Nachdem Felipe Massas Cockpit bei Ferrari für die nächste Saison wohl wackeln dürfte, bleibt auch hier genügend Freiraum für Spekulationen. Wie bei Red Bull mit dem Red Bull Junior Team hat auch Ferrari seine eigene Nachwuchsakademie mit vielversprechenden Talenten in mehreren unterschiedlichen Rennklassen. Die Speerspitze der Ferrari Driver Academy bildet dabei der Franzose Jules Bianchi, Vizemeister der Formula Renault 3.5 des Vorjahres, und aktuell Formel-1-Pilot beim Low-Budget-Team Marussia. Wir stellen den möglichen Nachfolger Felipe Massas bei der Scuderia Ferrari näher vor.

Bianchis Formel-1-Karriere begann bereits im Dezember 2009, als der damals 20-Jährige bei Testfahrten für Ferrari erstmals in einem Formel-1-Cockpit Platz nehmen durfte. Im Folgejahr wurde Bianchi von Ferrari bei den Young Driver Tests eingesetzt, bevor im November 2010 die Beförderung zum offiziellen Testfahrer der Scuderia Ferrari für die Saison 2011 folgte. 2012 wechselte der Franzose schließlich zu Force India, wo er dieselbe Funktion wie bei Ferrari innehatte.

Bianchi hat bereits zahlreiche Tests für Ferrari absolviert., Foto: Sutton
Bianchi hat bereits zahlreiche Tests für Ferrari absolviert., Foto: Sutton

Das letzte halbe Jahr war wohl einer der bisherigen Höhepunkte im Leben des 24-Jährigen und an Spannung kaum zu überbieten. In diesem Zusammenhang kommt der sprichwörtliche Vergleich mit einer Achterbahnfahrt dem Weg des Youngsters wohl am nächsten. Nach dem Wechsel Nico Hülkenbergs zu Sauber witterte Bianchi am Ende der Saison 2012 endlich die Chance auf seinen ersten Renneinsatz im F1-Cockpit. Doch die Erwartungen sollten bitter enttäuscht werden. Force India bevorzugte den erfahreneren Adrian Sutil, der bereits zuvor Rennen für das indische Team absolviert hatte. Bianchi gab nicht auf - und hatte Erfolg. Nachdem Marussia zunächst Timo Glock und dann Luiz Razia für das Cockpit 2013 ausgewählt hatte, wurde schließlich Bianchi der Vorzug gegeben.

Dennoch hat die Verpflichtung des Franzosen durch das russische Team der Verbindung zu Ferrari keinen Abbruch getan. Natürlich hatte Bianchi in den letzten sechs Monaten deutlich weniger Zeit, in der Rennakademie in Maranello die Schulbank zu drücken. Doch nimmt er nach wie vor an allen größeren Veranstaltungen des Ferrari-Nachwuchsprogramms teil. "Ich komme oft in die Fabrik des Teams in Maranello, um mit den Ingenieuren zu plaudern und vor jedem Rennen habe ich Sessions im hauseigenen Simulator", erklärt Bianchi. "Natürlich komme ich heute deutlich seltener als noch vor einem Jahr. Aber ich stehe nach wie vor in engem Kontakt mit Luca Baldisserri, dem Chef der Ferrari Driver Academy, telefoniere an den Rennwochenenden mit ihm und bin froh über die Ratschläge, die er mir geben kann."

Auch über die Herstellung der Kontakte zu anderen Teams durch Ferrari ist der zweimalige Drittplatzierte in der GP2 mehr als nur erfreut. "Ich bin wirklich froh, durch Ferrari letztendlich doch noch ein Formel 1-Cockpit für 2013 bekommen zu haben. Ich muss zugeben, im Winter gab es einen Punkt, an dem ich alle Hoffnungen verloren hatte. Die Zeit tickte und Force India meldete sich einfach nicht mehr. Als mich Stefano Domenicali dann anrief, und mir mitteilte, ich solle mich bereitmachen, an der letzten Testsession zu Saisonbeginn in Barcelona teilzunehmen, war ich wirklich sehr erleichtert", erzählt Bianchi.

Von diesem Punkt an veränderten sich die Aussichten schlagartig. "Ich habe mich bei Marussia schnell zuhause gefühlt und den Unterschied zwischen einem Stammfahrer und Testfahrer schnell verstanden. Ich bin jetzt viel mehr in die Entwicklung des Autos involviert, man fühlt viel mehr, dass man ein wichtiger Teil des Ganzen ist. Auch die anderen Fahrer sehen mich jetzt in einem anderen Licht", ist Bianchi stolz auf das bisher erreichte.

Doch wie empfindet ein Fahrer, der immer auf Siege aus war, den Wechsel zu einem nicht konkurrenzfähigen Team? "Natürlich sind die Ziele nun anders als bei meinen vorherigen Karriereschritten. Für uns ist es schon ein Sieg, vor Caterham ins Ziel zukommen - den Kampf um echte Siege vermisse ich da schon ein bisschen. Jeder Fahrer will gewinnen, aber das wichtigste ist, den richtigen Ansporn zu haben, motiviert zu bleiben."

Für seine Zukunft hat der Großneffe des ehemaligen Formel-1-Piloten Lucien Bianchi einen großen Traum: Einmal für die Scuderia Ferrari in der Formel 1 zu fahren. Mit der aktuellen Situation und den Gerüchten über ein mögliches freies Cockpit 2014 ist Bianchi diesem Traum wohl erneut einen Schritt näher gerückt.