Natürlich testeten die Teams in Silverstone nicht nur Reifen und junge Fahrer - auch wenn das die Bezeichnung 'Young Driver Test' eigentlich propagiert. Doch in erster Linie geht es allen nur um das eine: technische Weiterentwicklung. Und deshalb bekamen die britischen Fans nicht nur schwarze, runde Reifen, Kimiya Sato und Co. zu sehen, sie bekamen auch eine ganze Reihe neuer Teile zu Gesicht. Motorsport-Magazin.com stellt die wichtigsten Neuerungen aus Silverstone vor.

Den umfassendsten Umbau zeigte zweifellos Sauber, von Entwicklungsstopp oder dergleichen war wenig bei den Schweizern zu sehen. Vor allem das Layout der Auspuffanlage sorgte für viel Überraschung. Nicht nur technisch ist die neue Lösung interessant, auch die Tatsache, dass Weiterentwicklungen am Auspufflayout gänzlich irrelevant für die nächste Saison sind, überrascht. Als zweites Team mit Ferrari-Motor baut Sauber auf einen Voll-Conada-Auspuff.

Baustelle Coanda-Auspuff

Der Coanda-Auspuff ist eigentlich nur eine Notlösung, weil sich die Auspuffposition durch das Reglement in sehr engen Grenzen bewegt. Ursprünglich platzierte Adrian Newey den Auspuff direkt am Unterboden, um die heißen Abgase direkt auf die Oberseite des Diffusors zu blasen. Sinn dieser Positionierung ist eine verbesserte Wirkung des Diffusors. Im Optimalfall dichten die Auspuffgase den Diffusorrand ab, wirken also wie eine Schürze, die vor allem die von den Hinterreifen bewegte Luft abschirmen sollen. Ziel der Ingenieure ist es, die Gase - trotz eingeschränkter Positionierung des Auspuffendrohrs - in den 'Magic Gap' zwischen Hinterreifen und Diffusor zu leiten.

Sauber spendiert dem C32 einen Voll-Coanda-Auspuff, Foto: Sutton
Sauber spendiert dem C32 einen Voll-Coanda-Auspuff, Foto: Sutton

Um das zu erreichen, machen sie sich den Coanda-Effekt zunutze. Dieses physikalische Phänomen führt dazu, dass sich die Abgase an die konvex geformte Oberfläche der Seitenkästen anschmiegen und daran entlang laufen. Zwei verschiedene Varianten haben sich dabei herauskristallisiert: Der Voll- und der Semi-Coanda. Beim Voll-Coanda-Auspuff führt eine Rampe, die sanft in den Unterboden übergeht, die Auspuffgase zum Diffusor. Der Vorteil: Die Auspuffgase werden besser in Abtrieb umgewandelt als bei der Semi-Variante.

Bei jener werden die Auspuffgase durch einen kleinen Schacht geleitet, der mit den Seitenkästen endet. Von dort sollen sie auf den 'Magic Gap' abzielen. Die logische Konsequenz wegen der Stufe zwischen Auspuffschacht und Unterboden: Die Gase verstreuen sich auf dem Weg dorthin und weniger Abtrieb wird generiert. Aber es ist wie immer, kein Vorteil ohne Nachteil und umgekehrt. Weil beim Voll-Coanda die Seitenkästen mehr Platz am Unterboden einnehmen, wird das Heck schlechter angeströmt. Somit ist diese Variante etwas mehr von der Menge der Auspuffgase abhängig.

Gänzlich neu ist der Voll-Coanda bei Sauber nicht, Foto: Sutton
Gänzlich neu ist der Voll-Coanda bei Sauber nicht, Foto: Sutton

Sauber ist nach Toro Rosso das zweite Nicht-Renault-Team, das vom Semi-Coanda abweicht. Während das Team aus Faenza aber noch eine Mini-Stude zwischen Seitenkasten und Unterboden lässt, ist der Übergang bei Sauber komplett fließend. Scheinbar sind die Leistungsverluste beim Ferrari-Motor bei der Voll-Coanda-Variante inzwischen auch vertretbar geworden, selbst wenn den Teams dort inzwischen enge Grenzen gesetzt sind. Sauber fuhr bereits im vergangenen Jahr mit Voll-Coanda-Auspuff, allerdings war damals die Positionierung des Auspuffendrohrs noch nicht so eingeschränkt. Die Schweizer gelten aber als Erfinder des Coanda-Auspuffs, was auch ein Grund für die starke Saison 2012 war.

DRD wieder voll im Trend

Das Drag Reduction Device war vor der Saison das große Thema. Nach Verbot des Doppel-DRS mussten sich die Teams etwas Neues einfallen lassen, Lotus experimentierte schon beim Deutschland GP 2012 mit einem solchen System. Vor allem bei den Vorsaisontests lag ein großer Fokus auf diesem System, zum Saisonstart kam es aber bei keinem Team zum Einsatz. Erst beim Großbritannien GP kehrte das System zurück, Lotus fuhr es erstmals auch im Rennen. Am Nürburgring testete auch Mercedes am Freitag DRD, im Rennen verzichtete die Truppe um Ross Brawn jedoch darauf.

Der Steg am Toro Rosso wirft noch Fragen auf, Foto: Sutton
Der Steg am Toro Rosso wirft noch Fragen auf, Foto: Sutton

Pünktlich zu den Young Driver Tests gruben Sauber und Lotus DRD wieder aus dem Keller. Erstmals zeigte auch Toro Rosso eine Vorrichtung, allerdings ist nicht klar, ob es sich wirklich um ein Drag Reduction Device handelte. Zum einen fehlten entsprechende Öffnungen - die meist in Nähe der Airbox angebracht sind -, zum anderen endete der vertikale Steg nicht unmittelbar unter dem Heckflügel, vielmehr endete er im Heckflügel. Ein Anblasen ohne Öffnung dürfte schwer sein. Außerdem konnten wir keine zweite mögliche Auslassstelle erkennen, an der die nicht zum Heckflügel geleitete Luft austreten soll.

Nicht in allen Konfigurationen kam der Steg zum Einsatz, Foto: Sutton
Nicht in allen Konfigurationen kam der Steg zum Einsatz, Foto: Sutton

Denkbar ist auch, dass der Steg nur zur Stabilisierung des Heckflügels genutzt wird, da allerdings kein anderes Team eine extra Fixierung benötig, darf dieser Zweck in Frage gestellt werden. Auffällig war jedenfalls, dass der Steg nur angebracht war, wenn eine spezielle Variante des Heckflügels gefahren wurde. Toro Rosso testete Heckflügelelemente mit W- und U-Profil, lediglich beim U-Profil wurde auch mit Steg getestet.

Abseits der größeren Neuerungen gab es natürlich wieder jede Menge Detailverbesserungen. So testete beispielswiese Williams einen neuartigen Flügel am Ende der Seitenkästen und McLaren zeigte neue ultra-breite Pylonen. Diese sollen die Luft unter der Fahrzeugfront noch besser kanalisieren und somit den Unterboden besser anströmen. Auch Red Bull experimentierte an mehreren Kleinigkeiten, speziell an der Nase. So wanderten die Kameras wieder weiter nach hinten, die Form der Pylonen änderte sich und auch die Endplatten des Frontflügels wurden leicht modifitiert.