ein altbekanntes Team in den Kreis der Favoriten zurück. Motorsport-Magazin.com erklärt, welche Top-Teams die besten Chancen auf dem Yas Marina Circuit haben.

Red Bull

Da waren sie wieder, die zwei Probleme der Formel 1: Sebastian Vettel und Mark Webber. Die beiden Red Bulls gaben in Abu Dhabi erwartungsgemäß den Ton an und platzierten sich im 2. Training auf den Plätzen eins und zwei. Lewis Hamilton hatte als bester Nicht-Red-Bull 0,35 Sekunden Rückstand. Kaum jemand glaubt, dass Vettel seine beeindruckende Siegesserie in Abu Dhabi nicht fortsetzen wird. Es wäre der siebte Erfolg des Weltmeisters in Folge sowie der dritte auf dem Yas Marina Circuit. Wer soll Red Bull im Saisonendspurt eigentlich noch gefährlich werden? Vettel wagte einen Versuch: "Lotus ist außerordentlich schnell. Sie können zu einem späteren Zeitpunkt während der Stints eine starke Pace gehen. Darauf müssen wir ein Auge haben."

Red Bull hat den Tunnelblick, Foto: Sutton
Red Bull hat den Tunnelblick, Foto: Sutton

Der Formel 1 droht weiter Vettelsche Langeweile, der Heppenheimer ist völlig dominant. Passiert in Abu Dhabi nichts völlig Kurioses - Stichwort: Qualifying-Disqualifikation 2012 - sollte der Weg zum Sieg erneut nur über Vettel führen. Vielleicht auch Webber, sollte der ausnahmsweise einmal ein problemfreies Rennen erleben. Vettel macht auf jeden Fall keine Anstalten, für Spannung sorgen zu wollen und andere gewinnen zu lassen. "Nicht wirklich", sagte er. "Das ist zumindest nicht unser Plan. Seit der Sommerpause haben wir einen guten Lauf, es gibt aber keine Garantie, dass der in den letzten drei Rennen anhält. Sollte das aber der Fall sein, werden wir natürlich versuchen zu gewinnen."

Lotus

Bei Lotus rückte das Sportliche am Freitag fast vollständig in den Hintergrund. Kimi Räikkönen kam (verspätet), fuhr und drohte. "Ich bin nur hier, weil ich hoffe, dass wir eine Lösung für gewisse Probleme gefunden haben", sagte er. Rumms! Das Tischtuch zwischen dem Finnen und Lotus scheint inzwischen vollständig zerschnitten, selbst ein Boykott der letzten beiden Rennen scheint möglich. Räikkönen lieferte die Geschichten des Tages abseits der Strecke, machte aber auch im Auto eine ordentliche Figur. Am Freitag kehrte der Eismann auf die E21-Variante mit dem kurzen Radstand zurück, während Teamkollege Romain Grosjean erneut die lange Variante wählte. "Das kürzere Chassis fühlt sich hier in Ordnung an", sagte Räikkönen nach Platz vier im 2. Training. "Ich konnte aber keinen back-to-back Test mit der langen Version fahren, deshalb ist es schwer zu sagen, welche Variante besser ist."

Grosjean ist on fire, Foto: Sutton
Grosjean ist on fire, Foto: Sutton

Grosjean landete im 2. Training nur auf Platz zwölf. Ein Resultat ohne Aussagekraft allerdings, weil während der Session seine Bremsscheibe brach, er dadurch viel Zeit verlor und seine schnellste Runde nur auf dem deutlich langsameren Medium-Reifen erzielte. Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner war dennoch beeindruckt: "Grosjean ist 1:43.6 mit harten Reifen gefahren. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Nicht schlecht, Herr Specht!" Grosjean hat sich inzwischen zu 'Mister Podium' gemausert und sollte auch in Abu Dhabi bei der Musik sein. Bei Räikkönen bleibt nach den Querelen der vergangenen Tage abzuwarten, wie sehr er sich auf das Rennfahren konzentrieren wird...

Mercedes

'Best of the rest'. Dieses Ziel hat Mercedes für den Großen Preis von Abu Dhabi ausgegeben. Red Bull erscheint unantastbar, doch dahinter ist Luft für einige Kandidaten - darunter auch die Silberpfeile. Mit den Plätzen drei und fünf lieferten Lewis Hamilton und Nico Rosberg einen Vorgeschmack auf die Stärke des Autos auf dem Yas Marina Circuit. Im Qualifying am Samstag könnte das Duo sogar ganz vorne bei der Musik sein, ein Platz in der ersten Startreihe scheint durchaus im Bereich des Realistischen. Nach Rosbergs zweitem Platz in Indien ist auch im Rennen wieder mit Mercedes zu rechnen. Hamilton kam nicht an Felipe Massa vorbei und somit nicht über Platz sechs hinaus. Überstehen beide Autos diesmal schadlos die 55 Runden, könnte es wieder Grund zum Jubeln geben.

Mercedes wieder voll bei der Musik, Foto: Sutton
Mercedes wieder voll bei der Musik, Foto: Sutton

Rosberg malte sich sogar eine weitere Top-Platzierung aus, sollte Webbers Pleitenserie anhalten. "Wenn er so viel Pech hat wie in den vergangenen Rennen, dann kann ich wieder hinter Vettel Zweiter werden", glaubte er. Vorteil Mercedes: Ferrari macht auf der Zielgeraden schlapp, die Vize-Meisterschaft in der Konstrukteurswertung rückt in greifbare Nähe. Aktuell haben die Silberpfeile vier Punkte Vorsprung auf die Scuderia. Hält der aktuelle Trend an, bahnt sich eine Vorentscheidung bei den Herstellern an - es wäre endlich das zählbare Resultat, nachdem sich Mercedes seit so vielen Jahren sehnt.

McLaren

Willkommen zurück bei den Favoriten, McLaren! Seit einer gefühlten Ewigkeit hatten die Chrompfeile nichts mehr mit der Spitze zu tun, doch in den vergangenen Wochen schnupperte die Truppe Morgenluft. Das Auto hat einen sichtbaren Schritt nach vorn gemacht - mit wenig Updates, aber viel Verständnis - zuletzt setzte Sergio Perez mit Platz fünf in Indien ein Ausrufezeichen. Nur das Pech klebt dem Team noch ein wenig an den Reifen, sonst wären die Resultate einiges besser gewesen. In Abu Dhabi nahmen Perez und Jenson Button den Platz von Ferrari ein und spielten vierte Kraft hinter Red Bull, Mercedes und Lotus. Zu Vettels Bestzeit fehlten gerade einmal 0,7 Sekunden - immer noch eine Menge, aber ein Quantensprung im Vergleich zur ersten Saisonhälfte.

McLaren: Heimlich zurück Richtung Spitze, Foto: Sutton
McLaren: Heimlich zurück Richtung Spitze, Foto: Sutton

Vor allem Perez grinste nach den Trainings wie ein Honigkuchenpferd. "Normalerweise müssen wir von Freitag auf Samstag immer sehr viel an der Balance des Autos verändern", sagte er. "Ich glaube, das müssen wir diesmal nicht." Der McLaren-Neuling hatte sich immer darüber beschwert, an den Rennwochenenden kaum Zeit zu haben, sich ans Verhalten seines Autos zu gewöhnen - jetzt läuft es wesentlich geschmierter. "Wir sollten im Qualifying auf jeden Fall ins Q3 kommen", war Perez zuversichtlich. Kollege Button war ebenfalls zufrieden, hatte im Training aber ein kleines Problem: "Wir dachten, dass wir uns einen Bremsplatten eingefangen haben, aber es stellte sich als Sensorfehler heraus."

Ferrari

Es sieht nicht gut aus für die Roten, gelinde gesagt. Felipe Massa und Fernando Alonso schafften so gerade eben den Sprung unter die besten Zehn im zweiten Training, begünstigt durch die Probleme bei Romain Grosjean. Felipe Massa fasst es zusammen: "Momentan bin ich nicht zufrieden mit dem Fahrverhalten des Autos und wir sind weit davon entfernt, so konkurrenzfähig zu sein wie angenommen." Kein Setup hat funktioniert, weder bei Sonne noch bei Dunkelheit. Der Rückstand auf Red Bull beläuft sich auf etwa eine Sekunde.

Dunkle Zeiten bei Ferrari, Foto: Sutton
Dunkle Zeiten bei Ferrari, Foto: Sutton

Gerade im Zweikampf mit Mercedes um die zweite Position in der Konstrukteurs-WM sinken die Chancen wie die Sonne am Sonntag im Rennen im Emirat: "Wir waren Zweite in der Meisterschaft dank einiger guter Rennen von Felipe und mir", beschwert sich Alonso. "Aber sie verbessern sich jetzt und finden die Konstanz, die ihnen im ersten Teil der Saison fehlte. Daher verlieren wir Punkte, aber wir werden hart kämpfen." Die Tifosi können nur auf ein Abstimmungs-Wunder hoffen, doch diese Hoffnung ist auch alles, was dem Doppelweltmeister bleibt: "Hoffentlich finden wir morgen etwas am Setup."