Während die DTM sich über fehlende Typen unter den Fahrern beklagt, gibt es in der Formel 1 viele Piloten, die polarisieren. Doch über kaum einen Fahrer wird so hitzig diskutiert wie über Lewis Hamilton. Sein Wechsel vom potentiellen Weltmeisterteam McLaren zu den schwächelnden Silberpfeilen sahen Fans wie Experten kritisch. Dem Briten wurde vorgeworfen, nur des Geldes wegen von Woking nach Brackley gewechselt zu sein. Bei den Testfahrten in Barcelona gab Hamilton seinen Kritikern bereits auf der Strecke eine Antwort, nun beleuchtet er seine Entscheidung aus einem anderen Licht.

"Ich fühle, dass ich mich heute sehr viel besser entfalten kann, ich fühle mich wohl in meiner Haut", erklärte der 28-Jährige. Grund für seine Leichtigkeit sei seine neugefundene Entscheidungsfreiheit. "Mein Vater findet zum Beispiel meine Tattoos nicht gut, aber ich brauche keine Zustimmung von irgendjemandem." Toto Wolff räumte unlängst mit den Vorurteilen gegen seinen Schützling auf und erklärte, Lewis Hamilton sei sehr wohl ein Teamplayer und wisse, wie er mit seinen Mechanikern umgehen müsse.

Der Weltmeister von 2008 trennt hier allerdings Berufliches und Privates strikt: "Ich brauche euch [die Medien] nicht, ich brauche das Team nicht, ich brauche meine Mutter nicht. Ich bin, wer ich bin." Die eigene Emanzipation sei eine wichtige Sache in jedermanns Leben, fuhr Hamilton fort und gab umgehend die nächste Lebensweisheit mit auf den Weg: "Du musst so akzeptiert werden, wie du bist. Du musst stolz darauf sein, wer du bist - und das versuche ich. Ich bin ein extremer Typ. Entweder hasst man mich, oder man liebt mich."

Bei Mercedes kann sich Hamilton frei entfalten, Foto: Mercedes AMG
Bei Mercedes kann sich Hamilton frei entfalten, Foto: Mercedes AMG

Den Grund für seine Kontroversität sieht er in seiner Anfangszeit in der Königsklasse. "Als ich in die Formel 1 kam, habe ich leider Sachen gesagt, die etwas gemeint haben, aber von den Leuten in eine andere Richtung gedreht wurden. Das bleibt in Erinnerung." In einem Land hat Hamilton mit besonderer Abneigung zu kämpfen: "Wenn ich nach Spanien komme, hassen mich die Leute generell." Ursache hierfür ist seine Rivalität mit Fernando Alonso, die 2007 unrühmlich mit dem Abschied des Spaniers bei McLaren endete. "Alles, was man machen kann, ist zu versuchen, es langsam zu ändern."

Wie Toto Wolff glaubt auch er, dass die Öffentlichkeit ein falsches Bild von seiner Persönlichkeit hat. "Was ich garantieren kann, ist, dass wenn mich Leute treffen, die mich nicht mögen, sie ihre Meinung ändern werden, wenn ich ihnen Zeit gebe." Mitverantwortlich für sein Image sei auch sein ehemaliger Arbeitgeber McLaren: "Ich komme von einem Ort mit jeder Menge Kontrolle, von einem wirklich kontrolliertem Umfeld, in dem du tun und sagen musst, was dir gesagt wird."

Natürlich ist dem Briten klar, dass gewisse Werte und ein respektvoller Umgang bei jedem Team unabdingbar und selbstverständlich sind, aber in seinem neuen Umfeld fühlt er sich deutlich wohler. "Du kannst immer noch der sein, der du sein willst. Das macht einen großen Unterschied, wenn du fährst." Gegen Ende der letzten Saison - als klar war, wohin sein Weg führen wird - habe er begonnen, seinen Job wieder mit mehr Freude aufzunehmen. "Ich konnte mich locker machen, die Performance abliefern, die ich zu leisten im Stande bin."

Mit zunehmendem Alter wird Hamilton auch bewusst, welche Rolle er in der Öffentlichkeit spielt. "In den ersten paar Jahren hat sich das Gerede darüber, eine Inspiration zu sein, so weit hergeholt angefühlt. Aber jetzt, da ich älter werde, beginne ich zu verstehen, was es bedeutet - ein Vorbild zu sein." Er hofft nun, seine 'Altersweisheit' und seine neugewonnene Geduld auch auf der Strecke umsetzten zu können. "Du triffst klügere Entscheidungen und ich hoffe, dass das auch einen Einfluss auf meine Rennen, auf die Entscheidungen, die ich auf der Strecke mache, haben wird."