Kimi Räikkönen gerät in seinen letzten Rennen für Lotus immer weiter in Bedrängnis. War der Finne eineinhalb Jahre lang die klare Nummer 1 in Enstone, rückte ihm Teamkollege Romain Grosjean zuletzt immer weiter auf die Pelle. Vorbei sind die Zeiten des als verrückt abgestempelten Piloten, der vor allem durch Unfälle und Startkollisionen auf sich aufmerksam machte. Grosjean setzte sich in sechs der vergangenen acht Qualifyings gegen Räikkönen durch und war in Japan der einzige, der in der Liga der Red Bulls fuhr. Konsequent wurde Grosjean mit seinem zweiten Podiumsplatz in Folge belohnt.

Beobachter und Fans rätselten: Hat Räikkönen vor seiner bevorstehenden Rückkehr zu Ferrari keine Lust mehr oder machen ihm etwa die Rückenschmerzen zu schaffen? Nur wenige sahen, dass Grosjean, der inzwischen mehr als 40 Grands Prix auf dem Buckel hat, zum einen einen gewaltigen Sprung in seiner Entwicklung gemacht und zum anderen sehr gut mit den überarbeiteten Pirelli-Reifen zurechtkommt. Der Reifenlieferant hatte zum Großen Preis von Ungarn nach zahlreicher Kritik noch einmal Hand an die Reifen angelegt und die aktuellen Gummimischungen mit den Reifenkarkassen von 2012 kombiniert - ab diesem Zeitpunkt ging es für Grosjean konsequent aufwärts.

Motorsport-Magazin.com hatte schon in Budapest entdeckt, dass Räikkönen größere Schwierigkeiten im Umgang mit den Pirellis hat - daran hat sich bislang nichts geändert. "Er mag das Gefühl an der Front nicht", räumte Lotus-Ingenieur Alan Permane nun in Suzuka ein. "Er mag den Lenkeinschlag nicht, er ist ihm nicht scharf genug. Aber wenn man versucht, es noch weiter zu schärfen, verliert man das Heck." Die Reifenänderung habe Räikkönen nicht gerade geholfen, doch er werde sich schon noch damit anfreunden, versicherte Permane.

Der Finne lenkt im Vergleich zu Grosjean eher langsam ein, erhält dabei mit den neuen Reifen Untersteuern, lenkt weiter ein und kommt über das Limit hinaus. Diese Probleme waren bei Räikkönen ab der ersten Runde im Freien Training in Ungarn zu sehen - Quersteher und Rallye-Drifts als Resultat. "Kimi ist ein Fahrer, der normalerweise fühlen kann, was passiert, aber das Auto war deutlich unruhiger und er hatte mehr Untersteuern als Romain", erklärte der ehemalige Formel-1-Pilot Johnny Herbert im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Wenn du Untersteuern hast, musst du kämpfen, den Kurvenscheitelpunkt noch zu erwischen. Und dann kriegst du schnell Übersteuern."

Räikkönens Reifen-Schwäche kam vor allem in den Qualifyings ans Tageslicht, wo in jeder Kurve alles passen muss für eine gute Rundenzeit. In den Rennen überzeugte der frühere Weltmeister hingegen mit Grund-Speed sowie seiner Renn-Intelligenz und konnte schwache Leistungen in den Zeittrainings verschmerzen. "Im Renn-Modus kommt Kimi gut mit den Reifen klar", sagte Permane. Mit Aufholjagden aufs Podium in Singapur und Korea von den Startplätzen 13 beziehungsweise 9 stellte Räikkönen dies eindrucksvoll unter Beweis. Das klappt allerdings nicht in jedem Rennen, siehe Suzuka mit Platz fünf.

"Man kann sich nicht auf das Safety Car verlassen, um starke Rennen von dort hinten abzuliefern", gab auch Permane zu. "Man muss sich höher qualifizieren und dabei hat er Schwierigkeiten." In Suzuka lief es etwas besser beim künftigen Ferrari-Piloten, auf Teamkollege Grosjean fehlten etwa drei Zehntelsekunden. "Aber drei Zehntel bedeuteten fünf Startplätze", so Permane.