Monisha Kaltenborn ist die Erleichterung kurz nach Rennende in Monza anzusehen. Mit einem Strahlen im Gesicht sagt sie zu Motorsport-Magazin.com: "Das war ein sehr, sehr starkes Rennen - das hat er ganz toll gemacht." In diesem Moment betritt der soeben gelobte Nico Hülkenberg unter tosendem Applaus der anwesenden Teammitglieder und Gäste das Motorhome seines Teams. "Komm, lass dich umarmen", sagt Kaltenborn und gratuliert ihrem Schützling zu Platz fünf, der Sauber auf einen Schlag mehr Punkte einbrachte als das Team in der gesamten bisherigen Saison eingefahren hat.

Bereits am Samstag hatte Hülkenberg das Formel-1-Fahrerlager mit Startplatz drei verzückt. "Immer dann, wenn es darauf ankommt, bringt er seine Leistung absolut auf den Punkt", lobt Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Da passt alles, keine Fehler, jede Runde top. Das war eine absolute Weltklasseleistung." Eine Leistung, die Hülkenberg nach einer schwierigen Saison bei Sauber wieder auf das Radar einiger Teamchefs brachte. Schon im letzten Jahr wurde der Deutsche mit Ferrari in Verbindung gebracht.

Bereit für ein Top-Team

Umarmung von der Chefin für die tolle Leistung in Monza, Foto: Sauber
Umarmung von der Chefin für die tolle Leistung in Monza, Foto: Sauber

"Auf der psychologischen Ebene ist es natürlich ein schönes Zeichen an Ferrari", meint Danner. "Zu einem besseren Zeitpunkt als beim Heimrennen in Monza kann man nicht sagen: Hallo Herr Montezemolo, wollen wir nicht doch einmal miteinander reden?" Für ein rotes Cockpit scheint der Zug jedoch abgefahren zu sein. Stattdessen könnte Hülkenberg bei Lotus die Nachfolge von Kimi Räikkönen antreten. "Für mich hat er absolut das Zeug dazu, für ein Top-Team zu fahren", ist Danner überzeugt.

Hülkenbergs ehemaliger Williams-Teamkollege Alexander Wurz stimmt Danner grundsätzlich zu. Vom Talent her sieht der Österreicher kein Problem. "Aber es kommt immer darauf an, wie sich die Fahrer mental mit der Aufgabe weiterentwickeln", mahnt Wurz gegenüber Motorsport-Magazin.com. Für Hülkenberg war 2012 der zweite Anlauf in der Formel 1. In seiner ersten Formel-1-Saison bei Williams hatte er wenig Zeit, sich mit der Aufgabe zu entwickeln. "Er wurde ins zu kalte Wasser geworfen", glaubt Wurz.

Dennoch hat Hülkenberg in seiner Debütsaison und seinem Jahr als Freitagsfahrer bei Force India einige Lektionen gelernt, die er jetzt besser umzusetzen weiß. "Der Neustart seiner Karriere war mental recht gut für ihn, um zu wissen, was hier abgeht", so Wurz. "Ich sehe keinen Grund, warum er keine Möglichkeiten haben sollte, bis ganz oben durchzustarten."

Von einigen Seiten innerhalb des Formel-1-Paddocks wurde Hülkenbergs Wechsel von Force India zu Sauber argwöhnisch beäugt. Immerhin sah es für viele im Winter mehr wie ein Schritt zur Seite als nach vorne aus - was sich in den Ergebnissen dieser Saison bestätigte. Der Sauber war zu Saisonbeginn nicht konkurrenzfähig und kam erst jetzt langsam besser in Fahrt. Der Force India ermöglichte Adrian Sutil und Paul di Resta hingegen mehr Chancen auf WM-Punkte. Für Danner ist Sauber dennoch das erwiesenermaßen bessere Sprungbrett nach oben - wie die Beispiele von Kimi Räikkönen, Felipe Massa und Sergio Perez beweisen.

Schnell, gut, unsichtbar

Hülkenberg ließ in Monza sein Talent aufblitzen, Foto: Sutton
Hülkenberg ließ in Monza sein Talent aufblitzen, Foto: Sutton

Die Anlagen dazu hat Hülkenberg in den Augen der Experten auf alle Fälle. "Er ist unglaublich konzentriert; hat unglaubliche Fähigkeiten, im Cockpit alles zu machen und alles mitzubekommen", analysiert Danner. "Er ist nie überrascht." Auch Marc Surer lobt diese Rennintelligenz, die Hülkenberg im richtigen Moment exakt in die Tat umsetzen kann. Aber auch abseits der Strecke weiß Hülkenberg mit seiner smarten Art zu überzeugen. "In der heutigen Formel 1 ist es ganz wichtig, dass man mit Datenausdrucken nicht nur Papiere vor sich liegen hat, sondern das man auch lernt, daraus etwas zu machen", erklärt der Schweizer. Das kann Hülkenberg ebenso gut umsetzen wie er im Cockpit clever jede sich bietende Situation ausnutzt.

"Er kann sich im Zweikampf strategisch positionieren", beschreibt Danner. "Seine ganzen Überholmanöver in der vergangenen Saison waren super." In Korea überholte Hülkenberg mit Lewis Hamilton und Romain Grosjean sogar zwei Fahrer auf einen Schlag. "Er setzt all seine Fähigkeiten trotz des ganzen Rennstresses im richtigen Moment ein. Er hat es einfach drauf", lobt Danner. "Ich habe ihm das auch persönlich gesagt. Er ist einer von den Fahrern, die wirklich hart dran sind. Er fährt nicht nur herum und schaut einmal wie es geht."

Dabei bleibt Hülkenberg stets analytisch und verfällt nicht in positive wie negative Gefühlsausbrüche. So analysiert er einen Unfall ganz sachlich, ohne Anschuldigungen. "Nico ist ein toller Typ: eloquent, zurückhaltend und bescheiden", beschreibt Stuck. "Er ist immer schnell, immer gut und immer unsichtbar. Er ist nicht der extrovertierte Typ, der jodelt und schreit, wenn er Punkte macht, sondern behält immer einen klaren Kopf."

Perfekt ist aber bekanntlich niemand. "Als Person muss er noch explodieren, damit man auf ihn aufmerksam wird", fügt Stuck im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com hinzu. Spätestens wenn der grüne Muskelprotz aus ihm herausbricht, ist "Hulk" wohl auch bereit für die Herausforderung in einem Topteam.