Funken sprühen unter dem gold-schwarzen Lotus-Boliden in alle Richtungen empor. Der Kerb und der Unterboden des E21 scheinen gewissermaßen in Flammen zu stehen. Kimi Räikkönen schert sich nicht darum. Der Iceman driftet ein ums andere Mal im besten Rallye-Style vergangener WRC-Tage wild um die letzte Kurve des Hungarorings. Das Lenkrad voll eingeschlagen, die Vorderräder stehen nach links, das Heck will nach rechts. Der Lotus liefert ganz klar die spektakulärsten Bilder aller Autos.

Der schwarze Renner im Retro-Design saß in Ungarn nicht zum ersten Mal in dieser Saison so stark auf. Das Auto speit schon seit einigen Grands Prix Flammen, sobald es mit mehr als den vier Rädern Bodenkontakt aufnimmt. "Ich habe mir den Unterboden extra deshalb angeschaut", beschwichtigt Motorsport-Magazin.com Experte Christian Danner darauf angesprochen. "Das liegt am Material der Skid-Blocks, ist aber kein Problem."

Feuer und Flamme

Ein ganz anderes Problem könnte sich für Räikkönen nach der Sommerpause fortsetzen: die aufsteigende Formkurve seines Teamkollegen Romain Grosjean. Der Franzose schien bei den vergangenen beiden Rennen in Deutschland und Ungarn schneller als der Finne zu sein. Am Nürburgring rechnete sich Grosjean Siegchancen gegen Sebastian Vettel aus, bis er seinen Teamkollegen auf den Option-Reifen auf Teamanweisung passieren lassen musste. In Ungarn fuhr Grosjean ein starkes, aggressives Rennen, zeigte großartige Manöver und war trotz einer Strafe vorne dabei. Nicht umsonst glaubt Grosjean, dass sein erster GP-Sieg derzeit in greifbarer Nähe liegt.

Die Gründe für die Stärke des Franzosen sind in drei Bereichen zu finden. Nummer 1: Nach einem katastrophalen Saisonstart hat Grosjean mit seinen Ingenieuren ein Setup gefunden, mit dem er so fahren kann, wie er es möchte. Das war zu Saisonbeginn nicht der Fall. Danach verrannte sich das Team darin, Setups von Räikkönen zu übernehmen, die zu Grosjeans Fahrstil aber nicht kompatibel waren. Erst ab dem Spanien GP fand Grosjean ein besseres, eigenes Setup. Seitdem geht es stetig bergauf. "Der Nürburgring hat ihm zudem schon immer gelegen, dort hat er auch in der GP2 ein Rennen gewonnen", betont Johnny Herbert im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Die Strecke kommt seinem Fahrstil entgegen."

Nummer 2: Grosjean ist ruhiger geworden. Er geht am Start weniger aggressiv zu Werke, lässt den Gegnern Raum, achtet mehr auf die Autos um ihn herum. Kein Vergleich zum "first lap nutcase" des vergangenen Jahres. "Damals fuhr er wie die Hölle", erinnert sich Herbert mit einem Lächeln. In diesem Jahr fabrizierte Grosjean vor allem in Monaco Kleinholz, schadete damit allerdings nur sich selbst, keinem anderen Fahrer.

Grund Nummer 3 betrifft nicht nur Grosjean, sondern auch seinen Teamkollegen und alle weiteren Fahrer: die neuen Reifen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Grosjeans Rückkehr zur Spitzenform und auf ein Formel-1-Podest auf dem Nürburgring glückte. In Deutschland kamen erstmals die Hinterreifen mit Kevlar-Gürtel im Rennen zum Einsatz. Ab Ungarn setzte Pirelli dann die aktuellen Gummimischungen der Saison 2013 auf einer Reifenkonstruktion und Struktur von 2012 ein. Ein Schritt, der größere Umstellungen mit sich bringt, als viele im Fahrerlager zugeben möchten. Dem "Hauruck"-Fahrstil von Grosjean kommt das entgegen.

Kampf mit den neuen Reifen

Grosjean kommt besser mit den Reifen zurecht als Räikkönen, Foto: Sutton
Grosjean kommt besser mit den Reifen zurecht als Räikkönen, Foto: Sutton

Motorsport-Magazin.com hat sich im Fahrerlager umgehört und dabei erfahren: Die 'neuen, alten' Reifen sind alles andere als pflegeleicht. Es bedarf vieler Veränderungen, um sie dazu zu bringen, sich ungefähr so zu verhalten wie die ursprünglichen Reifen der 2013er Generation. Nicht umsonst klagte Adrian Sutil darüber, dass die Top-Teams bekommen hätten, was sie wollten und Force India nun die Suppe auslöffeln müsse.

Dabei hat Sutil noch weniger Probleme als sein Teamkollege Paul di Resta. Während der Deutsche mit viel Lenkradeinschlag und einem eher zackigen Stil fährt, hat di Resta ähnliche Probleme wie Räikkönen. Der Finne lenkt im Vergleich zu Grosjean eher langsam ein, erhält dabei mit den neuen Reifen Untersteuern, lenkt weiter ein und kommt über das Limit hinaus. Diese Probleme waren bei Räikkönen ab der ersten Runde im Freien Training in Ungarn zu sehen. Sowohl im Training als auch im Qualifying zeigte er etliche Quersteher und Rallye-Drifts.

"Ich habe alleine drei Fehler gesehen, immer beim Kurveneingang", verrät Herbert seine Beobachtungen. "Den letzten, den wir im Qualifying gesehen haben - das war so ziemlicher Rallye-Style." Dass Räikkönen das Auto überfahren hat, glaubt Herbert nicht. "Kimi ist ein Fahrer, der normalerweise fühlen kann, was passiert, aber das Auto war deutlich unruhiger und er hatte mehr Untersteuern als Romain." Das wird auf dem Hungaroring bestraft. "Wenn du Untersteuern hast, musst du kämpfen, den Kurvenscheitelpunkt noch zu erwischen. Und dann kriegst du schnell Übersteuern." Grosjean konnte problemlos früher einlenken.

Diese Tendenz muss nach der Sommerpause jedoch nicht anhalten. Räikkönen besitzt das fahrerische Talent, um sich an das Verhalten der neuen Reifen anzupassen. Schon zu Saisonbeginn lobte Danner den Finnen bei Motorsport-Magazin.com: "Kimi ist ein intergalaktisches Talent."