Sebastian Vettel liebt den indischen Grand Prix - und der Grand Prix scheint ihn zu lieben: Seit das Rennen hier 2011 zum ersten Mal ausgetragen wurde, hieß der souveräne Sieger jedes Mal Vettel, der auch jede einzelne Rennrunde, die hier gefahren wurde, in Führung lag. Jetzt soll er ihm also den vierten WM-Titel einbringen, und Vettel wird die Titelentscheidung sicher nicht absichtlich noch ein bisschen hinausschieben, nur weil es sich in einer Woche in Abu Dhabi vielleicht besser feiern lässt - auch wenn ihm sein hessischer "Landsmann" Timo Glock kürzlich genau dazu riet.

Erstens sagt er ja immer, es sei ihm letztlich egal, wo und wann er Weltmeister werde, Hauptsache überhaupt, zweitens hat gerade er ja mit Indien, dem Land, den Leuten, überhaupt keine Probleme, im Gegenteil: Er war hier schon 2011 auch ein bisschen abseits der Strecke unterwegs, beschäftigte sich mit den Menschen, der Kultur - ließ sich auf das Land, auch auf seine Widersprüche und Probleme, ein - und erntete dafür sehr viel Sympathie.

Aber bei allen positiven Verbindungen - es wäre allerdings auch ein Titelgewinn an einem Ort, an dem die Formel 1 wohl nur ein kurzes Zwischengastspiel gab, an dem es ihr nicht gelang, sich zu etablieren, wirkliches Interesse und Begeisterung zu wecken. Nur 20.000 Karten sind in diesem Jahr für den Sonntag bisher verkauft - die Wahrscheinlichkeit, dass die WM-Feier für Vettel und Red Bull vor leeren Tribünen stattfindet, ist groß.

"Dabei dürfte es eigentlich gar kein Problem sein, hier 100.000 Leute an die Strecke zu bringen", sagt Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn, die ja indische Wurzeln hat und mit den lokalen Verhältnissen bestens vertraut ist. "Aber irgendwie haben wir es nicht geschafft, das Interesse, das im ersten Jahr, als wir hier waren, durchaus da war, weiter zu entwickeln, darauf aufzubauen." Dass es daran liege, dass die Formel 1 für die breite Masse der Inder einfach viel zu weit von der normalen Lebenswirklichkeit entfernt und auch viel zu teuer sei, lässt sie nicht gelten: "Wir sind auch in anderen Ländern nicht unbedingt ein Sport für die große Masse. Und die entsprechende Schicht von Leuten, die die Formel 1 ansprechen könnte, wäre schon da..."

Allzu viele Fans gibt es in Indien nicht, Foto: Sutton
Allzu viele Fans gibt es in Indien nicht, Foto: Sutton

Die ständigen internen indischen Streitigkeiten zwischen lokalem Veranstalter und Regierung, die sich auch in ausufernder Bürokratie für alle Beteiligten, vor allen für die Teams, Visaproblemen und nicht zuletzt dem unsäglichen Steuerstreit, der ja sogar zu einer inzwischen abgewiesenen kurzfristigen Klage gegen die Austragung des Rennens vor dem Obersten Gerichtshof Indiens führte: All das trägt natürlich auch nicht dazu bei, die Akzeptanz des Events im Land einerseits und das Interesse der Formel 1, nach der schon angekündigten Pause 2014 noch einmal wieder zu kommen, andererseits, zu erhöhen.

Was die Einschätzung der Formel 1 in der indischen Öffentlichkeit betrifft, kommt noch etwas dazu: Die direkteste Verbindung des Landes zur Formel 1 ist natürlich das Force India-Team von Vijay Mallya. Und der hat in Indien selbst kein besonders gutes Image, wird sehr kritisch betrachtet, weil er einerseits seinen Reichtum gern sehr offen zur Schau stellt, immer wieder ausschweifende Partys feiert - während andererseits seine Fluglinie Kingfisher Pleite machte und die Beschäftigten dort monatelang nicht bezahlt wurden. Sein Sohn gilt als einer der größten Playboys des Landes, dass sich Mallya offenbar wenig bis gar nicht im Bereich Charity engagiert, wird ihm auch vielerorts vorgeworfen.

Was alles dazu beiträgt, dass auch das Image der Formel 1 in Indien insgesamt bei vielen nicht so wirklich positiv ist. Wenn man mit sich in Delhi und Umgebung mit "Otto Normalbürger" unterhält, mit Leuten, die mit dem Rennen nichts zu tun haben, merkt man: Bei denen, die mit dem Begriff Formel 1 überhaupt etwas anzufangen wissen, herrscht zum Teil schon der Eindruck vor, dass da vor allem ein paar ganz reiche Leute zu ihrem Privatvergnügen Geld zum Fenster hinaus werfen würden... Daran kann auch ein Sebastian Vettel nichts ändern.