Pro: Die logische Verpflichtung

von Philipp Schajer

Felipe Massa befindet sich seit geraumer Zeit fraglos in ordentlicher Form, doch will Ferrari ernsthaft um den Konstrukteurs-Titel kämpfen, benötigt die Scuderia neben Fernando Alonso einen weiteren herausragenden Piloten, der für absolute Big Points gut ist. Als solcher kristallisiert sich dieser Tage immer mehr Jules Bianchi heraus. Der Franzose treibt den schwächelnden Marussia-Boliden zu Bestleistungen, gibt am Ende des Feldes ganz klar den Ton und versetzt die Motorsportwelt somit regelmäßig in Verzückung.

Sollte die Scuderia ihre Finger nach Bianchi ausstrecken, wäre dies nicht nur ob der guten Leistungen des Franzosen ein logischer Schritt. Bianchi ist mit Ferrari eng verbunden, erhielt er doch bereits 2009 einen langfristigen Fördervertrag, fand Aufnahme in die Ferrari Driver Academy und absolvierte im Zuge dessen einige Testtage im roten Boliden. Darüber hinaus konnte er auch schon als Testfahrer für Force India Königsklassen-Erfahrung sammeln und bewies sowohl in der GP2 als auch der World Series by Renault, über welches Talent er verfügt - ein Vizemeistertitel sowie zwei dritte Gesamtränge sprechen eine eindeutige Sprache.

"Ich bin sicher, dass er sein Potenzial nicht nur bei diesem Team, sondern in der Zukunft auch bei anderen Teams unter Beweis stellen kann", streute Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali dem 23-Jährigen erst jüngst Rosen. Diese Aussage ist wohl mehr als ein Wink mit dem Zaunpfahl - Bianchi ist nach einem Lehrjahr bei Marussia reif für höhere Aufgaben und könnte von der Scuderia langsam an die Weltspitze herangeführt werden. Da auch die Eingewöhnungszeit praktisch entfallen würde, spricht sehr viel für eine Rückkehr nach Maranello, diesmal allerdings als Einsatzpilot.

Erfahrung vor Talent

von Markus Zörweg

Jules Bianchi ist ein sehr guter Pilot, der aus dem unterlegenen Marussia Wochenende für Wochenende das Maximum herausholt und dabei seine Kollegen bei den Nachzügler-Teams regelmäßig alt aussehen lässt. Er konnte schon öfters die Williams-Piloten oder Sauber-Rookie Esteban Gutierrez ernsthaft fordern.

Fehlt Bianchi die Erfahrung?, Foto: Sutton
Fehlt Bianchi die Erfahrung?, Foto: Sutton

Seine Pace ist also unbestritten. Doch das alleine reicht noch lange nicht als Qualifikation für ein Cockpit beim erfolgreichsten Team der Formel-1-Geschichte. Schnelle Fahrer gibt es viele, doch einen absoluten Spitzenpiloten macht deutlich mehr aus. Bianchi kann definitiv ein solcher werden, doch nach einer Saison in der Königsklasse ist ihm diese Aufgabe wohl noch nicht zuzumuten.

Er wäre nicht das erste junge Talent, das in der Formel 1 hoffnungslos verheizt wird. Das gab es schon bei anderen Teams, Sergio Perez könnte bei McLaren ein solches Schicksal ereilen. Hinzu kommt, dass bei keinem Rennstall die Fahrer genauer beobachtet werden als bei Ferrari. Dass die italienische Presse nicht gerade zimperlich mit den Piloten umgeht, wenn der Erfolg ausbleibt, ist auch hinreichend bekannt.

Für seine Entwicklung, sowohl persönlich als auch als Rennfahrer, wäre es also deutlich zuträglicher, er würde noch ein bis zwei Saisonen bei einem kleineren Team bestreiten. Dort kann er Erfahrung sammeln und, wie es für einen jungen Piloten auch dazugehört, Fehler machen.