In der Science-Fiction-Literatur gibt es ja immer wieder den berühmten "Erstkontakt" zwischen der Menschheit und den Außerirdischen. Im Fall Sauber und Russland fand der "Erstkontakt" schon 2005 statt, als sich ein russischer Oligarch dafür interessierte, als Investor bei Sauber einzusteigen. Man traf sich damals auch in Monaco beim GP, doch das Ganze verlief im Sande, weil das Schweizer Team damals kurz vor der Übernahme durch BMW stand.

Die nächste "Berührung" dann 2012, in der Partnerschaft mit dem FC Chelsea von Roman Abramowitsch - auch wenn der den Deal nicht selbst einfädelte, das lief eher durch persönliche Bekanntschaften auf höherer Management-Ebene auf beiden Seiten ab. Aber immerhin: Abramowitsch erklärte immer wieder höchstpersönlich, wie sehr er Peter Sauber und das Team für ihre Organisation, den Einsatz und das Interesse an der Nachwuchsförderung schätze.

Im Februar 2013 gab es dann auf höchster politischer Ebene in Moskau den Beschluss: "Wir brauchen einen russischen Fahrer für den russischen GP in Sotschi 2014". Ein Projekt, das ein Teil des Gesamtkonzeptes der Putin-Regierung ist, Russland über den Sport international weiter zu promoten, wenn es sein muss, mit hohen Milliarden-Ausgaben, sei es bei Olympia in Sotchi 2014 oder mit der Fußball-WM 2018, aber auch mit ein paar "kleineren" Events wie zuletzt der Universiade in Kasan, der Leichtathletik-WM in Moskau, die Schwimm-WM 2015 in Kasan oder eben auch den Sotchi-GP.

Wobei die Außenwirkung die eine Sache ist, die nationale zur internen Selbstdarstellung der eigenen Führung eine andere. Denn dass es auf nationaler Ebene nur gelingt, solche Events auch entsprechend positiv zu positionieren, wenn das eigene Land vertreten ist, wissen die Russen auch. Dazu brauchte es nicht einmal die Leichtatlethik-WM zum Beweis, wo nur die eigenen Stars für wirkliche Begeisterung im Stadion sorgten, eine Jelena Issenbajewa viel mehr als ein Usain Bolt.

Mit Abstand größte Talent

Deshalb also die Entscheidung: "Wir brauchen einen Fahrer für Sotchi". Vitaly Petrov kam dabei gar nicht mehr in die engere Wahl, galt wohl als "verbrannt". Nach der Sondierung verschiedener Nachwuchstalente fiel die Wahl auf Sergey Sirotkin, damals noch 17 Jahre alt - und auch nach Ansicht der Formel-1-erfahrensten russischen Medienvertreter "das mit Abstand größte Talent, das wir haben." Bei seinem Auftritt in Monza machte Sirotkin einen für seine jetzt 18 Jahre sehr reifen, ruhigen und intelligenten Eindruck, wesentlich besser als etwa ein Sergio Perez, Pastor Maldonado oder einige andere in ihren GP2-Jahren.

Wenn er sich im Auto nur annähernd so stark und souverän präsentieren kann, könnte er trotz der überall vorab geäußerten Vorbehalte durchaus eine Zukunft haben. Um ihn wurde jedenfalls ab Februar dann das Projekt mit den entsprechenden Investoren aufgebaut, zwei regierungsnahen Fonds und dem Luft- und Raumfahrttechnik-Institut NIAT, dessen Chef praktischerweise Sirotkins Vater Oleg ist. Bei der Überlegung, an welches Team man denn mit einem Angebot herantreten wolle, könnten die positiven Äußerungen eines Mannes wie Abramowitch sicher eine Rolle gespielt haben, zusätzlich zu dem Wissen, dort mit einem solchen Anliegen gerade dort angesichts der finanziellen Situation sicherlich auf sehr offene Ohren zu stoßen.

Dass solche Deals, gerade wenn die hohe Politik involviert ist, nicht einfach sind, ist logisch. Dass es viele Kritiker gibt, gerade auch in der Schweiz, denen es nicht gefällt, wenn sich das "eigene" Team so stark an eine fremde, politisch nicht unumstrittene Macht bindet, ist einerseits auch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Andererseits in einer Zeit, in der sich in der "normalen" Privatwirtschaft schlicht keine Sponsoren mehr finden, um die heute in der Formel 1 nötigen Summen zu finanzieren, bleibt den kleineren und mittleren Teams kaum noch etwas anderes übrig.

Der Fall Williams - Maldonado/Venezuela/Chavez/PDVSA war der Präzedenzfall, könnte allerdings jetzt auch zum Beweis dafür werden, dass solche Deals in ihrer Abhängigkeit von Personen auch nicht ohne Risiko sind. Bei Williams gibt man sich zwar sicher, auch für 2014 einen gültigen Vertrag zu haben. Aber nach der Krankheit und dem Tod von Chavez gab es schon im Spätwinter einige fundierte Gerüchte, dass schon das Geld für für 2013, eigentlich Anfang November 2012 fällig, nicht komplett, auf keinen Fall aber rechtzeitig geflossen sei. Und jetzt gibt es bei venezolanischen Piloten in Nachwuchsserien, die aus dem gleichen Topf gefördert werden, auch Zahlungsschwierigkeiten.

Eines ist klar: Das Formel-1-Team, das letztlich eine Regierung erfolgreich auf Einhaltung eines Vertrages verklagt, wird es nicht geben, noch viel weniger, als eine Klage gegen ein eventuell vertragsbrüchiges Privatunternehmen Erfolgsaussichten hätte. Aber mangels Alternativen müssen die Teams dieses Risiko eingehen. Wobei es im Fall Sauber und Russland so aussieht, als seien die dortigen Interessen und auch Machtverhältnisse doch eher langfristig und stabil...