Force India startet in die sechste Formel-1-Saison, doch so chaotisch wie in dieser Winterpause ging es bei den Indern noch nie zu. Erst mit der Enthüllung des VJM06 wurde Paul di Resta als Einsatzpilot bestätigt, obwohl es als offenes Geheimnis galt, dass der Schotte dem Team erhalten bleibt. Um das zweite Cockpit lieferten sich Adrian Sutil und Testfahrer Jules Bianchi einen Zweikampf, den der Deutsche schlussendlich für sich entschied und Anfang März offiziell vorgestellt wurde.

Wie ist es um Mallyas Finanzen bestellt?, Foto: Sutton
Wie ist es um Mallyas Finanzen bestellt?, Foto: Sutton

Ebenso unklar wie die Motorenfrage für 2014 sind die finanziellen Verhältnisse von Teamchef Vijay Mallya. Bereits im Vorjahr machten Meldungen über die wirtschaftliche Schieflage von Kingfisher, der Fluglinie Mallyas, die Runde, und auch Anteilseigner Sahara geht es alles andere als rosig. "Es gibt eine Trennung zwischen Vijays Privatgeschäften und dem, was er bei Force India macht", sagte Robert Fernley, der stellvertretende Teamchef. "Ob es Kingfisher oder United Spirits gut geht oder nicht, hat keinen Einfluss auf das Team. Es ist allerdings sehr schwer, diese Botschaft rüberzubringen, wir versuchen es seit einigen Jahren." Dennoch geisterte der Name Colin Kolles durch die Medien, der als potenzieller Investor ins Spiel gebracht wurde.

Mallya kündigte im Herbst an, seinem Rennstall deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen zu wollen, um einen Schritt nach vorne zu setzen. "Das Programm läuft und wir suchen momentan nach einem Grundstück, um unseren neuen Windkanal zu bauen", erklärte der Geschäftsmann im Zuge der Präsentation des VJM06, der er jedoch nicht persönlich beiwohnte. "Das Team hat einen bemerkenswerten Job mit den Ressourcen geleistet, die wir bisher hatten, aber wenn wir unsere Langzeitambitionen umsetzen wollen, müssen wir unseren Ingenieuren die besten zur Verfügung stehenden Werkzeuge geben."

Fisichella holte den bisher einzigen Pokal für Force India, Foto: Sutton
Fisichella holte den bisher einzigen Pokal für Force India, Foto: Sutton

Das Team: Force India ist das Nachfolgeteam von Jordan, Midland und Spyker und nahm in der Saison 2008 zum ersten Mal an der Formel-1-Weltmeisterschaft teil. Bereits damals war Adrian Sutil mit von der Partie, doch für den ersten und bisher einzigen Podestplatz in der Geschichte der indischen Mannschaft sorgte ein Jahr später sein Teamkollege Giancarlo Fisichella, der beim Klassiker von Spa den Sieg nur knapp verpasste.

Mit 109 Zählern fuhren Paul di Resta und Nico Hülkenberg in der vergangenen Saison das punktemäßig beste Ergebnis ein, was schlussendlich zum siebten Konstrukteursrang reichte - eine Position schlechter als 2011. Im Mittelfeld der Königsklasse dürften sich die Inder auch in dieser Saison bewegen, obwohl die wirtschaftlichen Turbulenzen dazu führen könnten, dass die Orientierung eher nach hinten denn nach vorne erfolgen muss.

Die Fahrer: Nicht weniger als vier Fahrer kamen für Force India im Rahmen der Testfahrten zum Einsatz. Neben Stammpilot Paul di Resta duellierten sich Adrian Sutil und Jules Bianchi um das zweite Cockpit, darüber hinaus durfte auch Simulator-Spezialist James Rossiter einige Runden drehen und fuhr prompt die Boxenmannschaft um. Bianchi hat das Team mittlerweile verlassen und heuerte kurzfristig als Nachfolger von Luiz Razia bei Marussia an.

Warum di Resta erst im Zuge der Vorstellung des neuen Wagens offiziell bestätigt wurde, bleibt ein Geheimnis des Teams. Der Schotte liebäugelte im letzten Sommer mit einem Wechsel zu Ferrari oder McLaren, wurde schlussendlich aber übergangen, was sich auf seine Leistungen alles andere als positiv auswirkte und er das teaminterne Duell gegen Hülkenberg verlor. Dennoch bestanden kaum Zweifel an einer Vertragsverlängerung. "Natürlich lastet dieses Jahr Druck auf mir. Es ist mein drittes Jahr in der Formel 1", ist sich di Resta bewusst, dass er Leistung bringen muss. "Aber wie immer ist es auch so: Niemand macht mir so viel Druck wie ich mir selbst mache."

Mit Sutil kehrte nach einem Jahr der Abstinenz ein Mann zu Force India zurück, der die Mannschaft vielleicht besser als jeder andere kennt, fuhr er doch schon zwischen 2008 und 2011 für die Inder, ehe er mit dem Gesetz in Konflikt kam und sein Cockpit verlor. Sorgen, dass ihm die Auszeit zum Nachteil gereichen könnte, macht sich der Starnberger nicht. "Ich denke, Kimi ist das beste Beispiel", meinte er. "Er war der konstanteste Fahrer im gesamten Feld und hatte eine Pause von zwei Jahren... noch Fragen?"

Die Stufennase wird versteckt, Foto: Sutton
Die Stufennase wird versteckt, Foto: Sutton

Das Auto: Der VJM06 ist eine dezente Weiterentwicklung des Vorgängers. Die Ingenieure verzichteten auf einen Paradigmenwechsel beim Design und verbesserten den VJM05 in Details. Auffälligste Änderung: Force India kaschiert die unschöne Stufe in der Nase mit dem neuen Vanity Panel. Bei keinem Team ist der Übergang zwischen Panel und Nase besser zu erkennen. Schwerpunkt bei der Weiterentwicklung waren die Seitenkästen, die am neuen Boliden deutlich filigraner gestaltet sind, jedoch nicht in dem Ausmaße wie beispielsweise bei Sauber. Entsprechend wurde auch der Semi-Coanda-Auspuff ins Konzept integriert und weiterentwickelt.

Gänzlich neu ist hingegen die Aufhängung, auf einen Wechsel zu Pullrods wie McLaren und Ferrari verzichteten die Ingenieure jedoch, sodass für den Laien die Änderungen kaum sichtbar sind. Die Pace des VJM06 war bei den Tests vielversprechend, auch die Tatsache, dass Adrian Sutil sofort mit dem Auto zurechtkam, spricht für die Qualitäten des Autos. Weniger erfreulich ist jedoch die Laufleistung: mit etwas mehr als 4.400 Kilometern belegt das Team in dieser Wertung lediglich den drittletzten Platz.

Saisonziel: Mallya will auf das Podium.

PRO: Aus technischer und fahrerischer Sicht stehen die Vorzeichen für Force India gut. Adrian Sutil hat bei den Testfahrten bewiesen, dass er während seiner Formel-1-Abstinenz nicht eingerostet ist, und auch Paul di Resta ließ mit seiner Pace aufhorchen. Mit dem VJM06 hat das Team einen konkurrenzfähigen Boliden auf die Beine gestellt, der eine Weiterentwicklung seines Vorgängers ist, mit dem Nico Hülkenberg beim Saisonfinale 2012 um den Sieg kämpfte. Bleiben finanzielle Skandale aus, kann es mit dem zweiten Podestplatz in der fünfjährigen Geschichte des Teams klappen. (Annika Kläsener)

CONTRA: Eine ruhige Wintervorbereitung sieht definitiv anders aus. Neben der unsicheren Cockpitsituation sorgten auch die Wasserstandsmeldungen rund um Mallyas Vermögensverhältnisse gewiss für einige schlaflose Nächte. Es ist schwer vorstellbar, dass Force India in der Lage sein wird, mit Sauber und Williams mitzuhalten oder gar am Podium schnuppern kann - vielmehr dürfte ein beinharter Kampf um die letzten Punkteränge bevorstehen. (Philipp Schajer)