Rote Augenklappe, passend zum Lippenstift. Wasserstoffblond gefärbte Haare und ein bezauberndes Lächeln. Maria de Villota auf dem Cover ihrer Biographie, die am kommenden Montag erscheint. "Das Leben ist ein Geschenk", heißt das Werk. Untertitel: "Eine Frau, die ihr Leben fest im Griff hat." Hatte sie aber nicht. Maria de Villota verstarb am Freitagmorgen in einem Hotelzimmer in Sevilla. Herzinfarkt als mögliche Ursache. Die Untersuchungen laufen.

Pünktlich mit Ende des 2. Trainings zum Großen Preis von Japan in Suzuka machten erste Nachrichten die Runde, dass die ehemalige Formel-1-Testpilotin verstorben sei. Es sollte die bittere Wahrheit sein. Mit gerade einmal 33 Jahren wurde die Spanierin völlig plötzlich aus dem Leben gerissen. Drei Tage, bevor sie die Welt mit ihrer Biographie an ihrem Leben teilhaben lassen wollte. Einem Leben mit diesem einen, fatalen Tiefpunkt. Dem schrecklichen Unfall vergangenes Jahr bei einem Test im Formel-1-Auto - der Erfüllung ihres großen Traums, der sich als Alptraum entpuppen sollte.

Die Erfüllung eines Traums, Foto: Sutton
Die Erfüllung eines Traums, Foto: Sutton

De Villota verlor ihr rechtes Auge und nach unzähligen Operationen ihren Geschmacks- und Geruchssinn. Deutlich sichtbare Narben mitten in ihrem früher makellosen Gesicht erzählten eine Geschichte, die es zuvor im Motorsport noch nicht gegeben hatte. Maria de Villota hatte in nur einem Augenblick alles verloren: ihre Schönheit und ihren Traum von der Formel 1. Ein Schicksalsschlag unmenschlichen Ausmaßes. Doch sie hatte eines gewonnen: ein zweites Leben.

Es zeugte von großem Charakter, als sich de Villota nicht einmal ein Jahr nach dem Unfall wieder in der Öffentlichkeit präsentierte. Top gestylt, die Augenklappe stets farblich passend zum Outfit. 'Seht her, ich lebe noch. Ich bin wieder da', schien jede Faser ihres Wesens in die Welt hinausschreien zu wollen. Mitleid? Nein. Vielmehr zeigte de Villota mit unbändigem Willen, dass das Leben ein Geschenk von höchster Güte ist. Mit neuem Mut nahm sie ihr zweites Leben in Angriff, setzte sich unter anderem in einer FIA-Kommission für die Frauen im Motorsport ein.

"Ich habe einen bestimmten Horizont eingebüßt, den Horizont des Blickfeldes, aber bei der Sicht auf das Leben habe ich viel gewonnen", hatte sie vor gerade einmal zwei Monaten gesagt. Sie hatte ihre neue Rolle im Leben gefunden und diesen Platz eingenommen. Die Tochter des ehemaligen Formel-1-Piloten Emilio de Villota liebte den Sport, lebte den Sport. Der Traum von der Formel 1, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten - diese Rolle war ihr nicht bestimmt. Es war ein anderer Platz. Einer, auf dem sie ebenso sehr, wenn nicht mehr, für ihre Leidenschaft eintreten konnte.

Ein zweites Leben, Foto: Maria de Villota
Ein zweites Leben, Foto: Maria de Villota

"Es wäre das Beste an der Geschichte, wenn ich einer anderen Frau dazu verhelfen könnte, an sich zu glauben", hatte de Villota gesagt. "Wenn eine Frau eines Tages zu mir kommt und sagt 'Du kennst mich nicht, aber du hast mir geholfen', das wäre das Allerbeste für mich."

Die Veröffentlichung ihrer Biographie sollte ein weiterer Schritt in diese Richtung sein. Das wird er auch - allerdings ohne de Villota selbst. Wie sehr die Frau, die immer wieder belächelt wurde und nie ein Formel-1-Rennen bestritt, doch im Fahrerlager der Formel 1 respektiert und akzeptiert wurde, zeigte die enorme Resonanz auf ihr Ableben. Unzählige Fahrer und Offizielle bekundeten ihr Beileid, Pressemitteilungen wurden verschickt, Fans aus aller Welt nahmen im Internet Anteil. Es war die gleiche Resonanz wie nach dem tragischen Tod des dänischen Rennfahrers Allan Simonsen in Le Mans.

In einer von Macht zerfressenen Motorsportwelt, in der sich jeder selbst der Nächste ist, wurde es an diesem Freitag wieder allen vor Augen geführt und alle waren sich einig: Das Leben ist ein Geschenk.