Die Tränen von Sao Paulo sind getrocknet, die denkbar knappe Niederlage im epischen WM-Finale vom vergangenen November ist Geschichte. Ferrari hat den Fokus längst wieder nach vorne gerichtet und dabei feststellen dürfen: Ein desaströser Testauftakt wie in Vorsaison konnte heuer erfolgreich abgewendet werden. Die Scuderia ist überzeugt, ein weitestgehend konkurrenzfähiges Paket für Saisonauftakt in Australien geschnürt zu haben. Noch sieht man sich im Vergleich zu den anderen Top-Teams zwar leicht im Hintertreffen - der Rückstand aus dem Schlussspurt 2012 sei eben binnen weniger Monate nicht gänzlich auszumerzen - die Tendenz gehe aber eindeutig in die Richtung.

Großer Technik-Clou unterhalb der Fahrzeugnase - oder doch nur ein großer Bluff?, Foto: Sutton/adrivo
Großer Technik-Clou unterhalb der Fahrzeugnase - oder doch nur ein großer Bluff?, Foto: Sutton/adrivo

Beleget werden die vom Team geäußerten Annahmen auch durch Zahlen: Bei den Testfahrten in Barcelona war man knappe vier Zehntel hinter Mercedes immerhin zweitschnellstes Team - die Lücke schließen könnten nun noch weitere Updates, die erst am Freitag vor dem Melbourne-Wochenende erstmals ans Auto kommen sollen. Zudem hielten die Beobachter fest: Alonso soll - anders als Spitzenreiter Nico Rosberg - das DRS auf seiner schnellsten Katalonien-Runde nur auf der Start-/Zielgeraden und nicht der kompletten Strecken verwendet haben, was die Lücke zusätzlich größer erscheinen ließ als sie es war. In puncto Laufleistung präsentierten sich die Mannen aus Maranello ebenso aktiv: Mit 4.908 Kilometern belegte man den vierten Rang unter allen Teams.

Zwar wurde man von technischen Pannen nicht komplett verschont - bei Pedro de la Rosa fing das Getriebe Feuer, Felipe Massa verlor ein Rad und bei Fernando Alonso brach einmal der Auspuff. Insgesamt konnten die Italiener ihren Testbetrieb jedoch stabil und zielführend gestalten. Auch die Auslagerung der Aerodynamikarbeit in den ehemaligen Toyota-Windkanal in Köln gestaltete sich als weniger schwierig als zunächst angenommen. Ferrari präsentiert sich gut aufgestellt - findet auch Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner, der bei den Top-Teams ohnehin wenig Performance-Unterschiede sah. "Die sind alle auf einem ähnlichen Level - so auch Ferrari. Sie verfügen über ein ausgezeichnetes Engineering-Team und vieles kann man vorab im Simulator testen", so der Deutsche.

Das Team: Stichwort Simulator: Besonders in diesem Bereich hat sich die Scuderia mit der Verpflichtung des erfahrenen Pedro de la Rosa still und leise aber deshalb nicht weniger signifikant verbessert. Der Alonso-Kumpel bringt reichhaltiges McLaren-Know-how mit, soll im Werk in Maranello auch die etwas verstaubten Arbeitsmethoden an der virtuellen Front voranbringen. Doch nicht nur das ist neu bei Ferrari: "Die verbesserte Business-Struktur, die modifizierten Operationsabläufe, die Veränderungen am Equipment und die Übereinstimmung der Testergebnisse mit den Zielen, die wir uns gesetzt haben, überzeugen mich, dass wir auf dem richtigen Weg sind", fasste Teamchef Stefano Domenicali zusammen. Auf den großen Personalumbruch hat man verrichtet.

Stattdessen setzt der Traditionsrennstall auf bewährte Stärke und eine eingespielte Truppe - der Fokus liegt klar auf der Verbesserung des technischen Handwerkszeugs, dem ganzen Stolz Italiens, kurzum: Dem F138. Dass dieser sich auch nach seiner Vorstellung und den Testfahrten stetig in der Weiterentwicklung befindet, belegen die Aussagen von Chefdesigner Nikolas Tombazis. So verriet der Grieche beispielsweise: "Bei den Auspuffausgängen können wir noch mit vielen Updates während der Saison rechnen." Während Simone Resta für die aktuellen Geschicke verantwortlich zeichnet, läuft trotz aller Ressourcenbündelung im Team parallel auch schon die Arbeit am Turbo-Ferrari für 2014 auf Hochtouren, für die eine Extra-Crew abgestellt wurde, zu der sich unter Leitung Fabio Montecchis dann auch Technik-Ikone Rory Byrne gesellen wird.

Die Fahrer: Wie auch im Teamhintergrund, setzt die Scuderia bei den Piloten ebenso auf Konstanz. Hinter Alonso steht das ganze Team, an seiner Seite darf sich erneut Felipe Massa beweisen. Wie jedes Jahr fährt der Brasilianer im Schatten des Spaniers um einen neuen Vertrag - nachdem er 2012 jedoch besonders gegen Saisonende Morgenluft im Stallduell witterte, macht sich der 31-Jährige große Hoffnungen, den Trend in Richtung alter Stärke heuer fortzusetzen. Für Alonso zählt hingegen nur der Titel - seit 2010 wartet der Spanier auf seinen dritten und den ersten mit Ferrari. "Was meinen Optimismus für 2013 nährt?", fragte er die Journalisten bei den Tests in fordernder Manier. "Dass wir letztes Jahr mit einem Auto um den Titel gefahren sind, das beim Testen über zwei Sekunden hinter der Pace war..."

Alonso & sein Hoffnungsträger F138 in voller Pracht, Foto: Sutton
Alonso & sein Hoffnungsträger F138 in voller Pracht, Foto: Sutton

Für Alonso stand dementsprechend fest: "Den ersten Teil der Saison heuer zu verbessern, dürfte nicht allzu schwer werden." 2012 habe man sich zu Beginn richtiggehend verloren gefühlt. "Das Vertrauen, die Zuversicht und die Motivation sind nun aber viel größer als vor einem Jahr", so der Doppelweltmeister, der meinte, sein neues Arbeitsgefährt sei gefühlte zweihundertmal besser als sein Vorgänger. Doch nicht nur der Bolide, sondern auch er selbst habe weitere Fortschritte erzielt, konstatierte der für sein gesundes Selbstbewusstsein bekannte Spanier: "Das letzte Jahr war das beste Jahr meiner Karriere und ich war mit meiner Performance sehr zufrieden - aber ich denke, dass ich dieses Jahr noch besser bin als letztes." Das läge auch an der weiteren Intensivierung seines Trainings. Den ersten Test in Jerez ließ Alonso so gleich ganz aus, stürzte sich lieber aufs Rad, die Joggingpiste und in den Kraftraum - in Melbourne will er beweisen, dass das geholfen hat.

Das Auto: F138 und nicht F2013 heißt die neue Rote Göttin: Dabei steht 13 für das Jahr 2013 und die anschließende 8 ist eine Hommage an den V8-Motor, der dieses Jahr letztmals zum Einsatz kommt. Doch genug der profanen Zahlen. Die große Frage vor der Präsentation lautete: Bleibt Ferrari beim Konzept mit den Zugstreben oder rüstet die Scuderia wieder auf Druckstreben, sogenannte Pushrods, zurück? Nachdem sich die Piloten über die Saison hinweg an die zunächst ungeliebte Vorderradaufhängung gewöhnen konnten, kommt sie am F138 fast unverändert zum Einsatz. Generell setzten die Ingenieure der Mythosmarke auf Evolution statt Revolution. Die hässliche Stufennase gehört - dem Vanity Panel sei Dank - der Vergangenheit an, dafür gibt es ein interessantes Detail an der Unterseite der Front.

Wegen der neuen Lackierung an der Unterseite des Ferrari ist er kaum zu erkennen, doch bei genauem Hinsehen ist er da - der ominöse Schlitz. Wofür die Öffnung jedoch genützt wird, ist unklar. Dass er lediglich zur Kühlung elektronischer Bauteile dient, scheint vielen zu simpel - doch ein DRD oder andere Aero-Spielereien wurden bislang noch nicht gesichtet. Imposant erscheinen die Pylonen. Die Verbindung zwischen Nase und Frontflügel soll die einströmende Luft möglichst zielgenau zum Splitter führen. Auch Ferrari folgte dem allgemeinen Trend und formte die Seitenkästen noch windschlüpfiger, ein neuer Semi-Coanda-Auspuff wurde ins Konzept integriert. Abgesehen von einem kleinen Feuer am letzten Jerez-Testtag und einem losen Rad bei Felipe Massa in Barcelona zeigte sich der F138 zuverlässig. Die Zeiten aus Barcelona und Jerez sind ebenfalls ermutigend.

Saisonziel: Weltmeister - sonst nichts!

PRO: Ein Fernando Alonso in der Form des Vorjahres startet immer als Mitfavorit auf den Titel in die Saison. Spannend wird jedoch, ob auch die Scuderia entscheidend nachrüsten konnte und es den Italienern über den Winter gelungen ist, die Lücke auf die Spitze zu schließen. Die Vorzeichen sagen: Ja. Laufleistung, Pace und der Schnitt aus Evolution und Innovation stimmten beim Team aus Maranello - ein weiterer wichtiger Faktor: So hungrig wie die Roten ist wohl niemand im Fahrerlager. Das Team und Alonso wollen sich für den verlorenen Titel rächen, Massa allen beweisen, dass er es doch noch kann. Dass der Turbo-Umbruch 2014 alles durcheinanderwirbeln könnte, erhöht parallel den Druck - und damit sicher auch den Biss aller Beteiligten, die heuer ihre vielleicht vorerst letzte WM-Chance wittern. (Frederik Hackbarth)

CONTRA: Ferrari will den Titel sicherlich mehr als alles andere - aber wollten sie das zwischen 1980 und 1999 nicht auch? Durch die fehlenden Regeländerungen gehen sie mit nahezu der gleichen Bürde nach Melbourne, mit der sie 2012 in Brasilien aufgehört haben. Zwar ist Alonso sicher, in diesem Jahr 200 Mal besser aufgestellt zu sein, aber auch der RB8 war zu Beginn der Saison 2012 nicht das Maß der Dinge. Zum Ende war er es und Ferrari konnte nur selten einen Stich setzen. Wenn der Scuderia nicht vor allem in Bezug auf das Qualifying ein großer Schritt nach vorne gelungen ist, wird es wahrscheinlich auch 2013 nichts mit dem ersehnten Titel für Maranello. (Marion Rott)