Sieben Stunden Anhörung am Donnerstag, noch längere Wartezeit auf das Urteil am Freitag: die erste Ausgabe des FIA International Tribunal schloss an alte FIA-Gerichtsverhandlungs-Traditionen an. Der erste Eindruck eines britischen Kollegen nach der Verhandlung gilt noch heute: "Für mich sind alle schuldig."

Tatsächlich gab im Rahmen der Anhörung keine Seite ein perfektes Bild ab - weder die direkt Beteiligten wie die FIA, Mercedes und Pirelli, noch die Unbeteiligten wie Red Bull Teamchef Christian Horner. Gab es also nur Verlierer in Paris? Fast...

Gewinner: Mercedes. Das FIA Tribunal sprach Mercedes schuldig, die Regeln mit einem unerlaubten Reifentest gebrochen und daraus einen "unfairen Vorteil" gezogen zu haben. Gleichzeitig wurde Mercedes als einziges wirklich bestraft, denn die Verwarnung an Pirelli darf nicht als Strafe angesehen werden. Dennoch kamen die Silbernen mit einem blauen Auge davon: Viel schlimmere Strafen schwebten im Raum. Trotz guter Argumente und Beweise trug die Geheimniskrämerei um den Test allerdings nicht gerade zur Glaubwürdigkeit bei.

Ein Raum, viele Verlierer, wenige Gewinner, Foto: DPPI/FIA
Ein Raum, viele Verlierer, wenige Gewinner, Foto: DPPI/FIA

Gewinner: FIA International Tribunal. Testgate war die erste Anhörung des neu geschaffenen FIA International Tribunals. Die Aufgabe war nicht einfach, schließlich bekleckerte sich im Verlauf der Affäre und Verhandlung keine der Seiten mit Ruhm. Eine Millionen-Strafe à la Spy-Gate hätte Mercedes aus dem Formel 1 vertreiben können. Ein zu hartes Einsteigen gegen Pirelli hätte die Königsklasse ohne Reifenhersteller für 2014 dastehen lassen können. Die Richter fällten ein mildes, aber letztlich wohl weises und versöhnliches Urteil. Nur der arme Mensch, der die 20 Seiten Urteilsbegründung schrieb, hätte vielleicht nicht "Jason Button" anstelle von "Nico Rosberg" schreiben sollen...

Verlierer: Sam Bird. Noch vor wenigen Wochen sagte der Mercedes Test- und Entwicklungsfahrer voller Vorfreude im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com, dass er beim Young Driver Test in Silverstone im Silberpfeil sitzen werde. Das hat sich mit dem Ausschluss erledigt. Pech für Bird, verschmerzbar für Mercedes. Der Schaden liegt beim Nachwuchsfahrer. Die gewonnenen Eindrücke vom Reifentest mit den Einsatzfahrern dürften die drei verpassten Nachwuchstesttage aufwiegen - auch wenn nun einige neue Teile an den Rennwochenenden getestet werden müssen.

Verlierer: Red Bull Racing. Groß war der Aufschrei bei Christian Horner, Dr. Helmut Marko & Co seit dem Bekanntwerden des Reifentests in Monaco. Große Töne gespuckt und hohe Strafen gefordert hatten sie seitdem. Um dieses Ziel zu erreichen, reichte Red Bull sogar eine Liste an Vorteilen beim FIA Tribunal ein, die sich Mercedes durch den Test verschafft haben könnte. Genützt hat es alles nichts. Sportlich wird Red Bull darunter kaum leiden, das Auto war zuletzt wieder klar besser als die Konkurrenz. Das erboste Auftreten in der Testgate-Affäre war es hingegen nicht. Der unbeteiligte Dritte hätte souveräner auftreten können - wie das zuletzt eher stille Ferrari Team.

Keine Seite bekleckerte sich mit Ruhm, Foto: Red Bull
Keine Seite bekleckerte sich mit Ruhm, Foto: Red Bull

Verlierer: Pirelli. Pirelli stellte gleich zu Beginn klar, dass die FIA den Reifenhersteller unter Sportgesichtspunkten gar nicht belangen könne. Punkt gewonnen. Dennoch litten die Italiener in den vergangenen Wochen beträchtlich unter dem Trubel rund um die Reifentestaffäre. Ganz zu schweigen davon, dass die Sachlage bei der Benachrichtigung aller Teams immer noch nicht glasklar ist. Nicht umsonst erhielt auch der Reifenhersteller vom Tribunal eine Verwarnung.

Verlierer: Formel 1. Wochenlange Diskussionen, Anschuldigungen und eine schier endlose Verhandlung - und dann eine relativ milde Strafe? Die Formel 1, die FIA, Mercedes und Pirelli fügten sich in den letzten Wochen selbst den größten Schaden zu. Bereits nach Bekanntwerden des Testskandals fragte ich mich, was wohl ein einfacher Ausweg wäre? Ein Test für alle anderen Teams schien eher unwahrscheinlich, schließlich würden die kleinen Rennställe über die Kosten klagen. Ein Auslassen der Young Driver Tests durch Mercedes klang hingegen schon wahrscheinlicher. Warum kam niemand von vornherein auf diese Idee? Ganz einfach: Formel-1-Teams sind für einvernehmliche, vernünftige Lösungen im Vorfeld nicht geschaffen. Sie wollen immer alles - und nur für sich selbst.