Schon lange nicht mehr hat ein einziger Überholvorgang das Fahrerlager der Formel 1 derart in zwei Lager gespalten, wie Sebastian Vettels missachtete Stallorder vergangene Woche in Sepang. Der allgemeine Tenor ließ sich bei Fans und Experten anschließend relativ schnell in zwei Meinungen aufteilen - zum einen gab es da die Einstellung, dass man als erfolgreicher Rennfahrer keine Gnade kennen darf... zum anderen, dass man sich dennoch sportlich fair verhalten sollte. Jacques Villeneuve, 1997 nach Michael Schumachers legendärem Jerez-Rammstoß selbst nach einer großen Kontroverse zum F1-Champion gekürt, ist bekanntlich kein Befürworter von Sebastian Vettel, hatte dem Deutschen schon wiederholt mangelnde Reife unterstellt. In die gleiche Kerbe hieb der Kanadier auch mit Blick auf die Ereignisse von Sepang und fand in Bezug auf Vettels unsportliches Verhalten durchaus drastische Worte.

"Sein Verhalten war dumm - ganz einfach. Solch negative Energien braucht das Team nicht", fand der Kanadier. Überdies sei Vettels Handeln arg kurzsichtig gewesen. "Wenn Seb jetzt irgendwann noch einmal Hilfe von Mark braucht, bekommt er die ganz sicher nicht...", so der 41-Jährige, der meinte, den größten Feind im eigenen Team zu haben, sei nicht unbedingt ratsam. Auch mit der Entschuldigung Vettels nach dem Rennen konnte Villeneuve wenig anfangen. "Es ist immer leicht, sich zu entschuldigen. Letzten Endes hat er ja den Sieg und die Punkte. Mark bringt das aber nichts", sagte der ehemalige Williams-Pilot, der von einer ganz bewussten Entscheidung Vettels sprach. Der Zuseher dürfe nicht vergessen, dass es bei aller Liebe zum Sport auch immer noch ums Geschäft gehen würde. Eigenmächtige Entscheidungen mit ungeahnter Tragweite - so wie die Vettels - seien im Arbeitsleben nirgendwo auf der Welt geduldet.

Erinnerungen an Gilles & Didier Pironi

Jacques Villeneuve kritisiert Vettel scharf, Foto: Sutton
Jacques Villeneuve kritisiert Vettel scharf, Foto: Sutton

"Das Team gibt dir den Vertrag und zahlt dir Geld. Also hast du zu machen, was sie wollen - ganz einfach!", schüttelte Villeneuve den Kopf. Zudem lehre gerade die Geschichte der Formel 1, dass es wenig Schlimmeres gäbe, als einen teaminternen Nichtangriffspakt zu missachten. "So etwas ist schlichtweg falsch. Das beste Beispiel waren mein Vater und Didier Pironi bei Ferrari in Imola 1982. Man sieht ja, womit das geendet hat", sagte Villeneuve der Auto Bild. Auch sein Vater Gilles und Pironi hatten damals eine Vereinbarung, lagen in Führung - eigentlich sollte man nur noch den Doppelsieg ins Ziel bringen. Doch Pironi hielt sich nicht daran, überholte Villeneuve kurz vor Schluss und klaute diesem so den Sieg - der Kanadier sprach anschließend nie wieder mit seinem Stallkollegen und schon zwei Wochen später kam es beim Zeittraining zum Großen Preis von Belgien in Zolder zur großen Katastrophe.

Getrieben von blinder Wut und auf der Suche nach den letzten Zehnteln, um Pironi zu schlagen, raste Villeneuve ins Heck des langsamen Jochen Mass und in den Tod. Dass die Fehde der Red-Bull-Piloten derartige Ausmaße annehmen könnte, möchte sich niemand vorstellen - darüber, dass die Atmosphäre im Team aus Milton Keynes aber spätestens jetzt vergiftet ist, sind sich die Experten einig. Ex-Pilot Mika Salo konnte sich beispielsweise nur noch eine Lösung und Zusammenarbeit aller Beteiligten auf Zeit vorstellen. "Sie müssen jetzt irgendwie versuchen, den Rest der Saison miteinander zu überleben", fand der Finne martialische Worte. Dann, so Salo, werde sich Red Bull mit Sicherheit um eine Veränderung bemühen.

Horner: Erfolg trotz Zwist

"Wahrscheinlich indem man einen anderen Fahrer in Webbers Cockpit setzt", mutmaßte der ehemalige Ferrari-Pilot. Red-Bull-Teamchef Christian Horner verneinte derweil, dass das Eskalieren der Causa in Malaysia nur mit Vettel, Webber und deren unterschiedlichen Charaktere zu tun hätte. Rennfahrer auf dem Weg zum Sieg einzubremsen, sei immer ein Ding der Unmöglichkeit. Mit Blick auf Vettel sagte der Brite: "Wenn Fernando Alonso oder Lewis Hamilton in seiner Position gewesen wären, hätten sie dasselbe gemacht. Und auch Mark Webber haben wir in so einer Lage schon dementsprechend reagieren gesehen. Da brauchen wir uns doch gar nichts vormachen - das ist mit Sicherheit nicht ein spezifisches Sebastian-Problem... vielmehr steckt es in der DNA eines jeden wettbewerbsfähigen Rennfahrers." Für Horner war die Diskussion um das Betriebsklima bei Red Bull und die Chemie im Team ohnehin müßig.

"Sebastian und Mark haben für das Team drei Titel in der Konstrukteursweltmeisterschaft gewonnen. Als Paarung sind sie jetzt schon eine der erfolgreichsten in der Geschichte der Formel 1. Vor drei Monaten haben wir in Austin und Brasilien noch Titel gefeiert und nun soll es nur noch Drama geben... obwohl wir im zweiten Saisonrennen einen Doppelsieg eingefahren haben?", wollte Horner der aktuellen Diskussion den Wind aus den Segeln nehmen. Doch wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen - dieses Sprichwort gilt auch in der F1. So meldete sich mit Fernando Alonso ein alter Bekannter zur Red-Bull-Debatte zu Wort und vergas dabei nicht, nachträglich noch ein wenig Öl ins Feuer zu gießen. "Ausgerechnet wenn ich einmal nicht mit auf dem Podest stehe, entgeht mir so ein toller Moment", spottete er mit Blick auf die eingefrorenen Mienen auf dem Sepang-Treppchen und fügte mit einem schelmischen Grinsen an: "Ich werde versuchen, die beiden in Zukunft nicht mehr alleine zu lassen."