Gestern sagtest du, diese Startaufstellung könnte Action bedeuteten. So war es tatsächlich...
Christian Danner: Ja, Action hat es wirklich gegeben. Diese Startaufstellung war so spannend, weil sich eine unglaubliche Vielfalt an Strategiemöglichkeiten abzeichnete. Dass es dann tatsächlich so kam, war richtig gut. Das Rennen war der Hammer, denn es kommt selten vor, dass Sebastian wirklich bis zur letzten Runde volles Kanonenrohr fahren muss. Kimi hat ihn wirklich unter Druck gesetzt. Das war für jeden Renn-Fan schön. Es gab immer drei oder vier Leute, die innerhalb von einigen Sekunden beieinander waren. Alle hatten realistische Chancen, das Rennen zu gewinnen. So muss es sein, denn darauf kommt es an.

Besonders die Lotus-Strategie war interessant.
Christian Danner: Schon zu Beginn mit Romain Grosjean. Sie ließen ihn draußen und er war schnell. Das war einfach unglaublich. Es war nicht nur eine Augenweide, sondern ein Genuss, der Strategieabteilung von Lotus zuzusehen. Sie haben es geschafft, Red Bull unter Druck zu setzten, und das nicht nur durch den fairen Kampf auf der Strecke. Zunächst holten sie Kimi früh rein und zwangen damit auch Vettel zum Stopp. Danach gingen sie mit Kimi auf eine andere Strategie, ließen ihn lange draußen und schickten ihn dann zum Schluss auf den weichen Reifen raus. Damit hat Lotus Vettel genau dort hinbekommen, wo sie ihn haben wollten. Sie haben vielleicht nur ein bisschen lange mit dem Kimi-Stopp auf die weichen Reifen gewartet.

Christian Danner sah die Erleichterung bei Sebastian Vettel, Foto: Sutton
Christian Danner sah die Erleichterung bei Sebastian Vettel, Foto: Sutton

Also ein Rennen ganz nach deinem Geschmack?
Christian Danner: Absolut, denn zum einen sah man, wie clevere Leute an der Box schnelle und souveräne Entscheidungen getroffen haben und gleichzeitig, wie Red Bull in Sachen Verteidigung sofort darauf reagierte. Es ist einfach toll zu sehen, dass es nicht nur auf der Strecke rund ging, sondern das auch von der taktischen Seite herangegangen wurde. Lotus hatte den Vorteil von zwei Autos vorne und hat aber nicht einfach nachgelassen und geschaut, was passiert - sie haben angegriffen. Sie haben geschaut, was möglich ist und nicht einfach den zweiten und dritten Rang sicher ins Ziel gefahren. Großes Lob an die Strategieabteilung. Auch Romain Grosjean wird happy sein - also ich an seiner Stelle wäre es.

Aber auch Sebastian an der Spitze hat sich toll geschlagen.
Christian Danner: Sebastian ist es gelungen, Kimi am Ende hinter sich zu halten und ihn nicht ins DRS-Fenster kommen zu lassen. So groß war der Vorteil von Räikkönen allerdings auch nicht mehr, denn seine weichen Reifen waren nicht neu. Über seinen ersten Heimsieg ist Sebastian erleichtert, das hat man bei der Siegerehrung gesehen.

Riecht es schon nach seinem vierten WM-Titel?
Christian Danner: Im Moment läuft alles für Red Bull. Sie haben bei diesen Temperaturen keine Probleme mit den Reifen und ihr Auto kann auf jeder Streckencharakteristik gewinnen. Die Verfolger kommen gerade nicht mehr richtig dran, das sieht man mit Kimi auf Platz zwei und Alonso als Viertem. Sebastian hat das im Moment schon im Griff.

Zum Thema Alonso und harte Reifen. Wirklich gut funktionierte diese Strategie ja bei keinem Piloten?
Christian Danner: Alonso kam ab einem bestimmten Punkt nicht mehr mit Räikkönen und Grosjean mit, da er einfach zu langsam war. Dennoch glaube ich, war das für Ferrari die richtige Strategie.

Ganz anders als erwartet lief das Rennen hingegen bei Mercedes.
Christian Danner: Eine Tatsache hat sich nicht verändert: wenn es heiß ist, wird Mercedes nach hinten durchgereicht und Lotus ist im Gegenzug nach vorne unterwegs. Aber grundsätzlich ist wichtig, dass wir das gesamte Rennen über keinerlei Sicherheitsprobleme hatten. Pirelli war in der Lage, innerhalb von einer Woche das Problem zu lösen. Die Hinterreifen lösten in Sachen Performance bekanntermaßen bei Force India und Toro Rosso größere Probleme aus, bei anderen Teams eigentlich keine.

Was sagst du zu Bianchis rollendem Marussia?
Christian Danner: Er muss den Wagen in Neutral abstellen. Wie er ihn allerdings so abstellen kann, dass er nach hinten rollt, ist mir ein Rätsel. Wenn ich das Auto an einer abschüssigen Stelle parke, muss ich davon ausgehen, dass es irgendwann runterrollt.

Zu guter Letzt die dramatischste Szene des Rennens: Der Boxenstopp von Mark Webber.
Christian Danner: Mark Webber selbst bekommt von alledem nichts mit. Wenn er grün gezeigt bekommt, fährt er los. Es sollte überlegt werden, ob die Zwei-Sekunden-Stopps limitiert werden. Bei Williams hat es heute geklemmt, bei Force India kennen wir das Problem auch. In dieser unglaublichen Eile passiert es immer wieder, dass etwas beim Reifenwechsel schiefgeht. Vielleicht sollte man überlegen, die Standzeit auf vier oder fünf Sekunden zu reglementieren, dann kann jeder in Ruhe seine Handgriffe erledigen. Das nimmt zwar etwas den Pepp aus dem Vorgang, aber in Sachen Sicherheit wäre es auf jeden Fall eine Überlegung wert. Der Kameramann wurde ohnehin schon schwer getroffen, hätte er den Reifen auf den Kopf bekommen, wäre das nicht gut ausgegangen.