Das war sie also, die Europa-Saison der Formel 1. Hatte beim Auftakt in Barcelona noch Fernando Alonso die Nase vorne, setzte sich zuletzt in Spa und nun auch in Monza Sebastian Vettel auf eindrucksvolle Art und Weise durch und unterstrich mit Nachdruck seine Titelambitionen. Bei noch sieben ausstehenden Rennen verfügt der Red-Bull-Pilot über einen komfortablen Vorsprung von 53 Punkten auf seinen ersten Verfolger Alonso, was bedeutet, dass der Spanier nicht mehr aus eigener Kraft Weltmeister werden kann.

Trotz der exzellenten Ausgangslage übt man sich im Hause Red Bull jedoch nahezu gewohnt im Tiefstapeln und will vom vierten Fahrertitel en suite so rein gar nichts wissen. "Das ist nicht unsere Art, wir wollen einfach Spaß beim Rennfahren haben", sagte Vettel nach seinem Triumph in Monza. "Wenn man zu weit in die Ferne schaut, verpasst man das, was im Moment so viel Spaß macht."

Auch Dr. Helmut Marko wollte sich nicht so recht aus der Reserve locken lassen und verwies auf die vergangene Saison, obwohl auch ihm bewusst ist, dass Red Bull auf der nun folgenden Asien-Tournee der Königsklasse stets besonders stark aufgestellt ist. "Im letzten Jahr hatten wir 44 Punkte Rückstand, wir können also etwas ruhiger in die letzten sieben Rennen gehen", erklärte der Österreicher. "Wir brauchen also nicht auf Platzierung fahren, sondern können voll angreifen und vielleicht noch den einen oder anderen Sieg holen."

Alonso zweifelt

Und die Konkurrenz? Vor dem Rennwochenende hatte Fernando Alonso noch optimistisch angekündigt, in Monza sowie Singapur vor Vettel landen zu wollen, um zur Schlussattacke im Titelkampf zu blasen. Nach den 53 sonntäglichen Runden im königlichen Park musste aber auch der wie ein Popstar gefeierte Ferrari-Pilot einräumen, dass sein erster Titel mit der Scuderia wohl kaum noch zu erreichen sein wird.

"Im Hinblick auf die Weltmeisterschaft müssen wir realistisch sein. Der Abstand ist bereits sehr groß und wir haben weder genug Rennen, noch den nötigen Speed um jetzt Seriensiege einzufahren", gestand Alonso unumwunden ein. "Wir brauchen viel Glück und einige Ausfälle von Seb - anders gewinnen wir die WM nicht mehr. Bei den ausständigen Rennen und mit diesem Punktenachteil ist das hart." Doch auch Alonso verwies auf das für ihn so schmerzliche letzte Jahr, das gezeigt habe, wie schnell es in der Königsklasse gehen kann.

Meinungsumschwung bei Hamilton

Ob man Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen noch als Titelanwärter bezeichnet, ist wohl Definitionssache. Theoretisch haben beide zwar noch die Chance, sich zum zweiten Mal zum Champion zu krönen, realistisch ist das aber freilich nicht. Diese Sicht der Dinge vertrat auch Hamilton, der in Monza ein starkes Rennen fuhr, aber wie schon im Qualifying vom Pech verfolgt war und nur Neunter wurde, als er aus dem Auto stieg.

"Das war es jetzt in der Meisterschaft. Jetzt geht es nur noch darum, so viele Punkte wie möglich zu holen", gab sich der Brite zunächst keinen Illusionen hin. Doch dann kam der Sinneswandel: "Aber ich habe mich mit meinen Ingenieuren besprochen und werde nicht aufgeben", gab er mit etwas Abstand zu Protokoll. "Ich muss praktisch jedes Rennen gewinnen, was die härteste Aufgabe überhaupt ist, aber ich kann nichts anderes tun als es zu versuchen."

Lotus glaubt dran

Hat Räikkönen wirklich noch Chancen?, Foto: Sutton
Hat Räikkönen wirklich noch Chancen?, Foto: Sutton

Obwohl Iceman Räikkönen dieser Tage mehr auf dem Transfermarkt denn auf der Strecke brilliert und nach Spa erneut ohne Punkte blieb, glaubt sein (Noch-)Arbeitgeber fest daran, dass er weiterhin alle Chancen hat - und das trotz 88 Punkten Rückstand. "Kimi ist noch nicht raus aus dem WM-Kampf, denke ich. Wenn man sich die letzten zwei, drei Jahre ansieht, sind wir immer stärker geworden", sagte Lotus-Teamchef Eric Boullier. "Die nächsten Rennen sollten uns liegen. In Deutschland konnte Kimi um den Sieg mitfahren, vielleicht können wir ihn in eine Position bringen, wieder um den Titel kämpfen zu können."

Betrachtet man die Lage jedoch einigermaßen realistisch, dürfte Räikkönen in der Schlussphase der Saison zwar wohl noch mit einem Red-Bull-Piloten in den Wettstreit treten, bei dem es sich jedoch nicht um den enteilten Vettel, sondern um Mark Webber handeln wird. Der Australier liegt nur mehr vier Zählern hinter dem Iceman und auch Hamilton, der über weitere sieben Punkte Vorsprung verfügt, scheint für den künftigen Langstreckenmann nicht unerreichbar.