Wie besiegte Hamilton das Reifenproblem?

Ein Pole Setter muss strahlen, vom Rennsieg und der großen Punkteausbeute reden. Davon war bei Lewis Hamilton am Samstag wenig zu spüren. Skepsis schwang in jedem Wort mit. Der Grund: Der Mercedes-Mann rechnete damit, durch die heißen Bedingungen in Ungarn wieder Schiffbruch mit den Pirelli-Reifen zu erleiden und durchgereicht zu werden. Einen Tag später war die Skepsis purer Verwunderung gewichen, denn der Sieg war Hamiltons. "Ich habe gestern Abend gesagt, dass ein Wunder passieren müsste, damit ich heute gewinne. Na ja, manchmal scheinen sie zu passieren."

Hamilton gewann sein erstes Saisonrennen, Foto: Sutton
Hamilton gewann sein erstes Saisonrennen, Foto: Sutton

Einen einzelnen Grund für die Wende beim Mercedes-Reifenverschleiß scheint es in Ungarn nicht zu geben. Hamilton stoppte in Runde neun zum ersten Mal und holte sich die Medium-Reifen ab. Danach folgten zwei weitere Stopps - jeweils auf die härtere Mischung. Doch eine Drei-Stopp-Strategie war nicht alleine das Mittel zum Erfolg, denn Gleiches versuchte Vettel. Bereits am Samstag erklärte Teamkollege Rosberg, Mercedes hätte sich in Sachen Abstimmung noch mehr auf das Rennen konzentriert und hoffte damit auf die Wende. Der wichtigste Faktor dürften wohl aber die 2012er-Pirelli-Pneus sein. "Wenn wir den Status quo einmal analysieren, müssen wir feststellen, dass Mercedes mit den 2012er Reifen überhaupt keine Probleme mehr hat", analysierte Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner.

Wie kam Kimi Räikkönen auf Platz zwei?

Einmal mehr bewies Kimi Räikkönen, dass er es wie kaum ein anderer versteht, mit den Reifen umzugehen. Der Finne war lediglich von Platz sechs gestartet, schaffte als Zweiter aber dennoch den Sprung auf das Podium. Ausschlaggebend dafür war eine Zweistopp-Strategie, während alle anderen Spitzenpiloten drei Mal die Boxen aufsuchten. Räikkönen startete auf den weichen Pneus, wechselte in Runde 13 auf Medium-Reifen und holte sich in Umlauf 42 einen weiteren frischen Satz ab. Die verbleibenden 28 Runden konnte er ohne weiteren Wechsel durchfahren und somit den zweiten Rang erzielen, auch wenn er sich auf den letzten Kilometern gegen Sebastian Vettel hart zur Wehr setzen musste.

Worum beklagte sich Vettel gegen Räikkönen?

Während Lewis Hamilton ungefährdet seinem ersten Saisonsieg entgegenfuhr, entbrannte dahiner ein heißes Duell um den zweiten Platz. Kimi Räikkönen gelang es schlussendlich, Sebastian Vettel hinter sich zu halten, auch wenn der Deutsche in Kurve vier einen Angriff wagte, den der Finne jedoch gekonnt parierte. Daraufhin beklagte sich Vettel via Funk bei der Red-Bull-Box, dass ihm nicht genug Platz gelassen worden sei, doch wenige Minuten später auf dem Podium war von der Missstimmung zwischen den beiden Freunden nichts mehr zu merken.

"Wir haben schon wegen Kurve 4 gesprochen und darüber gelacht. Das war schon in Ordnung", meinte Vettel lapidar. "Es ist toll, wenn zwei Spitzenfahrer gegen Rennende nochmals ans Limit gehen", kommentierte Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Du bist nach 68 Runden fix und fertig und musst konzentriert und cool bleiben - als Vordermann wie als Jäger. Wie sie das gemacht haben, zeigt, mit welchen großartigen Könnern wir es hier zu tun haben."

Warum fiel Rosberg am Start zurück?

Startplatz vier war für Rosberg kein Traum, aber auch nicht das Ende der Welt. Schließlich ist das Rennen bekanntlich sehr lang. Tatsächlich ging die eigentliche Hatz für den Mercedes-Piloten nur eine Runde, dann waren alle Hoffnungen auf ein gutes Ergebnis dahin. Im Sandwich zwischen Teamkollege Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und den Ferraris dahinter, wurde es heikel für Rosberg. "Ich war in Kurve fünf mitten im Gedränge, dann gab es eine Kollision mit Felipe", ärgerte sich Rosberg.

Der Ferrari-Pilot traf Rosbergs Mercedes am Hinterreifen und schickte ihn in die Ungarische Puszta. Zurück auf der Strecke arbeitete sein Bolide zwar ohne Fehl und Tadel, ausnutzen konnte der Deutsche das mitten im Verkehr aber nicht mehr. Wer an seiner verpatzten Anfangsphase schuld ist, daran gibt es für Rosberg keinen Zweifel: Zu 100 Prozent Felipe Massa. Deshalb drohte der Monaco-Sieger dem Brasilianer noch eine Standpauke an. "Ich werde gleich zu Felipe gehen und ihm mal das Wörtchen zum Sonntag sagen."

Warum schied Adrian Sutil aus?

Es sollte ein normales Rennen werden, obwohl es das 100. seiner Formel-1-Karriere war. Normal war es am Ende aber nicht, denn nach 19 Runden war für Adrian Sutil der Große Preis von Ungarn beendet. Im Interview mit Motorsport-Magazin.com erzählte der Deutsche, dass ihm die Hydraulik den 100. GP verhagelte. "Ich konnte nicht mehr schalten. Ich vermute, dass in den letzten drei, vier Runden auch ein bisschen Öl auf meine Reifen gekommen ist", schilderte Sutil.

Sutil hatte beim Jubiläum wenig zu lachen, Foto: Sutton
Sutil hatte beim Jubiläum wenig zu lachen, Foto: Sutton

Eine andere Erklärung als das Öl gab es für den Force-India-Mann nicht, denn er verlor schlagartig Grip, obwohl seine Medium-Reifen noch gut aussahen und er Druck auf Felipe Massa ausüben konnte. "Man hofft natürlich, aber meistens ist etwas kaputt, wenn es sich komisch anhört und dann geht es auch nicht mehr einfach so weg. Das ist Motorsport", resümierte der Deutsche. Obwohl das Rennen kurz war, kann Sutil nun stolz einen Haken hinter die 100 machen.

Warum wurde Nico Hülkenberg bestraft?

Die alte Regel lautet: In der Ruhe liegt die Kraft. Hätte Nico Hülkenberg während des großen Preises von Ungarn daran gedacht, wäre vielleicht ein Punkt für Sauber herausgesprungen. So hagelte es eine Durchfahrtsstrafe für zu schnelles Fahren in der Boxengasse. Doch wie kam es dazu?

Nach seinem zweiten Boxenstopp wollte Hülkenberg in der Boxengasse vom ersten in den zweiten Gang schalten, erwischte aber nicht das richtige Fenster. "Das hat irgendwie nicht funktioniert und dann war etwas Hektik, und irgendwie habe ich dabei den Knopf für die Geschwindigkeitsbegrenzung zu früh losgelassen", gestand der Deutsche seinen Fehler ein.

Warum schied Nico Rosberg aus?

Es war nicht das Wochenende des Nico Rosberg. Am Freitag war der Deutsche zwar noch schnell unterwegs, ab dem Qualifying aber suchte ihn der Fehlerteufel heim. Der Hebel zum Verstellen der Bremsbalance blieb stecken und damit hieß es lediglich Startplatz vier. Immer noch nichts verloren - dachte man. Einen guten Start und viele Probleme später, gipfelte alles in einer weißen Rauch-Fontäne, die in Runde 64 aus seinem Mercedes aufstieg. Aus und vorbei. Ein Motorschaden an seinem Boliden zwang ihn, den Großen Preis von Ungarn zu beenden, die genauen Gründe sind noch unklar.

Rosberg erlebte ein bescheidenes Wochenende, Foto: Sutton
Rosberg erlebte ein bescheidenes Wochenende, Foto: Sutton

Warum wurde Grosjean nachträglich bestraft?

"Ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat - wahrscheinlich hat er gar nicht nachgedacht." Jenson Button war nach dem Rennen nicht allzu gut auf Romain Grosjean zu sprechen. Was war passiert? In Runde 24 beharkten sich Button und Grosjean, auf dem Weg in die Schikane kamen sich die beiden Boliden dann etwas zu nahe - nicht nur für Buttons Geschmack, sondern auch für die Rennleitung, die den Vorfall nach Rennende untersuchte und dem Lotus-Piloten nachträglich eine Durchfahrtsstrafe aufbrummte. Diese wurde in eine 20-Sekunden-Zeitstrafe umgewandelt. Grosjean im Glück: Seinen sechsten Platz durfte er behalten - knapp vor Button auf P7. Grosjean nahm die Schuld auf sich. "Ich habe kein Problem mit der zusätzlichen Zeit wegen des Zwischenfalls mit Jenson", sagte er. "Ich habe mich nach dem Rennen bei ihm entschuldigt."

Was war zwischen Massa und Grosjean?

Romain Grosjean musste seine Sieges-Hoffnungen in Ungarn begraben, nachdem er mit einer Durchfahrtsstrafe belegt wurde. Die Stewards argumentierten, dass sein Überholmanöver gegen Felipe Massa nur dadurch möglich war, dass er in Kurve elf die Strecke verließ und sich so einen Vorteil verschaffte. "Die Strafe ist legitim, da er mit vier Rädern außerhalb der Strecke war", räumte Lotus-Teamchef Eric Boullier ein.

Doch ausgerechnet Strecken-Gegner Massa nahm den Franzosen anschließend in Schutz. "Die Strafe ist völlig falsch. Er war nicht mit allen vier Rädern außerhalb der Strecke, sondern nur mit zweien - und zwei Räder sind erlaubt", sagte der Ferrari-Pilot. Grosjean selbst nahm die Strafe recht locker hin - zumindest äußerlich: "Ich dachte, ich wäre nur mit zwei Rädern außerhalb der Strecke gewesen, aber leider waren die Stewards einer anderen Meinung."