Glaubst du, dass Red Bull verschiedene Strategien eingesetzt hat, um Sebastian nach vorne zu bringen?
Christian Danner: Nein, ich glaube nicht, dass man Mark bewusst geopfert hat oder überhaupt irgendwie Regie geführt hat. Erstens haben sie es gemacht, um Grosjean zu packen und damit er nicht da vorne allzu lange allein herumfährt und man am Schluss nicht mehr an ihm vorbeikommt. Sie hatten zwei Autos, mit denen sie strategisch spielen konnten - und Red Bull hat das sehr geschickt gemacht. Was geholfen hat, ist die Tatsache, dass Webber immer mehr Reifen braucht als Vettel. Deswegen war die logische - und auch die für Red Bull liebste - Variante, Webber auf drei Stopps und Vettel auf zwei zu stecken. Der Doppelsieg war nicht nur eine Leistung der Fahrer, sondern auch der Strategieabteilung. Sicherlich mussten die Fahrer gute Arbeit leisten, aber die Strategie hat auch sehr gut funktioniert - das gilt allerdings auch für Lotus.

Was sagst du zur Lotus-Leistung?
Christian Danner: Die Leistung heute hat gezeigt, dass dieses kleine Team aus Enstone, wobei so klein ist es auch nicht, die härtesten Red Bull-Verfolger momentan sind. Da gibt es kein Mercedes oder Ferrari mehr, denn eines ist klar: noch eine Runde und dann wäre Kimi auch an Alonso vorbei gewesen.

Zurück zu Red Bull - wenn das Team noch eine Schwachstelle hat, dann sind es die Starts, oder?
Christian Danner: Es ist schon erstaunlich, dass dieses Mal auch Sebastian den Start komplett verhaut hat. Das zeigt mir, dass Red Bull, was die Programmierung des Motormappings, des Gaspedals, der Kupplung usw. betrifft, am Limit agieren. Das heißt, wenn es klappt, dann starten sie auch sehr gut, aber es kann auch in die falsche Richtung gehen. Bis jetzt ging der Start immer bei Webber in die Hose, aber heute ging es ganz klar auch bei Vettel in die Hose. Deshalb muss Red Bull das analysieren, denn in einem echten Kampf kann man sich das nicht leisten.

Auf wessen Kappe geht der Startunfall?
Christian Danner: Das war ja kein richtiger Unfall, das war eine leichte Berührung. Grojean hat einfach reingehalten, denn vor ihm war nichts los. Er hat ja auch mit einem breiten Grinsen gesagt, dass das ein Start war, der ihm gefiel. Hamilton ist im Sandwich der beiden Red Bulls hängen geblieben, aber da kannst du niemanden einen Vorwurf machen - weder Webber, Hamilton, noch Vettel. So etwas passiert. Vettel hat Glück gehabt, Hamilton hat Pech gehabt, wobei ich meine, dass er es verdammt eilig hatte an die Box zurückzukehren, denn sein Unterboden hing in Fetzen herunter.

Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Heißt das, dass er das Auto in die Box hätte unversehrt zurückbringen können?
Christian Danner: Ich weiß es nicht, ich war ja nicht dabei.

Im Mittelfeld gab es für die Fans viel Action zu sehen.
Christian Danner: Das liegt in der Natur der Sache, denn die Autos sind dort alle ziemlich gleich schnell und die Protagonisten sind auch immer dieselben. Das heißt, die Chaoten wie Maldonado sind weit genug hinten, aber die anderen fahren alle klasse. Klar sorgt auch mal ein Pérez für Wirbel, aber er fährt in die Punkte wie jetzt auch ein Gutierrez. Das ist toll und man darf nicht vergessen, dass es dabei um sehr viel Geld geht. Der Kampf vorne an der Spitze war super, das dahinter ist das, was man am Ende einer Reglementperiode immer wieder sieht und zwar, dass das Feld so dicht beieinander liegt, dass es dann auf die Fahrer drauf ankommt.

Und die WM-Entscheidung? Sehen wir diese in Indien?
Christian Danner: Ja.