Nach vier langen Monaten der Pause hat die Formel 1 wieder Saison. In Melbourne kommt es zum ersten Showdown unter Wettkampfbedingungen in diesem Jahr, und es wird sich zeigen, wer im Winter gut gearbeitet hat und wer noch Nachholbedarf hat. Die drei Testfahrten in Jerez und Barcelona ließen nur bedingte Aufschlüsse zu, sodass sich die Teams und Piloten selbst nicht über das Kräfteverhältnis im Klaren sind, zumal die neuen Reifen ob ihrer Kurzlebigkeit für zahlreiche Diskussionen sorgten. Die etwas weicheren Pirelli-Pneus sollen zu zwei bis drei Boxenstopps pro Grand Prix führen und der Formel 1 jene Spannung verleihen, die sie auch am Beginn der letzten Saison mit sieben Siegern in sieben Rennen hatte.

Kann Vettel erneut jubeln?, Foto: Sutton
Kann Vettel erneut jubeln?, Foto: Sutton

Alonso fordert Vettel

Schenkt man den Experten Glauben, werden Sebastian Vettel und Fernando Alonso den Titel erneut untereinander ausmachen. Der Red-Bull-Pilot war bei den Testfahrten nur selten ganz an der Spitze zu finden, betonte jedoch stets, dass es ihm gar nicht darum gegangen sei, schnelle Zeiten in den Asphalt zu brennen - das habe man lieber der Konkurrenz überlassen. "Nach den vielen Tests ist es gut, dass wir endlich wieder Rennen fahren", freute sich der Heppenheimer auf den Saisonauftakt. Vettel entschied den Australien GP 2011 für sich, während er im Vorjahr den zweiten Platz belegte.

Aufgrund des stabilen Reglements und der starken Form der Bullen in der zweiten Saisonhälfte ist davon ausgehen, dass die von Adrian Newey konstruierten Boliden auch diesmal an der Spitze des Feldes vertreten sein werden. Dieser Umstand könnte auch Mark Webber bei seinem Heimrennen zum Vorteil gereichen. "Ich stand fast bei allen Rennen auf der Welt auf dem Podium oder habe sogar gewonnen", sagte er und gab sogleich das Ziel für das kommende Wochenende vor: "Ein Rennen, bei dem ich das wirklich gerne schaffen würde, ist Melbourne."

Bei der Scuderia Ferrari verlief die Winterpause ruhig. Hatte man im Vorjahr schon vor Beginn der Saison mit dem schwächelnden F2012 große Probleme, zeigte sich der F138 beständig und sollte nicht den anfänglichen Rückstand seines Vorgängers aufweisen. Diese Tatsache macht Fernando Alonso viel Mut, der sich laut eigener Aussage ohnehin in der Form seines Lebens befindet. "Man kann sich immer steigern und ich bin dazu bereit", gab der Asturier selbstbewusst zu Protokoll. "Das letzte Jahr war das beste Jahr meiner Karriere und ich war mit meiner Performance sehr zufrieden, aber ich denke, dieses Jahr wird noch besser."

Teamkollege Felipe Massa durfte sich nach einem starken Herbst über eine Vertragsverlängerung freuen, die wenige Monate zuvor noch als äußerst unrealistisch galt. Der Brasilianer sieht zwar Red Bulls Wagen als den besten im Feld, ist jedoch wie Alonso zuversichtlich, gleich von Anfang an auf der Höhe der Konkurrenz sein zu können. "Wir sind optimistisch, besser als im letzten Jahr in die Saison zu starten. Ich hoffe, dass uns das gelingt", meinte er.

Mercedes auch abseits der Testfahrten stark?

Button siegt in Australien - ein gewohntes Bild, Foto: Sutton
Button siegt in Australien - ein gewohntes Bild, Foto: Sutton

Vertraut man rein der Statistik, wäre eine Wette auf Jenson Button eine sichere Geldanlage. Der Brite gewann drei der letzten vier Rennen im Albert Park und geht nach dem Wechsel von Lewis Hamilton zu Mercedes als Teamleader bei McLaren in die neue Saison. "Ich habe nie aufgehört, zu trainieren und zu arbeiten, und ich fühle mich vor dieser Saison unglaublich fit und fokussiert", schickte er eine Warnung an die Konkurrenz. Dem Briten könnten die neuen Pirelli-Pneus in die Karten spielen, denn im Vorjahr hatte der Reifenflüsterer mit dem schwarzen Gold seine liebe Not und kam nach seinem Auftaktsieg lange Zeit nicht mehr auf Touren.

An Buttons Seite fährt Sergio Perez, der bisher für Sauber seine Runden drehte und in die großen Fußstapfen von Hamilton treten soll. "Für mich wird es eine unglaubliche Ehre sein, als McLaren-Pilot in Melbourne anzukommen", zeigte er sich von seiner neuen Aufgabe beim Traditionsteam aus Woking beeindruckt. "Ich habe noch nie härter auf eine neue Saison hingearbeitet, ich bin überzeugt, dass ich alles mir Mögliche getan habe, um bereit zu sein."

Mercedes erlebte im Winter einen wahrhaftigen Umbruch. Michael Schumacher wurde endgültig in die Rente geschickt und an seiner Stelle Lewis Hamilton verpflichtet, der dazu beitragen soll, dass die Stuttgarter endlich an der Spitze der Formel 1 ein gewichtiges Wörtchen mitsprechen. Darüber hinaus löste Toto Wolff Norbert Haug als Motorsportverantwortlichen ab und brachte frischen Wind ins Team. Dieser zeigte sich bereits bei den Testfahrten, wo Hamilton und Nico Rosberg zunächst mit technischen Problemen zu kämpfen hatten, danach aber eine Bestzeit nach der anderen setzten.

"Unser Auto war während der Wintertestfahrten gut und zuverlässig", versprühte Hamilton Optimismus. "Wir gehen also positiv gestimmt in das Rennwochenende, wissen jedoch auch, dass mit Blick auf die Performance alle im Freien Training am Freitag wieder bei Null beginnen." Auch Teamchef Ross Brawn wollte sich von der guten Vorstellung bei den Testfahrten nicht blenden lassen, um nicht zu große Erwartungen zu schüren. "Ab dem ersten Rennen können wir damit beginnen, unsere Position im Kräfteverhältnis zu bestimmen", sagte er. "Dann werden wir sehen, wie groß unser Fortschritt mit dem neuen Silberpfeil wirklich ist. Testfahrten sind jedoch das eine, Rennen etwas ganz anderes."

Kontinuität bei Lotus

Gab es bei Mercedes in den vergangenen Monaten zahlreiche Umwälzungen, ist bei Lotus Kontinuität Trumpf. Das Team aus Enstone baut weiterhin auf Kimi Räikkönen und Romain Grosjean und erhofft sich dadurch einen Schritt nach vorne. "Beide Fahrer zu behalten, ist die beste Situation für unser Team", frohlockte Teamchef Eric Boullier. "Damit können wir einen guten Schwung für den Start in die Saison mitnehmen - vor allem im Vergleich zum letzten Jahr, wo wir Zeit darauf verwenden mussten, diese Beziehung zu pflegen."

Der Auftakt verlief für Lotus im vergangenen Jahr in der Tat alles andere als optimal, weshalb Räikkönen sich vorgenommen hat, diesmal von Beginn an auf Betriebstemperatur zu sein, damit der Zug in Richtung WM-Titel nicht verfrüht abfährt. "Ich möchte stark in die Saison starten und werde die ersten Rennen hoffentlich besser als im Vorjahr bestreiten", erklärte der Finne. "Wir wissen nicht genau, was wir zu erwarten haben, und werden daher unser Bestes geben. Wir sollten einen ordentlichen Saisonstart schaffen."

Adrian Sutil ist zurück, Foto: Sutton
Adrian Sutil ist zurück, Foto: Sutton

Ein Rückkehrer und viele Neulinge

Mit Nico Hülkenberg und Adrian Sutil befinden sich neben Vettel und Rosberg zwei weitere deutsche Piloten im Feld, deren Vorbereitung nicht unterschiedlicher hätte ausfallen können. "Hülkenberg ist ein cleverer Junge und ein Fahrer mit Weltmeister-Potenzial - ich habe den Verdacht, dass er für die kommenden Jahre schon etwas in der Pipeline hat", urteilte Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner über den Sauber-Piloten. Sutil verbrachte hingegen lediglich drei Testtage im Auto, nachdem er von Force India erst Anfang März bestätigt worden war und nach einem Jahr Auszeit in die Formel 1 zurückkehrte. Bedenken, dass sich die geringe Laufleistung als Nachteil entpuppen könnte, hat er jedoch nicht. "Ich denke, Kimi ist das beste Beispiel", meinte er. "Er war der konstanteste Fahrer im gesamten Feld und hatte eine Pause von zwei Jahren... noch Fragen?"

Was erwartet uns noch in Melbourne? Jede Menge Rookies! Nicht weniger als fünf Piloten fahren im Albert Park ihren ersten Grand Prix. Während Williams-Mann Valtteri Bottas aufgrund seiner Freitagseinsätze schon über ein gewisses Maß an Erfahrung verfügt, kam Jules Bianchi äußerst kurzfristig zu seinem Marussia-Cockpit. Dennoch zeigte der Franzose seinem Teamkollegen Max Chilton prompt die Grenzen auf und nahm ihm bei den Testfahrten eine Sekunde ab. Bei Sauber wird weiterhin Spanisch gesprochen, da Esteban Gutierrez zum Stammfahrer aufgestiegen ist und den Platz seines mexikanisches Landsmannes Sergio Perez einnimmt. Komplettiert wird das Quintett von Giedo van der Garde. Der Niederländer ist bereits 27 Jahre alt, gibt für Caterham am Sonntag aber dennoch sein Formel-1-Debüt.