Seit dem Großen Preis von Malaysia ist es das Hauptthema in der Formel 1: Sebastian Vettels kontroverser Sieg und das Ignorieren der Teamorder zum Leidwesen von Mark Webber. Viel wurde in den letzten Tagen spekuliert, vom endgültigen Bruch des Australiers mit dem Team war die Rede, vom völligen Ausschluss der Möglichkeit, dass Webber auch 2014 noch bei Red Bull fährt und davon, dass der Routinier im Zuge des Malaysia-Skandals sogar sofort hinwerfen könnte. Teamchef Christian Horner, der in Bezug auf seine beiden eigenwilligen Piloten zwischen den Stühlen sitzt und selbstredend um Vermittlung bemüht ist, versucht derweil die Wogen zu glätten. Mit Blick auf Webbers Frust und seinen Ärger über die Situation erklärte der Brite: "Mark weiß, dass es im Team kein Komplott oder etwas derartiges gegen ihn gab."

"Wir haben Gleichberechtigung gewährleistet und unsere Intention war einfach, das Rennen vorzeitig in trockene Tücher zu bringen, um so das Risiko zu minimieren - besonders vor dem Hintergrund des starken Reifenabbaus, den wir gesehen haben", verteidigte Horner abermals die strategische Entscheidung Red Bulls, für den finalen Stint des Malaysia Grand Prix einen Nichtangriffspakt auszugeben. "Es war folglich die Absicht des Teams, dass Mark das Rennen gewinnt und keinesfalls der Fall, dass wir Sebastian auf einmal gesagt hätten: 'Los, überhole deinen Teamkollegen!' Und Mark ist erwachsen genug, um zu wissen, dass es keine Bösartigkeit von uns war, oder die Intention, so eine Situation zu kreieren", meinte Horner. Dass sein Schützling wegen des Vorfalls das Handtuch werfen und mit Red Bull brechen könnte, hielt der Teamchef für unrealistisch. "Er hat hier ein Auto, in dem er Rennen und hoffentlich auch den Titel gewinnen kann. Ich habe keine Zweifel, dass Mark seinen Vertrag mit uns erfüllen wird."

Nur gemeinsam stark

Red Bulls wilde Piloten sorgten in Sepang für den ein oder anderen Eklat, Foto: adrivo Sportpresse
Red Bulls wilde Piloten sorgten in Sepang für den ein oder anderen Eklat, Foto: adrivo Sportpresse

Was Vettel betreffen würde, so habe sich dieser bei allen im Team persönlich für den Vorfall entschuldigt. "Auch sieht er ein, dass das Team sehr wichtig ist und der Faktor, ein Teil des Teams zu sein, ein wichtiger Aspekt ist, wenn es darum geht, um die Weltmeisterschaft kämpfen zu können." Der Deutsche habe nach Meinung Horners aber wohl die großen Auswirkungen seiner Handlungen in Sepang etwas unterschätzt. "Er war von den Reaktionen nach dem Rennen ja auch ziemlich überrascht", widersprach Horner gegenüber Sky den Vorwürfen, Vettel habe absichtlich so gehandelt und sich mit seiner Entschuldigung anschließend nur glimpflich aus der Affäre ziehen wollen. Trotzdem stellte Horner klar, dass Vettel eigentlich hätte wissen müssen, was er tat. "Er hat von seinem Ingenieur sehr bald nach dem letzten Boxenstopp eine Ansage erhalten und ich habe danach auch noch ein paar Mal am Funk zu ihm gesprochen."

"Ich denke, die Message war ziemlich eindeutig. Aber ich glaube ihm auch, dass er in seiner Situation sehr konzentriert war und voll darauf fokussiert, das Maximum aus den Reifen herauszuholen, die er am Auto hatte - ein neuer Satz Reifen, den er am Vortag im Qualifying aufgespart hatte." Horner fügte an: "Natürlich wollte er davon in den ersten Runden nach seinem Boxenstopp einen Nutzen ziehen." So gesehen sei Vettels Verhalten nachvollziehbar. "Er ist ein Rennfahrer, ein überaus ehrgeiziger noch dazu - und man gewinnt keine 27 Grands Prix, drei WM-Titel und die Anzahl an Pole-Positions, die er schon eingefahren hat, wenn man nicht so ehrgeizig ist." Ob es allerdings möglich sei, die jüngst entstandenen Risse zwischen Vettel und Webber wieder zu kitten, wollte Horner noch nicht sagen. "Wir wissen ja alle, dass zwischen den beiden schon länger eine gewisse Geschichte besteht."

Pure Gegensätze: Hat Horner seine Fahrer noch im Griff?, Foto: Red Bull
Pure Gegensätze: Hat Horner seine Fahrer noch im Griff?, Foto: Red Bull

Die Liste der Vorfälle sei mittlerweile lang - nicht nur der legendäre Teamkollegen-Crash in Istanbul 2010 kam dem Teamchef sofort wieder ins Gedächtnis, auch die Flügel-Affäre von Silverstone im selben Jahr. Dass seitdem auch die Teamansagen bei Red Bull nicht mehr so gut funktionieren würden, sei mehr oder weniger ein offenes Geheimnis, denn andersherum hielt sich auch Webber nicht immer an die vom Kommandostand ausgegebene Order, wie etwa in Großbritannien 2011 oder beim Saisonfinale vergangenes Jahr in Brasilien. Horner räumte mit Blick auf die Beziehung seiner Fahrer ein: "Seit Istanbul ist diese zerrüttet. Parallel muss man aber auch sagen, dass das etwas ist, das wir schon seit 2010 trotzdem noch immer hinbekommen haben - denn das Wichtigste ist einfach, dass beide auf der Strecke gegenseitigen Respekt füreinander haben."

Verantwortung für 600 Leute

"Natürlich war das, was am vergangenen Sonntag passiert ist, äußerst unglücklich - aber wir brauchen nun auch nicht so zu tun, als wäre es andersherum oder auch in anderen Teams noch nie passiert", meinte der 39-Jährige. Nachdem das Ausgeben von Stallordern aber scheinbar nicht mehr so viel bringe, behielt sich Horner vor, in Zukunft vielleicht von dieser Praktik Abstand zu nehmen oder die Herangehensweise zu überdenken - bei Red Bull werde sich nach dem Vorfall von Malaysia in jedem Fall etwas ändern. Dabei wollte der Teamchef das Prinzip der Teamorder aber keineswegs verteufeln. "Natürlich will man als Purist die Piloten im Rennsport lieber Rennen fahren sehen - und eigentlich war die Show, die sie abgezogen haben, ja auch fantastisch, das war großartiges Racing, Rad an Rad..." Das alles wäre also toller Rennsport gewesen, so Horner, wäre nur zuvor nicht längst die Ansage 'Multi 21' ausgesprochen worden.

"Multi 21 bedeutet Auto Nummer zwei vor Auto Nummer 1 - Multi 12 wäre das Gegenstück, bedeutet Auto Nummer 1 vor dem mit der Nummer 2", erklärte der Brite abermals die Codes seines Teams und fügte mit einem Grinsen hinzu: "So kompliziert ist das nicht!" Trotzdem habe er beobachten müssen: "Unsere beiden Fahrer sind in den letzten Rennen daran gescheitert, diese Ansagen zu verstehen. Ich denke folglich, dass wir diesen Code aufgeben werden und uns wahrscheinlich etwas anderes überlegen müssen." Dass sein Team weiterhin versuchen werde, vom Kommandostand aus - auf welche Art auch immer - das Geschehen auf der Strecke zu beeinflussen, müsse man jedoch verstehen. "Wir führen ein Unternehmen und haben die Verantwortung für 600 Leute... und die werden nicht dafür bezahlt, was der Fahrer macht - sondern dafür, wie das Team bei den Konstrukteuren abschneidet. So gesehen ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass wir dort das Maximum erreichen."