Nach heute kritisiert wieder jeder Pirelli.
Christian Danner: Natürlich fehlt mir die letzte Analyse von Pirelli. Aber ich sage es einmal so: die klassische Delaminierung ist nicht der Fall gewesen. Was wir gesehen haben, war ein Cut auf der inneren Schulter des Reifens. Dieser Schnitt taucht natürlich nicht von allein auf, da muss etwas gewesen sein, wo man drübergefahren ist. Nachdem die Schäden in den Kurven vier und fünf passiert sind, gehe ich davon aus, dass ein Randstein schuld war. Man muss sich die besagten Kerbs ansehen, wo sich die Fahrer vielleicht den Reifen hätten aufschlitzen können. Vordergründig kann man Pirelli keinen Vorwurf machen. Was mir schleierhaft ist, warum sich keine die besagte Stelle näher angeschaut hat. Da wird man noch sehr viel analysieren müssen, aber so stellt sich die Situation mir jetzt direkt nach dem Rennen dar.

Wie siehst du das Kräfteverhältnis?
Christian Danner: Mercedes ist inzwischen voll vorne dabei. Sie fahren genauso schnell wie Red Bull und haben keine Reifenprobleme mehr. Sie sind im Qualifying ein Stück vorne, im Rennen gleich gut. Lewis Hamilton hätte heute das Rennen locker gewonnen.

Danner sagt, was er denkt, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Danner sagt, was er denkt, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Nach dem Reifenschaden bei Hamilton hätte Vettel locker gewonnen.
Christian Danner: Ja, natürlich. Leider hat er den Getriebeschaden gehabt. Aber es ist nun einmal so, hätte, wäre, wenn bringt in der F1 nichts. Der lucky boy war heute Nico Rosberg. Er hatte einen Reifen, der fast schon ein Loch hatte, aber er kam in der richtigen Runde an die Box. Am Schluss hat ihn Mercedes auf die richtige Strategie gesetzt und einen frischen Reifen aufgezogen - also auch da hat er ein bisschen Glück gehabt. Aber so ist das Leben.

Hingegen machten Force India und Lotus bei Sutil und Räikkönen einen Strategiefehler.
Christian Danner: Zu 100 Prozent. Es war ein Fehler, dass man nicht die Reifen gewechselt hat. Es war fast amüsant, weil Kimi das im Cockpit mitbekommen hat. Er hat sein Team über Funk gefragt, ob sie sich sicher sind, dass das eine clevere Strategie ist - und das mit einer leicht sarkastischen, amüsanten Note. Das spricht wieder für Räikkönen. Er fuhr ein Rennen am Limit und kriegt noch mit, wenn seine Jungs einen Fehler machen. Bei einem britischen GP könnte man seine sarkastische Aussage fast als britischen Humor bezeichnen, wenn die Sache nicht so blöd wäre. Er hätte als Zweiter wichtige Punkte gegen Vettel aufgeholt.

Wer trifft in diesem Moment die Entscheidung?
Christian Danner: Es gibt manche Fahrer, die einfach machen, was sie wollen und an die Box fahren, weil sie meinen, der Reifen vibriert und es geht nichts mehr. Es gibt Situationen, wo der Fahrer entscheiden muss und es gibt Situationen, wo das Team entscheiden muss. In Kimis Fall musste das Team entscheiden, weil das Team sämtliche Informationen hatte - wo man steht, wie alt die Reifen sind. Da war schon Lotus verantwortlich, das hätten die am Schirm haben müssen.

Jetzt folgt der Deutschland GP - deine Erwartungen?
Christian Danner: Da wird alles gleich sein. Mercedes wird vorne fahren, Vettel und Webber dahinter, dann der Rest.

Bleibt es in der WM spannend bis zum Schluss?
Christian Danner: Ich denke schon. Ferrari und Kimi müssen einfach im Qualifying schneller werden, weil jetzt Mercedes auch noch ein Wörtchen mitredet. Mercedes fährt auf dem Niveau wie alle anderen auch und hat zwei super Fahrer.

Jetzt wird aber wieder jeder diskutieren, warum Mercedes vorne ist.
Christian Danner: Naja. Die haben seit dem Test das Reifenproblem gelöst. Fairerweise muss man sagen, dass das nicht bedeutet, dass sie das Problem wegen dem Test gelöst haben. Vielleicht hatten sie es schon vorher gelöst und sie haben den Test aus reiner Herzensgüte gefahren. Das kann auch sein. Ich will aber dazu nichts mehr sagen. Fakt ist, das Team hat den Knoten gelöst, deswegen haben sie zwei Fahrer, die immer für eine Pole oder einen Sieg gut sind. Mercedes kann WM-mäßig durchaus aufholen. Da ist noch alles offen.