Kein Zeit zum Ausruhen, von Silverstone geht es schnurstracks in die Eifel: Der Große Preis von Deutschland steht unmittelbar bevor. Spätestens seit dem Großbritannien Grand Prix ist klar: Mercedes geht als Favorit ins Wochenende. Die Dominanz der Silberpfeile im Qualifying nahm zuletzt schon fast beängstigende Ausmaße an. Fünf Pole Positions gingen bislang auf das Konto von Nico Rosberg und Lewis Hamilton, dreimal glänzte die erste Startreihe rein silbern. Rosberg ist der Mann der Stunde und bewies in Silverstone, dass Mercedes nicht nur auf Stadtkursen gewinnen kann. Zwar profitierte er von Sebastian Vettels Getriebe-Ausfall, doch Mercedes ist inzwischen auch im Renn-Trim bei der Pace und hat seine Reifenprobleme anscheinend in den Griff bekommen.

Bei Hamilton explodierte zwar der Hinterreifen während des Rennens, was den Briten den möglichen Rennsieg kostete, doch anschließend kam er mit insgesamt zwei Reifenwechseln durchs Rennen und hatte während seiner Stints kaum Probleme. Gleiches galt für Rosberg, der einen dritten Stopp lediglich aus Sicherheitsgründen einlegte. Dahinter machte Mark Webber dem Silberpfeil zwar Feuer, doch Rosberg brachte seinen zweiten Saisonsieg nach Monaco sicher nach Hause. Heißt im Klartext: In der Eifel läuft alles auf einen Zweikampf zwischen Red Bull und Mercedes hinaus.

Vettel knabbert am Heim-Fluch, Foto: Sutton
Vettel knabbert am Heim-Fluch, Foto: Sutton

Interessant: Während Vettel noch nie ein Sieg auf deutschem Boden gelang und sein letzter Erfolg bei einem europäischen Rennen auf 2011 zurückdatiert, fühlt sich Teamkollege Webber in der Eifel ausgesprochen wohl: 2009 gelang ihm hier sein erster Formel-1-Sieg, insgesamt stand er dreimal auf dem Podium. Seit der Bekanntgabe seines Abschieds aus der Königsklasse am vergangenen Wochenende kann der Australier noch befreiter auflaufen und wird sich dieses Jahr sicherlich nicht hinter Vettel verstecken.

Aber auch Mercedes kann Nürburgring-Power aufweisen: Hamilton, damals noch in den Diensten von McLaren, gewann den Großen Preis von Deutschland im Jahr 2011, also bei der letzten Ausgabe in der idyllischen Eifel. In Sachen Ring-Siegen unter den aktuellen Piloten thront aber Fernando Alonso an der Spitze. Der Spanier gewann 2005 für Renault und 2007 im McLaren - auf einen Ferrari-Sieg wartet er in der Eifel noch. Vielleicht klappt es ja am kommenden Wochenende? In Silverstone legte der Spanier mit einem wahren Husarenritt hin und fuhr - dank frischerer Reifen - aufs Podium.

Ferrari: Im Qualifying pfui, im Rennen hui, Foto: Sutton
Ferrari: Im Qualifying pfui, im Rennen hui, Foto: Sutton

Im Renn-Trim sind die Ferraris einigermaßen bei der Musik und würden vor dem Wochenende sicherlich zum Kreis der Sieganwärter zählen. Wäre da nicht der Samstag. Fakt ist: Ferrari hinkt auf einer schnellen Runde arg hinterher. In Silverstone stellte das Team aus Maranello sein großes Manko wieder einmal unter Beweis, als Alonso auf Platz zehn fuhr und Massa schon im Q2 scheiterte. "Ein Ferrari, der in der zweiten Runde scheitert, ist eigentlich nicht normal", stellte Alonso anschließend fest. Nicht jedoch, um seinen Teamkollegen zu verhöhnen, sondern um das Team deutlich auf die Probleme hinzuweisen. Die Relevanz des Qualifyings hat in den vergangenen Jahren wegen der Reifen zwar abgenommen, doch wer es im Qualifying nicht bringt, bekommt spätestens beim Rennstart im dicht gedrängten Mittelfeld Schwierigkeiten.

Ein Trauerlied von Qualifying-Problemen können auch Kimi Räikkönen und Romain Grosjean singen. Lotus tritt seit geraumer Zeit auf der Stelle, eindrückliche Verbesserungen waren zuletzt Fehlanzeige. Grosjean wartet seit vier Rennen auf eine Punkteausbeute und Räikkönen fiel im Titelkampf zurück, weil die Konkurrenz nicht nur konstant, sondern dick punktete. Entsprechend wichtig war für den Finnen der Fakt, dass er Michael Schumachers Punkte-Serie geknackt hat. Räikkönen: "Es macht in der Meisterschaft keinen Unterschied, also interessiert es mich wirklich nicht."

Nutzt Lotus wieder das DRD?, Foto: Sutton
Nutzt Lotus wieder das DRD?, Foto: Sutton

Seit Silverstone war kaum Zeit für die Teams, großartige Verbesserungen an den Autos aufzunehmen. Lotus hat allerdings noch einen Trumpf in der Hinterhand, den das Team noch nicht vollständig ausgespielt hat: das Drag Reduction System, auch DRD genannt. In Silverstone hatte Räikkönen das System, das Lotus seit mehr als einem Jahr testet, erstmals im Rennen an Bord. Der Effekt ist noch nicht vollständig abzuschätzen - auch nicht, ob Grosjeans Auto am Nürburgring ebenfalls mit dem komplizierten DRD ausgestattet wird. Der Franzose war lediglich mit einem überarbeiteten Aero-Paket unterwegs.

Seit Silverstone hat sich in der Favoriten-Frage nichts geändert. Red Bull und Mercedes in Front, dahinter scharren Ferrari und Lotus mit den Hufen. Wäre da nicht Pirelli, die das Rennwochenende einmal mehr auf den Kopf stellen könnten. Nach dem Reifen-Massaker vorige Woche gibt es nun doch Änderungen an den Reifen, statt Stahl hält wieder das beständigere Kevlar Einzug in die Karkassen. Das sollte Red Bull und Mercedes mehr in die Karten spielen als der direkten Konkurrenz, doch es wäre nicht das erste Mal, dass der Reifenhersteller sämtliche Fahrer, Teams und Zuschauer überrascht.