Du bist auch erst heute Vormittag hier angekommen - also auch jemand, der den Aufenthalt in Korea so kurz wie möglich hält?
Christian Danner: Ja, das schon - eigentlich ist es ja schade. Denn die Strecke hier ist wirklich super, auch die Landschaft, die Gegend an sich ist gar nicht so schlecht, wir haben im Moment ein Traumwetter. Es wären also einerseits alle Voraussetzungen gegeben, dass hier ein Super-GP stattfindet. Aber - es gibt halt das das große Aber: Schon die Anreise innerhalb Koreas ist reichlich kompliziert und langwierig, vier Stunden mit dem Zug, dabei umsteigen, dann noch mal eine halbe Stunde mit dem Taxi... Es ist halt schon ein bisschen bitter, wenn man dann am Ende feststellt, man endet zwar in einer durchaus attraktiven Gegend - aber am Ende der Welt. Hier ist keiner - außer Mengen von Werftarbeitern. Sonst nichts. Das ist schade, denn eigentlich ist Südkorea ja schon ein Land, in dem viel vorwärts geht, und, wie gesagt, die Strecke ist gut...

Also war der Fehler, die Strecke an die falsche Stelle zu bauen?
Christian Danner: Ja - in einem Land wie hier, ohne Formel-1-Tradition, hat ein Grand Prix nur eine Chance, wenn er in der Nähe einer echten Metropole stattfindet. Und da gibt es nun mal nur eine einzige: Seoul. Da hätte man hin gemusst. Aber hier, wo wir jetzt sind, sehe ich ganz ehrlich kaum eine Zukunft für die Formel 1.

Auch wenn Du spät gekommen bist - die ersten sportlichen Eindrücke konntest Du ja am Freitag schon sammeln. Was ist Dir aufgefallen?
Christian Danner: Die Art und Weise, wie Red Bull in Singapur Kreise um alle anderen fuhr, scheint hier nicht mehr ganz so dramatisch zu sein. Man darf allerdings nicht vergessen, dass sich das alles noch weiter entwickeln wird. Die Strecke ist noch recht grün, weil hier ja sonst fast keine Rennen gefahren werden. Und normalerweise gilt: Je besser die Strecke wird, umso besser wird der Red Bull. Die wissen schon, wie sie ihr Auto trimmen müssen. Und langsam aber sicher lüftet sich ja der Schleier des Geheimnisses um den Red Bull ein bisschen, was die da so machen, was es war, das in Singapur so extrem zum Tragen kam. Und das braucht auch immer ein bisschen Entwicklung übers Wochenende, aber dann kriegen die das schon hin. Es liegt schließlich nicht nur daran, dass die anderen ihre Eier in den Pool halten...

Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner spricht Klartext, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner spricht Klartext, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Dann erklär doch mal, woran es wirklich liegt...
Christian Danner: Wenn jemand 1,5 Sekunden pro Runde schneller fahren kann als die Konkurrenz, dann ist ja klar, dass das nicht an Dingen liegt wie einem vielleicht etwas veränderten Unterboden oder solchen Kleinigkeiten. Das sind Sachen, die einen fundamentalen Einfluss auf die Aerodynamik des Autos haben, die dafür sorgen, dass sie dramatisch mehr Abtrieb haben. Deswegen war schon klar, dass das am Auspuff liegen muss. Denn damit holst du dir die größten Vorteile. Das war ja auch vor zwei Jahren so, dass Red Bull die einzigen waren, die wirklich überrissen haben, wie das geht. Und jetzt sind sie meiner Meinung nach wieder die einzigen, die genau verstanden haben, was man machen muss, um - natürlich innerhalb der Regeln, denn da ist nichts illegal - den Effekt zumindest in Teilbereichen wieder herzustellen. Und das wirkt sich halt speziell im langsamen Geschwindigkeitsbereich ganz enorm aus. Genau da bringt eine Aerodynamik mit Anblasen enorme Vorteile. Und deshalb hatte Sebastian halt gerade in Singapur mit den vielen langsamen Kurven so einen großen Vorsprung.

Kannst Du für "normale" Rennfans, die keine Techniker sind, erklären, wie das ganze komplexe System funktioniert?
Christian Danner: Das ist schon sehr schwierig, denn es ist wirklich sehr komplex, ein Zusammenspiel sehr, sehr vieler Faktoren. Das fängt schon beim Grundkonzept des Autos an, dann kommt der Faktor Reifen dazu. Denn so, wie der Reifen jetzt wieder ist, kann man das Grundkonzept des Autos mit dem steilen Anstellwinkel besser fahren. Dazu gehört, den Diffusor in dem Bereich, in dem er nicht sowieso optimal funktioniert, durch das Anblasen zu optimieren. Dazu gehören dann auch die entsprechenden Motorkennfelder und Getriebeübersetzungen. Da kommt das Abschalten von Zylindern ins Spiel, das dann wieder bedeutet, dass man mit weiter offeneren Drosselklappenstellungen fahren kann, was mehr Auspuffgase produziert - und damit mehr Abtrieb. Aber das Ganze ist eben kein Stückwerk, sondern ein Gesamtkonzept von Adrian Newey, das von Anfang bis Ende durchdacht ist. Unter dem Strich ist es eben ein aerodynamischer Vorteil, den Red Bull hat, der dann aber auch einen speziellen Fahrstil erfordert, auf den sich Sebastian anscheinend besonders gut einstellen kann. Aber man braucht dazu halt auch das entsprechende Ingenieursteam und die entsprechende Computer- und Simulationspower. Man kann das nicht einfach machen - und dann funktioniert es. Man muss es immer wieder überprüfen, verfeinern, verbessern. Und da kommt halt dann der Faktor Geld ins Spiel. So etwas kann man nur machen, wenn man auch über die entsprechenden Ressourcen verfügt. Das heißt nicht, dass im Umkehrschluss jeder mit sehr viel Geld solche Konzepte entwickeln kann. Toyota hatte immer das meiste Geld, ohne je den ganz großen Erfolg zu erreichen. Aber ohne das große Geld geht es eben auch nicht.