Barcelona: Das bedeutet für Formel-1-Fans nicht nur Auftakt zur Europa-Saison, sondern auch stark überarbeitete Boliden. Barcelona eignet sich für technische Entwicklungen wie kaum eine andere Strecke. Für die Ingenieure ist der Circuit de Catalunya so etwas wie der Druchschnittskurs der Formel 1. Besonders für die Aerodynamiker ist er von hoher Aussagekraft, weshalb nicht zufällig zwei der drei Wintertestfahrten darauf stattfinden. Nach drei Wochen Pause ist Spanien als Europaauftakt wie ein neuer Saisonstart, die größten Updates werden traditionell hier gezeigt. Motorsport-Magazin.com analysiert die wichtigsten technischen Neuerungen.

Vor allem auf McLaren war die Fachwelt gespannt. Nach einem desaströsen Saisonstart wurden am MP4-28 zahlreiche Updates angekündigt, nach vier mehr als durchwachsen verlaufenen Rennen sollte endlich der Befreiungsschlag gelingen. Doch bahnbrechende Updates blieben beim Traditionsrennstall aus. Zwar wurde am Samstag ein neuer Frontflügel an die Strecke geliefert, mangels FIA-Abnahme kam dieser dann aber nicht zum Einsatz. Vor allem an dieser Schraube scheinen die McLaren-Ingenieure aber drehen zu müssen, setzten sie beim Frontflügel auf eine nicht besonders detailreiche Lösung. Diese generiert zwar an sich mehr Abtrieb, ist dafür aber deutlich empfindlicher gegenüber Fahrzeugbewegungen in Relation zur Fahrbahn.

Neue Seitenkästen bei McLaren, Foto: Sutton
Neue Seitenkästen bei McLaren, Foto: Sutton

Genau darin scheint die Crux bei den Briten zu liegen. Um diese Empfindlichkeit zu kompensieren, setzten sie auf ein extrem hartes Setup, weshalb der MP4-28 manchmal mehr über die Strecke zu hüpfen, statt zu fahren, scheint. Dieses Problem ist komplexer, als es zunächst aussieht. Ingenieure wollen immer möglichst viel Downforce aus jedem einzelnen Bauteil gewinnen, genau das war auch die Stärke in den vergangenen Jahren. Als Lewis Hamilton zum ersten Mal im Silberpfeil saß, bemängelte er vor allem den Anpressdruck, von dem er bei seinem ehemaligen Abreitgeber deutlich mehr zur Verfügung gehabt hätte. Die von der Aufhängung nicht abgefederten Kräfte werden dann zum einen ins Chassis übertragen, weshalb der McLaren so stark hüpft. Dabei werden auch höhere Kräfte von den Reifen aufgenommen, weshalb Button seine eigentliche Stärke - nämlich der besonders schonende Umgang mit dem schwarzen Gold - nicht mehr ausspielen kann.

An anderer Stelle besserte McLaren einmal mehr nach: den Seitenkästen und dem Auspuff. Schon in China waren umfangreichere Änderungen in diesem Bereich zu sehen, in Spanien bekamen Button und Perez ein umfangreicheres Update am Heck. Die Seitenkästen haben jetzt hinter dem Lufteinlass eine Mulde. Durch diese Mulde soll die Luft strömen und dadurch an die richtige Stelle geleitet werden. Die richtige Stelle ist in diesem Fall der Auspuff. Durch die gezieltere Luftführung sollen die Auspuffgase noch besser Richtung Diffusor geleitet werden. Aber auch der Auspuffschacht an sich hat sich verändert. Die 'Coanda-Fläche', auf der die Abgase entlanggleiten sollen, ist jetzt kurviger geformt. Vom Zusammenwirken der neugeformten Seitenkästen und der veränderten Coanda-Fläche erhoffen sich die Ingenieure eine effizientere Nutzung der Gase - sprich, mehr Downforce.

Sidepod-Wings liegen im Trend

Ferrari brachte neue Sidepod-Wings, Foto: Sutton
Ferrari brachte neue Sidepod-Wings, Foto: Sutton

Eine Veränderung war nicht nur am McLaren unschwer zu erkennen. Die meisten Teams experimentierten im Bereich der Cockpitöffnung mit Vortex-Generatoren, das sind kleine Elemente, die den Luftstrom gezielt verwirbeln sollen. Unmittelbar dahinter waren fast überall neue Seitenkastenflügel, sogenannten Sidepod-Wings, zu bestaunen. Ähnlich wie die neue Seitenkastenform des McLaren sollen diese Flügel den Luftstrom gezielter über die Oberfläche der Seitenkästen führen, um das Heck besser anzuströmen und Auspuffgase effizienter zu nutzten. Ferrari experimentierte im Freien Training mit einem neuen horizontalen Element über dem Seitenkasten, das Flussbild der Flowviz-Farbe verdeutlichte sehr schön, wohin die Luft geleitet wurde. Im Rennen kam diese Lösung allerdings nicht zum Einsatz.

Ein interessantes neues Detail zeigte Red Bull. Das Loch im Unterboden ist zurück. Doch dieses Mal handelt es sich streng genommen um einen Schlitz. Genau darin lag im Vergangenen Jahr das Problem. Unmittelbar vor den Hinterreifen befindet sich ein kleiner Schlitz, der einen aerodynamischen Vorteil bringen soll. Im vergangenen Jahr sorgte an gleicher Stelle ein Loch für großes Aufsehen, das nach dem Monaco GP allerdings wieder geschlossen werden musste. Nach Absatz 3.12.5 des technischen Reglements darf in einem bestimmten Bereich des Unterbodens nämlich kein Loch sein. Red Bull argumentierte damals, in besagtem Bereich sei kein Loch, lediglich ein Schlitz, der der bis zum Ende dieser Zone reicht. Außerhalb dieser 'Sperrzone' wurde der 'Schlitz' dann umschlossen, so dass es im eigentlichen Sinne ein Loch war.

Toro Rosso mit der größten Überraschung

Die größte Überraschung hatte aber ein ganz anderes Team mit im Gepäck - oder im Heck: Toro Rosso. Die Italiener spendierten dem STR8 ein gänzlich neues Heck. Nicht zufällig konnte also Jean-Eric Vergne seine beste Qualifyingplatzierung der Saison auf einer aerodynamisch anspruchsvollen Strecke herausfahren. Für Daniel Ricciardo lief es zwar nicht ganz gut wie in China, doch mit Startplatz elf und Rang zehn im Rennen fuhr er zum zweiten Mal in dieser Saison in die Punkteränge - und das in einem Rennen, bei dem es keine größeren Zwischenfälle gab. Als dreiviertel- oder eher siebenachtel-Coanda-Auspuff könnte man die Toro-Rosso Lösung bezeichnen, wenn bisher zwischen Voll- und Semi-Coanda unterschieden wurde. Als erstes nicht-Renault-Team führt Toro Rosso die Seitenkästen fast bis zum Unterboden weiter, um die Gase gezielter zum Diffusor zu führen.

Alles neu bringt der Mai - zumindest bei Toro Rosso, Foto: Sutton
Alles neu bringt der Mai - zumindest bei Toro Rosso, Foto: Sutton

Allerdings bleibt eine Mini-Stufe, die bei Red Bull und Co. so nicht zu sehen ist. Der Auspuffschacht selbst und die Karosserie-Ausbeulungen und ähnelt jenen Formen des Mutterteams. Aber die Ingenieure legten nicht nur an den Seitenkästen den Rotstift an. Der gesamte hintere Teil der Motorabdeckung wurde ummodelliert, sodass die Cola-Flaschen-Form deutlich ausgeprägter ist, als zuvor. Der Heckbereich - den Auspuff ausgenommen - erinnert nun stark an Ferrari. Zum neugestalteten Heckbereich gehört - fast schon selbstverständlich - auch eine neue Variante des Heckflügels. Ein, in Bahrain bereits getestetes, Design des unteren Flügelelements kam in Spanien auch am Sonntag zum Einsatz. Der neue Flügel erinnert, wie auch die von Sauber getestete Variante, an Red Bulls W-Form. Zuvor waren Ricciardo und Vergne noch mit V-Flügel unterwegs.