Die Schlüsselstellen

The Loop (Turn 4): Die enge Linkskurve in der Arena-Sektion - mit 85 bis 90 km/h die langsamste Stelle des Kurses - gehört seit dem Umbau 2010 zur Grand Prix-Strecke. Wie der etwa 110 km/h schnelle Rechtsknick Village (Turn 3) direkt davor, wird auch der Loop im zweiten Gang gefahren. Hier ist besonders ein sauber gefahrener Kurvenausgang wichtig, weil sich mit Aintree (Turn 5) eine praktisch voll genommene Kurve anschließt, die dann auf die Wellington-Gerade hinausführt.

Die Motoren-Ingenieure müssen sicherstellen, dass der Fahrer beim Beschleunigen hier exakt jene Menge Drehmoment erhält, die er mit dem Gaspedal abruft. Nur so kann er die Räder kontrolliert durchdrehen lassen und die maximale Traktion finden. Vorjahressieger Mark Webber und seine Techniker von Renault Sport F1 hatten diese Aufgabe 2012 optimal gelöst: Der Australier nutzte seinen Traktionsvorteil, um sich auf der Wellington-Geraden neben den führenden Fernando Alonso zu setzen und ihn dann auf der Außenbahn der folgenden Brooklands-Linkskurve (Turn 6) zu überholen.

Die ultraschnelle Copse, Foto: Sutton
Die ultraschnelle Copse, Foto: Sutton

Copse (Turn 9): Sehr oft und sehr zu Recht steht die ultraschnelle Kurvenabfolge von Maggots und Becketts im Mittelpunkt. Doch die davor liegende Copse Corner (Turn 9) ist mindestens ebenso eindrucks- und anspruchsvoll. Mit 265 km/h ist dieser Rechtsknick die zweitschnellste Kurve nach der voll gefahrenen Maggots. Die Autos kommen mit rund 300 km/h im siebten Gang an, einige Fahrer schalten vor der Kurve in den sechsten zurück. Der Kurveneingang wird blind genommen. Die Bremse tippen die Piloten nur leicht an, um die Balance des Autos nicht zu stören, bevor sie umgehend wieder aufs andere Pedal steigen und mit Vollgas herausbeschleunigen. Zwischen Lupfen und Vollgasgeben vergeht oft weniger als eine Sekunde. Die Motoren-Ingenieure von Renault stimmen die Mappings für diese Kurve so ab, dass die Aggregate auf Gaspedalbefehle fast wie auf einen Schalter reagieren - und nahtlos von "ganz Aus" auf "ganz An" umspringen.

Vale (Turn 16): Vor der Vale-Schikane liegt die letzte harte Bremszone jeder Runde. Die Fahrer versuchen, ihren Bremspunkt so weit wie möglich hinauszuzögern, um im Qualifying die letzte Zehntelsekunde herauszuquetschen. Was nicht ohne Risiko ist. Denn anders als in der Loop kommen die Piloten mit sehr hohem Tempo auf Vale zu - meist zwischen 275 und 280 km/h. Beim harten Bremsen können leicht die Hinterräder blockieren. Erwischen sie deshalb den Kurveneingang nicht optimal, passt auch der Kurvenausgang nicht - ein Fehler, der sich die gesamte lange Doppelrechts-Kombination Club (Turn 17 und 18) hindurch auswirkt, die zur Zielgerade hin aufmacht.

Vale: Eine schwierige Stelle vor Start/Ziel, Foto: Sutton
Vale: Eine schwierige Stelle vor Start/Ziel, Foto: Sutton

Wer diese Passage perfekt trifft, gewinnt eine Zehntel, wer sie verhaut, verliert eine halbe Sekunde. Die Motoren-Ingenieure unterstützen die Fahrer, indem sie das richtige Maß 'Overrun' einstellen, also den Schub, den der Motor trotz geschlossener Drosselklappen produziert. Der Sinn dieser Einstellung ist, dass die Motorbremse nicht die Antriebsräder blockiert und das Heck stabil bleibt. Allerdings stehen die Ingenieure vor demselben Dilemma wie die Piloten: Zu wenig Overrun, und die Hinterräder blockieren - zu viel, und der Fahrer kann das Auto nicht maximal verzögern und blockiert eventuell die Vorderräder.

Rémi Taffin über die Herausforderungen in Silverstone

"Nach dem Umbau im Jahr 2010 gehört die relativ langsame 'Silverstone-Arena' zum Streckenlayout. Dennoch ist dieser Kurs aus Motorensicht nach wie vor eine der anspruchsvollsten Herausforderungen der gesamten Formel 1-Saison. Der Vollgasanteil liegt bei etwas mehr als 60 Prozent, die Durchschnittsgeschwindigkeit ist mit deutlich über 200 km/h sehr hoch. Für den RS27-V8-Weltmeistermotor stellen die zahlreichen Wechselkurven eine hohe Beanspruchung dar. Das gilt insbesondere für den recht langen Sektor von der Maggots- über die Becketts- bis hin zur Chapel-Kurve.

Diese drei Wechselkurven durchfahren die aktuellen Formel 1-Fahrzeuge mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 250 km/h, selbst an der langsamsten Stelle sind sie noch 190 km/h schnell. Aufgrund dieser hohen Tempi und der häufigen Richtungswechsel wirken auf die Autos sehr hohe Quer- oder G-Kräfte. Die Benzin- und Ölpumpen müssen hier Höchstleistungen vollbringen, da die Betriebsflüssigkeiten von den Fliehkräften von einer Seite zur anderen gedrückt werden. Speziell gegen Ende des Rennens spielt die richtige Positionierung der jeweiligen Ansaugstutzen eine große Rolle, damit nicht kurz vor der Zielflagge Öl oder Sprit ausgehen.

Die vier Geraden dieser Strecke stellen auch an die korrekte Übersetzung des Getriebes besondere Anforderungen, um eine möglichst effiziente Kombination aus kraftvoller Beschleunigung und optimaler Höchstgeschwindigkeit zu erzielen. Die Hangar Straight ist mit 875 Metern die längste, hier erreichen die Fahrzeuge bei 310 km/h ihren Topspeed. Also ist es wichtig, dass unsere Autos kurz vor dem Bremspunkt für die Stowe - eine Vierte-Gang-Linkskurve - ihre Maximaldrehzahl erreichen. Auch das oftmals durchwachsene britische Wetter kann die Wahl der Übersetzung beeinflussen: Mit wechselnden Windrichtungen variiert auch die Zeitdauer, mit der unsere RS27-Achtzylinder gegen den Drehzahlbegrenzer anrennen.

Remi Taffin kennt sich in Silverstone bestens aus, Foto: Sutton
Remi Taffin kennt sich in Silverstone bestens aus, Foto: Sutton

Doch es sind nicht nur die schnellen Kurven, denen wir in Silverstone unsere Aufmerksamkeit schenken, sondern auch die langsameren Ecken wie Club oder der Loop. Sie senken nicht nur die durchschnittliche Rundenzeit, sondern verlangen auch ein gutes Ansprechverhalten des Motors und einen gut nutzbaren Leistungseinsatz bei geringeren Drehzahlen. Hier ist ein möglichst ausgewogener Kompromiss gefragt, die wir dank der ausgeprägten Durchzugskraft unseres RS27 auf Strecken wie diesen aber schnell finden.

Alle unsere Partnerteams sind in England zuhause, schon aus diesem Grund fühlt sich der britische Grand Prix wie ein Heimrennen an - für uns ein zusätzlicher Ansporn. Denn wir möchten, dass unsere Kunden vor eigenem Publikum ihr maximales Potenzial abrufen können - so wie bei allen übrigen Grand Prix des Formel 1-Kalenders."