Es war nur eine kleine Geste, ziemlich am Ende der Pressekonferenz am Sonntag Abend in Monza: Fernando Alonso fing an, darüber zu lamentieren, wie sehr ihn doch das Licht der Regenleuchte am Heck von Sebastian Vettels Red Bull gestört und geblendet habe. Aktiviert war diese anscheinend aus irgendeinem Grund durch die Getriebeprobleme am Auto des Weltmeisters . Da streckte Vettel seine Hand aus, tätschelte dem Spanier ganz leicht die Mütze, fast so, wie bei einem Kleinkind, so als wolle er sagen: "Ach du Armer, wenn du nur etwas findest, worüber du jammern kannst." Was Vettel laut sagte - und womit er die Lacher auf seiner Seite hatte: "Deshalb habe ich ja versucht, so schnell wie möglich von dir wegzufahren, damit du nicht mehr gestört wirst..."

Sehr wahrscheinlich wieder chancenlos in der WM, von Vettel ein ums andere Mal so in den Schatten gestellt, dass das eigene Selbstbewusstsein einen Knacks bekommen muss, denn tief drin sieht Alonso am Beispiel von Mark Webber, dass es eben nicht in erster Linie nur das Auto, der Red Bull, ist, gegen den er verliert. Mit dem Schatten von Kimi Räikkönen für die Saison 2014 über sich zeigt der zweimalige Weltmeister Alonso inzwischen immer wieder deutlich, dass bei ihm die Nerven gewaltig flattern, dass er allmählich auch auf der psychologischen Seite ins Hintertreffen gerät.

Einst war dies noch die von ihm so perfektionierte Spielwiese. Daher auch die Schimpfkanonade am Samstag gegen seine Boxencrew im Qualifying, die in Italien auch sehr schlecht ankam, und die ständigen Auseinandersetzungen mit den Medien, vor allem den italienischen, die ja an allem schuld seien, weil sie immer nur das Negative schreiben würden...

Psychologische Ohrfeige von Vettel

Vettel watschte Alonso gehörig ab, Foto: Sutton
Vettel watschte Alonso gehörig ab, Foto: Sutton

Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner, eigentlich ein großer Alonso-Bewunderer, sagt: "Inzwischen hat Sebastian Vettel die Psychologie, wie man einen Gegner schwächt und entnervt, mindestens so gut drauf wie Alonso. Nur, dass er es anders macht, nicht durch Reden oder komische Tweets, sondern durch seine Aktionen auf der Strecke, in dem er ihm das ganze Wochenende, mit jeder einzelnen Runde, demonstriert: Du kannst machen was du willst, du hast sowieso keine Chance..." Wobei Danner die Vettelsche Art der Psycho-Spielchen deutlich besser zusage...

Dabei macht Alonso in letzter Zeit taktische Fehler, die ihn erst recht in Schwierigkeiten bringen: Mit seiner Aktion, sich in Ungarn bei Red Bull anzubieten, die natürlich nicht geheim bleiben konnte, weil in der Formel 1 etwas, was sich für irgendeine Seite taktisch-politisch nutzen lässt, nie geheim bleibt, hat er sich bei Ferrari viele Sympathien verscherzt, mit der am gleichen Wochenende geäußerten heftigen Kritik an Auto und Team noch mehr. Womit er Teamchef Stefano Domenicali bei dessen schon länger existierendem Wunsch, Kimi Räikkönen als Ersatz für Felipe Massa ab 2014 zu den Roten zu holen, in die Hände spielte.

Konnte sich Domenicali bis dahin alles andere als sicher sein, ob er sich mit seiner Idee auch bei Ferrari-Chef Luca di Montezemolo durchsetzen könnte, der ja bis jetzt immer wieder seine schützende Hand über Massa gehalten hatte, hatte er nun auf einmal deutlich bessere Karten. Denn Montezemolo hatte Massa unter anderem auch deshalb immer geschützt, um dem heimlichen Ferrari-Herrscher Alonso zu gefallen. Aber jetzt reichte es offenbar auch ihm: Den deutlichen Worten an den Spanier vor einigen Wochen, dass man sich als Ferrari-Pilot so nicht zu verhalten habe, folgen Taten - in diesen Tagen werden die Verträge mit dem Finnen endgültig fertig gemacht.

Räikkönen als Erziehungsmaßnahme

Kimi Räikkönen wird nicht die zweite Geige spielen, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen wird nicht die zweite Geige spielen, Foto: Sutton

Fast sieht es so aus, als habe die Verpflichtung von Räikkönen einen Touch von "jetzt erst recht", "jetzt zeigen wir dir mal, wer hier der Herr im Haus ist" oder, wie es Ex-F1-Teamchef Eddie Jordan formulierte, "als deutliche Erziehungsmaßnahme für Alonso", auf dass die spanische Diva begreife, dass speziell bei Ferrari gewisse Regeln auch für ihn gelten.

Was es Ferrari relativ leicht macht, diese Linie durchzuziehen: Gerade durch seine Diva-Attituden hat er kaum eine Chance mehr, in der Formel 1 noch in einem anderen Top-Team unterzukommen: Bei Red Bull war er nie ein ernsthaftes Thema, Mercedes ist dicht, dass sein Manager Luis Garcia Abad es sogar bei McLaren versuchte, war nun wirklich eine Verzweiflungstat, angesichts der dort 2007 bei Alonsos Abgang hinterlassenen verbrannten Erde. Lotus dürfte 2014 angesichts von Finanznöten und dem Abgang von Cheftechniker James Allison nicht mehr zu den Topteams zählen.

Damit, dass Kimi Räikkönen hinter ihm nächstes Jahr die Nummer zwei spielt oder spielen muss, kann der Spanier auch nicht rechnen, so wie die Stimmung derzeit ist. Jetzt fragt sich der ein oder andere in der Formel 1 schon, ob Alonso, Vertrag bei Ferrari bis 2016 hin oder her, genervt und frustriert, wie er derzeit ist, vielleicht sogar ein Jahr Pause machen, ein Sabbatical einlegen würde - wie einst Alain Prost nach seinem Rausschmiss bei den Roten Ende 1991. Nur - eines muss er auch wissen: Die Chance auf einen Platz als Alleinherrscher in einem Top-Team dürften für ihn auch 2015 nicht größer sein...