Prinzipiell ist die Formel-1-Weltmeisterschaft 2013 gelaufen. Sebastian Vettel führt mit 77 Punkten Vorsprung vor Fernando Alonso. Selbst wenn sich der Heppenheimer über Nacht einen neuen Job suchen sollte, würde er vermutlich noch immer als Weltmeister aus der Saison gehen - zu sehr nehmen sich die Gegner hinter ihm gegenseitig Punkte weg. Doch nichts ist unter Dach und Fach, bis es mathematisch sicher ist. Und es besteht eine kleine, aber feine Chance, dass Vettel zum zweiten Mal in Japan die große Party feiern darf.

Die Rechnung ist simpel: Vettel hat 77 Punkte Vorsprung auf Fernando Alonso, 100 sind nach dem Großen Preis von Japan noch zu vergeben. Ergo muss der Red-Bull-Pilot 23 Punkte mehr als Alonso machen. Da es für einen zweiten Platz nur 18 Zähler gibt, muss Vettel also gewinnen, ansonsten ist die Entscheidung vertagt. Im Falle eines Sieges von Vettel darf Alonso maximal zwei Punkte holen, was Rang neun entspricht. In diesem Falle könnte Alonso in den verbleibenden Rennen höchstens noch ausgleichen, doch Vettel würde aufgrund der Anzahl der Siege Weltmeister werden. Also, Vettel P1, Alonso P9 oder schlechter, dann ist der Titel fix. Sonst nicht.

Bei Red Bull schaut kaum jemand auf die Tabellensituation. "Wir werden es wie jedes normale Rennen behandeln und schauen nicht auf die Punktetabelle", sagte Teamchef Christian Horner. Die Wahrscheinlichkeit sei sehr gering und Champagner werde nicht bereitgestellt. Auch Vettel bemüht gar nicht erst den Rechenschieber, wie er gegenüber Motorsport-Magazin.com bereits in Korea verriet: "Ich habe fest vor, den Titel zu gewinnen, das Wo und Wann ist mir selbst nicht so wichtig." Und er warnt davor, frühzeitig den Deckel auf die Saison zu schrauben: "Wenn man es schleifen lässt, kommt früher oder später der Schlag ins Gesicht."

Ferrari steckt Kopf in den Sand

Die Konkurrenz hat längst die Lust am Titelrennen verloren, Foto: Sutton
Die Konkurrenz hat längst die Lust am Titelrennen verloren, Foto: Sutton

Bei Ferrari hingegen hat man den Kampf mittlerweile aufgegeben. Stefano Domenicali gab bereits zu verstehen, dass keiner mehr mit dem WM-Titel rechnet: Verdient oder nicht? Er hat es auf jeden Fall erreicht. Also: Herzlichen Glückwunsch, Sebastian", sagte er. Diese Worte lösten einiges an Verwunderung aus, bezeichnete er Vettel damit unterschwellig als nicht würdigen Champion. Ob es so gemeint war, weiß nur er selbst. Doch die Message zählt, und die lautet: Ferrari hat den Kampf aufgegeben.

Auch Fernando Alonso, sonst stets bekannt für seine kämpferischen Sprüche, wirkt motivationslos. Bereits das ganze Wochenende dümpelt er irgendwo am unteren Ende der Top-10 bei Sauber und McLaren herum, weit hinter Felipe Massa bei dessen Abschiedstour. Statt Samurai-Weisheiten und Waffen-Posing kamen lediglich lobende Worte für die Konkurrenz: "Sebastian hat die vergangenen Jahre einen fantastischen Job gemacht und er hat ein fantastisches Auto gehabt. Red Bull scheint auch dieses Jahr einen besseren Job gemacht zu haben."

Den nächsten Nackenschlag hat es unlängst für die Konkurrenz gesetzt: Selbst ohne KERS konnte der 26-Jährige alle Gegner im Qualifying mit Ausnahme seines Teamkollegen Mark Webber hinter sich lassen. Noch ist aber nicht klar, ob das KERS an Vettels Boliden zum Rennen einsatzbereit sein wird. Unter solchen Umständen könnte er möglicherweise seinen Beitrag – den Sieg – gar nicht leisten. Und trotz seiner Gleichgültigkeit wäre Sebastian Vettel in Anbetracht der Party-Möglichkeiten in Suzuka aber ein Titelgewinn in Japan vermutlich wesentlich lieber als in Delhi.